Lieferengpass Hydrocortison Rotexmedica

Import: Konservierungsmittelfreies Hydrocortison für Babys unverzichtbar

Stuttgart - 01.08.2019, 15:10 Uhr

Die Neonatologie benötigt benzylalkoholfreies Hydrocortison. Das Konservierungsmittel kann bei Neugeborenen zum unter Umständen tödlichen Gasping-Syndrom führen. Der Import von Hydrocortison Panpharma 100 mg aus UK aufgrund der Nichtlieferbarkeit von Hydrocortison 100 mg Rotexmedica ist somit unverzichtbar. (s / Foto: Tobilander / stock.adobe.com)

Die Neonatologie benötigt benzylalkoholfreies Hydrocortison. Das Konservierungsmittel kann bei Neugeborenen zum unter Umständen tödlichen Gasping-Syndrom führen. Der Import von Hydrocortison Panpharma 100 mg aus UK aufgrund der Nichtlieferbarkeit von Hydrocortison 100 mg Rotexmedica ist somit unverzichtbar. (s / Foto: Tobilander / stock.adobe.com)


Rotexmedica informiert, dass ihr parenterales Hydrocortison 100 mg Rotexmedica nicht lieferbar ist. Der Hersteller hat sich allerdings um Ersatz gekümmert – vorerst soll nach § 73 Abs. 3 AMG Hydrocortison Panpharma 100 mg aus UK importiert werden. Warum setzt man alternativ nicht parenterales Hydrocortison von Pfizer ein? Das Problem: Dieses enthält im Gegensatz zu HC Rotexmedica als Konservierungsmittel Benzylakohol – was in der Neonatologie aufgrund des Gasping-Syndroms kontraindiziert ist.

Ende Juli meldete Rotexmedica den Lieferengpass von Hydrocortison 100 Rotexmedica und Hydrocortison 250-Rotexmedica an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Als Grund für die Nichtlieferbarkeit nennt Rotexmedica dort „Produktionsprobleme“, die wohl von größerer Tragweite sind. Denn als Datum für den Engpass geht der Hersteller von April 2020 aus.

GMP-Mängel beim Wirkstoffhersteller

Auf Nachfrage von DAZ.online präzisiert Rotexmedica die Gründe: „Nach kritischen GMP-Mängeln wird der Hersteller des sterilen Wirkstoffes gerade requalifiziert. Die notwendigen Inspektionen durch deutsche Überwachungsbehörden werden voraussichtlich bis zum Ende des Kalenderjahres abgeschlossen. Ein Alternativhersteller steht uns kurzfristig leider nicht zur Verfügung“.

Die Rotexmedica GmbH war jedoch nicht tatenlos – in Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden und dem BfArM wurde entschieden, Hydrocortison Panpharma 100 mg aus dem Vereinigten Königreich zu importieren. Gesetzlich ebnet den Weg dafür § 73 Absatz 3 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Warum ist ein Import überhaupt erforderlich?

Neonatologie benötigt benzylakoholfreies Hydrocortison

Rotexmedica ist nicht der einzige Anbieter von parenteralen Hydrocortisonsuccinat-Zubereitungen. Auch Pfizer partizipiert mit den Stärken 100 mg und 250 mg am Markt. Allerdings enthält Pfizers Hydrocortison – im Gegensatz zu Hydrocortison von Rotexmedica und Panpharma – das Konservierungsmittel Benzylakohol. Benzylakohol ist in der Neonatologie jedoch kontraindiziert.

Auf Nachfrage von DAZ.online erklärt Rotexmedica: „Benzylalkohol, der im Organismus zur Benzoesäure oxidiert wird, kann bei Kindern bis zu zwei Jahren kumulieren, da die Entgiftung durch die Umwandlung zum Metaboliten Hippursäure noch nicht vollständig funktioniert. Dies kann zu gravierenden Enzephalopathien und einer schweren Atmungsbeeinträchtigung mit Todesfolge (Gasping-Syndrom) führen. Da das einzige parenterale Alternativprodukt auf dem deutschen Markt mit Hilfe von Benzylalkohol konserviert ist, kommt dessen Anwendung vor allem in der Neonatologie zum Beispiel zur Behandlung der bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) nicht in Betracht“, erklärt Rotexmedica die Erforderlichkeit des Importes.

Auch im Mitteilungsschreiben steht: „Konservierungsmittelfreies Hydrocortison (ohne Benzylalkohol) gilt in der Neonatologie bei der folgenden Diagnose als unverzichtbar: ICD-10-GM: P27.1, anhaltende Atemwegserkrankung mit Ursprung in der Zeit kurz vor, während oder kurz nach der Geburt.“

Tödliches Gasping-Syndrom bei Kindern

2017 veröffentlichte das BfArM erforderliche Angaben in der Fachinformation benzylalkoholhaltiger Arzneimittel gemäß EU-Guideline zum Konservierungsmittel, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA erarbeitet wurden: „Benzylalkohol wurde mit dem Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen („Gasping-Syndrom“) bei Neugeborenen und Kleinkindern in Verbindung gebracht. Bei Kleinkindern (unter drei Jahren) soll das Arzneimittel aufgrund von Akkumulation nicht länger als eine Woche angewendet werden“.

Warum wird Hydrocortison 250 mg nicht importiert?

Die Import-Ausnahme nach § 73 Abs. 3 AMG betrifft nur Hydrocortison in der Stäke von 100 mg. Obwohl auch die 250 mg-Packung nicht verfügbar ist. Warum? Offenbar spielen 250 mg Hydrocortison in der Versorgung lediglich eine untergeordnete Rolle. „Der Marktanteil (in Einheiten) der 100 mg-Dosierung beträgt ca. 98 Prozent in Deutschland, so dass die Versorgung mit der 250 mg-Stärke in der Praxis keine entsprechend hohe Relevanz besitzt. Das heißt, der Import ist nicht zwingend erforderlich, um den Bedarf abdecken zu können“, so der Hersteller.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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