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England droht ein neuer Arzneimittelimport-Skandal

Berlin - 12.07.2019, 07:00 Uhr

Erneut sind in einem europäischen Land italienische Arzneimittel aufgetaucht, die vermutlich aus der legalen Lieferkette entfernt wurden. (m / Foto: imago images / Photo Alto)

Erneut sind in einem europäischen Land italienische Arzneimittel aufgetaucht, die vermutlich aus der legalen Lieferkette entfernt wurden. (m / Foto: imago images / Photo Alto)


Klinik-Diebstähle? Abrechnungsbetrug?

Woher die Arzneimittel-Packungen in Italien stammen, ist unklar. In der pharmazeutischen Fachpresse Italiens wird aber über mögliche Lieferwege spekuliert. Das Apotheker-Portal „Fpress.it“ berichtet mit Bezug auf „Behördenkreise“, dass die Produkte aus Kliniken gestohlen sein könnten. Denn in Kliniken sei es üblich, dass die Sicherheitskleber auf den Packungen nach Wareneingang entfernt werden, weil die Arzneimittel innerhalb des Krankenhauses und auf den Stationen ausgeeinzelt werden.

Möglich sei demnach aber auch ein doppelt illegales Vorgehen sowie eine mögliche Beteiligung einzelner Apotheker und Ärzte: Denn zur Abrechnung bei der Krankenversicherung müssen die Apotheker den Sicherheitskleber vor der Abgabe an den Patienten von der Packung ziehen, ihn auf das Rezept aufkleben und dann bei der Versicherung einreichen. „FPress.it“ zufolge ermittelt die italienische Arzneimittelbehörde nun, ob Apotheker Scheinrezepte mit den Klebern bei der Versicherung abrechnen und die Ware vorher gewinnbringend exportieren – schließlich dürfte der Preis der Arzneimittel in England bei allen drei betroffenen Präparaten deutlich über dem Preisniveau in Italien liegen.

Warum konnte der EU-Fälschungsschutz nicht helfen?

Es bleibt die Frage: Warum ist das alles nicht durch das neue EU-Fälschungsschutzsystem (hierzulande: Securpharm) aufgefallen und schon früher aufgedeckt worden? Schließlich müssen die EU-Staaten seit einigen Monaten schon an das Sicherheitssystem angeschlossen sein, damit möglicherweise gefälschte Packungen in ganz Europa wiedergefunden werden können. In diesem Fall wäre dies aber nicht möglich gewesen. Denn Italien gehört neben Griechenland und Belgien zu einem der drei Länder, die das Fälschungsschutzsystem nicht sofort umsetzen mussten, weil in den Ländern bereits zuvor Schutzmaßnahmen installiert worden waren. Und selbst wenn Italien an das System angeschlossen wäre, wäre die Wahrscheinlichkeit illegale Lieferungen zu entdecken in England derzeit nicht wirklich groß.

Kurz nach dem Securpharm-Start hatte DAZ.online in zahlreichen europäischen Ländern nachgefragt, wie die Einrichtung verläuft. Aus Großbritannien hieß es damals, dass viele Apotheker abwarten wollen, was in Sachen Brexit passiert, bevor sie sich an das System anschließen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Bollino

von Jörg Geller am 12.07.2019 um 11:55 Uhr

Es handelt sich hier nicht um einen Import-Skandal, sondern einen inner-italienischen Skandal. Bollinos sind auf der Packung aufgebrachte abziehbare Aufkleber, die der italienische Apotheker von der Packung abzieht und zur Abrechnung der Packung mit der italienische Krankenkasse auf das Rezept aufkleben muss. Wenn in Italien jemand von zu exportierenden Packungen die Bollinos abzieht, werden diese Packungen weder zu Fälschungen noch verlassen sie notwenigerweise die legale Handelskette. Die Bollinos werden aber sicherlich in Italien betrügerisch verwendet, da nicht erfolgte Abgaben abgerechnet werden können.

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