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- 01.09.2019
- Mein liebes Tagebuch
30. August 2019
Endlich, endlich, mein liebes Tagebuch, endlich kümmert sich ein Gesundheitspolitiker mal ernsthaft um das Thema Lieferengpässe. Es wird höchste Zeit, die Liste der „Defekte“ wird immer länger. Michael Hennrich, der Arzneimittel- und Gesundheitsexperte der Unionsfraktion, will da nicht länger zuschauen und was machen. Die Frage ist nur, was und wie schnell? Denn Hennrich sieht auch, dass das Thema komplex ist und nicht einfach zu lösen. „Ein so komplexes Problem können wir niemals alleine lösen können, wir brauchen auch Lösungsansätze auf europäischer Ebene“, sagt der CDU-Mann. Hennrichs Vorschläge: eine nationale Arzneimittelreserve – Großhändlern sollte man bei bestimmten Arzneimitteln eine Erhöhung der Lieferfähigkeit von derzeit zwei auf sechs Wochen vorschreiben. Außerdem sollten Hersteller ein bestehendes Lieferkettenmanagement und -überwachungssystem nachweisen müssen. Einen weiteren Grund für Lieferengpässe sieht Hennrich darin, dass Apotheker und Großhändler zu viel exportieren und Hersteller gezielt kontingentieren. Man mag es nicht glauben, mein liebes Tagebuch, aber vieles an den Lieferengpässen ist da in der Tat sichtlich hausgemacht. Ein starkes Stück. Hennrich regt da zurecht an, über ein Exportverbot nachzudenken. Ein weiterer Ansatz: Apotheker könnten angehalten werden, Arzneimittel durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel zu ersetzen, das in einem Mitgliedstaat der europäischen Union produziert wurde. Oh, lieber Herr Hennrich, das vergessen wir mal lieber ganz schnell. Bitte nicht noch mehr Bürokratie – die vermaledeite Importregelung reicht uns! Außerdem: Dass Hersteller ihre Arzneimittel vermehrt in Europa produzieren sollen, ist richtig und gut gedacht, aber nicht auf dem Rücken von uns Apothekers. Wir können das nicht kontrollieren, ob ein Arzneimittel „made in EU“ ist oder nicht. Also, mein liebes Tagebuch, unterm Strich: Gut, dass das Thema in der Politik angekommen ist. Jetzt sollten wir zusammen mit der Politik mal nachdenken: Herr Hennrich, wie wär’s mit einem „runden Lieferengpass-Tisch“?
Das Apotheken-Stärkungsgesetz könnte zum Großhandel-Schwächungsgesetz werden, prognostiziert Thomas Trümper, Chef des Großhandelsverbands Phagro. In einem Gespräch mit dem Handelsblatt malt Trümper das Szenario an die Wand, dass durch das Apotheken-Stärkungsgesetz pharmazeutische Großhändler aus dem EU-Ausland nicht mehr an die deutschen Preisvorschriften gebunden sind (wegen der Streichung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG). Ausländische Großhändler könnten sich dann das Geschäft mit den lukrativen Arzneimittelgruppen sichern und mit Niedrigpreisen deutsche Apotheken als Kunden gewinnen wollen – zu Lasten des deutschen Großhandels. Damit bräche die gesamte Mischkalkulation des hiesigen Großhandels zusammen. Oh ja, mein liebes Tagebuch, so könnte es kommen. Der Großhandel müsste dann eigene Standorte im Ausland aufbauen, um zu ähnlichen Bedingungen wie die EU-Großhändler nach Deutschland liefern zu können, überlegt der Pharmagroßhändler Hanns-Heinrich Kehr. Mein liebes Tagebuch, und das dürften nicht die einzigen Folgen des Apotheken-Stärkungsgesetzes sein. Allein schon die fixen Rx-Preise für GKV-Versicherte und die frei kalkulierbaren Rx-Preise für Privatversicherte bringen Turbulenzen in den Markt, die letztlich nicht kalkulierbar sind genauso wenig wie das Großhandelsszenario. Mein liebes Tagebuch, die Zeit nach dem Apotheken-Stärkungsgesetz wird alles andere als lustig.
14 Kommentare
@Herr Herzog
von Karl Friedrich Müller am 01.09.2019 um 17:31 Uhr
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Runde Tische mit vielen eckigen Meinungen ...
von Reinhard Herzog am 01.09.2019 um 15:32 Uhr
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Kommentatoren kommentieren Kommentare ... kommentarlos ...
von Bernd Jas am 01.09.2019 um 15:31 Uhr
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Lieferengpässe
von Peter Ditzel am 01.09.2019 um 15:26 Uhr
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Ursachenbekämpfung
von Reinhard Rodiger am 01.09.2019 um 15:04 Uhr
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@Brigitte Hillner u. MdB Hennrich: Fast richtig, aber ...
von Gunnar Müller, Detmold am 01.09.2019 um 14:04 Uhr
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An Hrn. Hennrich, MdB
von Rolf Lachenmaier am 01.09.2019 um 13:41 Uhr
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Lieferengpässe
von Michael Hennrich am 01.09.2019 um 11:29 Uhr
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Was ich gerne hören würde
von Karl Friedrich Müller am 01.09.2019 um 10:23 Uhr
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Drei Fragen zum Sonntag
von Ulrich Ströh am 01.09.2019 um 9:50 Uhr
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Pressesprecher der Abda
von Conny am 01.09.2019 um 9:32 Uhr
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Berliner Märchenstunde ... wieder mal ein echter „Kern“
von Christian Timme am 01.09.2019 um 9:12 Uhr
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von Anita Peter am 01.09.2019 um 8:23 Uhr
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Wir dürfen nicht, aber andere sollen?
von Brigitte Hillner am 01.09.2019 um 8:13 Uhr
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