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Vor einer Substitution
Sind B12-Spiegel-Messungen sinnvoll?
Die klinische Chemie bietet heutzutage die Spiegelbestimmungen unzähliger Mikronährstoffe an. Allerdings sind nur wenige Parameter sinnvoll und zielführend. Einige Parameter sind sogar in einem für den Patienten riskanten Ausmaß irreführend. Ein Beispiel dafür ist Vitamin B12, wo es sehr darauf ankommt, was genau man misst.
Nahrungsergänzung ist ein viel diskutiertes Thema. Einerseits gibt es bei verschiedenen Populationen für bestimmte Stoffe ein hohes Mangelrisiko. Zu nennen sind hier Frauen bei Eisen oder Menschen mit veganer Ernährung, bestimmter Medikation oder hohen Alters für Vitamin B12. Andererseits gibt es Studien, die zeigen, dass die unkritische Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln das Leben eher verkürzen als verlängern kann – was bleibt dann als Handlungsempfehlung? Soll man also immer erstmal Mikronährstoff-Spiegel messen, um dann gezielt zu substituieren, statt auf Verdacht zu substituieren?
Die
Antwort auf diese Frage lautet, wie so oft, kommt drauf an. Doch worauf? Bevor
man darangeht, die Notwendigkeit einer Substitution von Mikronährstoffen an
gemessenen Plasmaspiegeln festzumachen, sollte man einen Blick auf die Quelle
der pauschalen Aussage werfen, eine Nahrungsergänzung sei generell überflüssig.
Dabei wird in der Regel auf die 2008 veröffentlichte Nationale Verzehrstudie II
Bezug genommen. Sie kommt zusammengefasst zu dem Schluss, in Deutschland gebe
es keinen Mangel an Nährstoffen jedweder Art, weshalb es praktisch keine klinisch manifesten Mangelerkrankungen (Skorbut, Rachitis und andere) gibt. Gemeint ist damit jedoch
lediglich, dass es das Nahrungsangebot hierzulande jedem ermöglicht, sich
in jeder Hinsicht bedarfsdeckend zu ernähren. Dennoch gelten hier
Einschränkungen. Eine Unterversorgung mit bestimmten Mikronährstoffen (zum Beispiel Jod vor allem im Süden, Vitamin D vor allem im Winter) wird sehr wohl
konstatiert. Diese erreicht zwar kaum ein Ausmaß, das klar diagnostizierbare
Mangelerkrankungen zur Folge hätte, subklinische Defizite (zum Beispiel eine erhöhte
Anfälligkeit für Atemwegsinfektionen durch latenten Vitamin-D-Mangel) sind aber
keineswegs ausgeschlossen.
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Messbarer Parameter, der mit der Symptomatik korreliert
Der zweite Punkt, der bei einer Spiegelmessung berücksichtigt werden muss, ist: Es muss einen validen, messbaren Parameter geben, dessen Vorhandensein- oder Nicht-Vorhandensein auch mit der jeweiligen Symptomatik korreliert. Ein großes Problem besteht darin, dass Mikronährstoffe oft in Kompartimente verschoben werden, in denen sie sich einer Messung nach der Blutabnahme entziehen. Das Prinzip, dass die korrekte Interpretation von Laborwerten ein großes Hintergrundwissen erfordert, das gilt bei der Messung von Vitamin B12.
B12: Der falsche Parameter ist sogar gefährlich
Bei der Bestimmung von Vitamin B12 selbst werden inaktive Metaboliten mitgemessen. Dies führt dazu, dass in einigen Fällen die Spiegel noch im unteren Viertel des (auffällig breiten) Referenzbereichs lagen, während die Patienten bereits deutliche neurologische Ausfallerscheinungen und makrozytäre Anämien zeigten. Der deutlich zuverlässigere, aber auch teurere Parameter ist das Gesamt-Transcobalamin (Holo-TC), das eine genauere Korrelation zwischen Serumspiegel und klinischer Symptomatik ermöglicht.
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Bei Mangelrisiko besser gleich substituieren?
Dennoch muss auch hier berücksichtigt werden, dass Vitamin B12 in der Leber gespeichert wird. Hier ist es einer Messung nicht zugänglich. Ein deutliches Sinken der Blutspiegel tritt in solchen Fällen erst ein, wenn die Depots in der Leber bereits weitgehend erschöpft sind. Wenn sich also zum Beispiel ein Veganer, der praktisch kein Vitamin B12 mit der Nahrung aufnimmt, aufgrund von Blutspiegeln, die sein Hausarzt gemessen hat, in Sicherheit wiegt, kann dies durchaus trügerisch sein. Wird hier nicht das Gesamt-Transcobalamin (Holo-TC) gemessen, das eine genauere Korrelation zwischen Serumspiegel und klinischer Symptomatik ermöglicht, sollte man sich hier im Sinne des Verbraucherschutzes die Frage stellen, ob man den Verbraucher tatsächlich schützt oder ob man ihn durch allzu pauschale Aussagen eher gefährdet. Die Frage, ob man bei diesen Kunden Vitamin B12 nicht lieber gleich substituieren sollte, ist naheliegend. Es wird auch in der Regel empfohlen. Gleiches gilt übrigens für Patienten unter Langzeittherapie mit Protonenpumpeninhibitoren.
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