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Nahrungsergänzungsmittel aus Jettingen-Scheppach
St. Martins-Apotheke soll mit „sofortiger Vollziehung“ schließen
Wie könnte Procain gefährlich werden?
Wer in letzter Zeit die Medien verfolgt hat, dem dürfte nicht der tragische Fall aus einer Kölner Apotheke entgangen sein, in dem – wahrscheinlich ohne Vorsatz – ein Glucosetoleranz-Test auf Schwangerschaftsdiabetes mit dem Lokalanästhetikum Lidocain verunreinigt wurde und zum tragischen Tod einer Schwangeren und ihres per Notkaiserschnitt geborenen Kindes führte. DAZ.online hat sich mit der Toxizität von Lidocain bei oraler Aufnahme auseinandergesetzt. Zwar geht es um zwei gänzlich unterschiedliche Fälle – doch auch im hier geschilderten Fall geht es (neben einem NEM aus Roter Reisschalenextrakt) um die potenzielle Gefahr eines Lokalanästhetikums bei oraler Einnahme: In den Präparaten aus der St. Martins-Apotheke sind laut Deklaration 200 mg Procainhydrochlorid enthalten. Könnte die tatsächlich enthaltene Dosis zu hoch sein, und wenn ja, welche Gefahren drohen bei Überdosierung?
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Wie gefährlich ist Lidocain?
Der Fachinformation von Procain 1% / 2% Jenapharm® ist zu entnehmen, dass eine Procain-Intoxikation (ähnlich Lidocain) in zwei Phasen verläuft:
1. Stimulation
- ZNS: Periorale Missempfindungen, Gefühl der tauben Zunge, Unruhe, Delirium, Krämpfe (tonisch-klonisch)
- Kardiovaskulär: Herzfrequenz erhöht, Blutdruck erhöht, Rötung der Haut
2. Depression
- ZNS: Koma, Atemstillstand
- Kardiovaskulär: Pulse nicht tastbar, Blässe, Herzstillstand.
Procain 1 % / 2 % Jenapharm® wird intrakutan oder subkutan injiziert. Eine intravenöse Injektion darf nur in besonderen Einzelfällen nach sorgfältiger Abschätzung von Nutzen und Risiko erfolgen. Die empfohlene Maximaldosis bei einzeitiger Anwendung in Geweben, aus denen eine schnelle Aufnahme von Wirkstoffen erfolgt, beträgt laut Fachinfo 500 mg Procainhydrochlorid. Bei Anwendung im Kopf-, Hals- und Genitalbereich beträgt die empfohlene einzeitige Maximaldosis 200 mg Procainhydrochlorid (innerhalb von 2 Stunden). Das Anwendungsgebiet („zur lokalen und regionalen Nervenblockade in der Schmerztherapie und im Rahmen neuraltherapeutischer Anwendungsprinzipien“) ist dabei natürlich ein anderes als bei oralem Procain, das in einem (vermeintlichen) Nahrungsergänzungsmittel enthalten ist.
Einem Artikel der Pharmazeutischen Zeitung aus dem Jahr 2000 ist aber zu entnehmen, dass Procain auch nach oraler Gabe gut resorbiert wird. DAZ.online konnte leider keine genaueren Daten zur oralen Bioverfügbarkeit von Procain finden. 200 mg Procain scheinen in diesem Zusammenhang dennoch, jedenfalls in einem Nahrungsergänzungsmitel, nichts zu suchen zu haben.
2 Kommentare
Apotheker
von Ingrid manhardt am 19.10.2019 um 21:04 Uhr
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AW: Apotheker
von Cornelius Zink am 21.10.2019 um 15:27 Uhr
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