Wirtschaftsseminar des AV Mecklenburg-Vorpommern

ABDA-Wirtschaftsexperte Bauer: Apothekenreform als Chance sehen

Berlin - 24.10.2019, 17:29 Uhr

Axel Pudimat, Vorsitzender des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, und Dr. Eckart Bauer, ABDA-Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales, (v.l.n.r.) sprachen beim Wirtschaftsseminar des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern über die Apothekenreform. ( r / Foto: tmb)

Axel Pudimat, Vorsitzender des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, und Dr. Eckart Bauer, ABDA-Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales, (v.l.n.r.) sprachen beim Wirtschaftsseminar des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern über die Apothekenreform. ( r / Foto: tmb)


Beim Wirtschaftsseminar des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern am Mittwoch in Rostock gab es wieder eine Nachlese zum Deutschen Apothekertag. ABDA-Abteilungsleiter Dr. Eckart Bauer beschrieb strategische Überlegungen und ökonomische Hintergründe zu den neuen Dienstleistungen. Damit lieferte er nach, was manche beim Themenforum in Düsseldorf vermisst hatten. Gastgeber Axel Pudimat lobte das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz und beschrieb den Personalmangel als größtes Problem der Apotheken.

Der Verbandsvorsitzende Pudimat wandte sich gegen die „allgegenwärtige Aufregekultur“, die vom Wesentlichen ablenke. Für die Apotheken sehe er viele „Baustellen“. Dabei sei der Personalmangel für ihn das größte Problem. Hinzu komme die überbordende Bürokratie, zumal diese den Personalaufwand noch steigere und so „die Freude am Beruf regelrecht vernichtet“. Angesichts der großen Zahl tätiger Apotheker und PTA sei der Personalmangel in den Apotheken erstaunlich. Da stelle sich die Frage: „Wo sind die alle?“ Zugleich sei zu fragen, wer denn eigentlich die geplanten neuen pharmazeutischen Dienstleistungen erbringen solle. Dennoch sollten die Apotheker nicht in eine Depression verfallen, sondern stolz ihre Leistungen herausstellen, mahnte Pudimat.

Pudimat verteidigt ABDA-Strategie

Zu den Diskussionen um das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz beim Deutschen Apothekertag erklärte Pudimat, auch die deutlichsten Kritiker hätten sich nicht dafür ausgesprochen, die Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsministerium aufzukündigen. Er hoffe, dass die im Gesetzentwurf geplanten Regelungen durchgesetzt würden. Pudimat wandte sich auch dagegen, die ABDA in Frage zu stellen, weil sie nicht die Maximalforderungen der Apotheker durchbekommen habe. „Das ist eine ziemlich unsinnige Haltung und schwächt uns manchmal selbst“, erklärte Pudimat.

Pudimat: Versorgung in den Mittelpunkt stellen

Außerdem betonte Pudimat die Vorteile des neuen Rahmenvertrags. Die Fragen und Unsicherheiten zum Rahmenvertrag hätten die Gemüter bewegt und es habe eine „Unzufriedenheitswelle“ gegeben. Für Pudimat habe dies daran gelegen, dass viele sich aus Anlass des neuen Vertrags „seit langem mal wieder mit den furchtbar bürokratischen Abgaberegelungen befasst“ hätten. Doch der neue Vertrag biete den Apothekern in vielen Fällen eine bessere Rechtsposition als früher, erklärte Pudimat. Viele Abweichungen könnten auch im Nachhinein geheilt werden. Ob dies alles von den Krankenkassen anerkannt werde, könne allerdings nur die Praxis zeigen. Grundsätzlich empfahl Pudimat: „Seien Sie selbstbewusst und stellen Sie Versorgung in den Mittelpunkt. Das kann nicht falsch sein und die Menschen erwarten Problemlösungen von uns.“

Verbandsgeschäftsführer Carsten Pelzer äußerte sich optimistisch, dass der GKV-Spitzenverband bald klären würde, dass keine Rücksprache bei Überschreitungen des Preisankers wegen Nicht-Verfügbarkeit nötig ist. Die Hoffnung auf eine solche Nachricht hat sich kurz nach der Veranstaltung erfüllt.

Dienstleistungen als Chance

Viele offene Fragen gibt es dagegen noch zu den geplanten neuen pharmazeutischen Dienstleistungen. Dr. Eckart Bauer, ABDA-Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales, gab dazu einen Überblick. Er betrachtete Selektivverträge zu speziellen Dienstleistungen mit einzelnen Krankenkassen als Sackgasse. Einzelne Krankenkassen würden ihren Versicherten spezielle Leistungen bieten wollen, sodass die Fallzahlen gering blieben. Doch ein Flickenteppich biete keine Perspektive. Darum sei die geplante neue gesetzliche Regelung derzeit die einzige Aussicht auf solche Dienstleistungen. Dies bringe viel Arbeit für alle, sei aber eine große Chance für die Apotheken vor Ort. Wenn die gesetzliche Regelung in Kraft tritt, werde es auf jeden Fall einen Vertrag geben, notfalls mit Hilfe der Schiedsstelle.

Viele kleine Leistungen, keine „Skurrilitäten“

Die neuen Leistungen dürften nicht bereits mit dem Festzuschlag abgegolten sein. Da die Patienten einen Anspruch erhalten würden, müsse der Deutsche Apothekerverband sicherstellen, dass die Leistungen flächendeckend angeboten werden. Nicht jede Apotheke werde alles anbieten, aber es dürfe nicht um „Skurrilitäten“ gehen. Bauer nannte keine Beispiele für mögliche Leistungen, aber Medikationsanalysen würden bestimmt zum Thema. Außerdem sollten die Apotheker viele „kleine“ Leistungen erwarten, die von vielen Apotheken erbracht werden könnten.

Die Apotheken würden dann vor viele neue Aufgaben gestellt, erklärte Bauer: Die Leistungen müssten in den Arbeitsalltag integriert und dokumentiert werden. Terminvereinbarungen und die Akquisition von Patienten für bisher unbekannte Leistungen seien ebenfalls neu. Manche Leistungen könnten zudem eine andere Kommunikation mit den Ärzten erfordern.

Honorierung als Herausforderung

Da die Verteilung des Geldes noch unklar sei, warb Bauer für eine Gestaltung nach dem Vorbild des Nachtdienstfonds. Allerdings sei es paradox, dass eine nicht packungsbezogene Leistung über Packungen finanziert werde. Dies sei auf Dauer nicht befriedigend, weil damit keine Dynamik und kein Bezug zur Morbidität verbunden sei, kritisierte Bauer. Er sprach sich klar für eine Entgeltung mit einem festen Betrag für jede Leistung aus. Punktwerte wie bei den Ärzten seien nicht praktikabel, weil für die pharmazeutischen Dienstleistungen Erfahrungen zur Nachfrage fehlen. Zur Honorarhöhe verwies Bauer auf eine Herausforderung, die bereits in ökonomischen Betrachtungen zu den neuen Leistungen dargestellt wurde: Wenn die Leistungen zu einem neuen Standbein für die Apotheken werden sollen, müssen sie sich selbst rechnen, alle Kosten tragen und einen Gewinn abwerfen. Außerdem sei offen, welcher Nachweis für den Nutzen der Leistungen bei den Patienten erbracht werden kann und wie Leistungen für Privatversicherte angeboten werden könnten.

Neuland für Verhandler

Damit stünden die Verhandler auf beiden Seiten vor ganz neuen Aufgaben. Problematisch sei auch, dass die Krankenkassen neue Leistungen außerhalb von Selektivverträgen bisher ablehnen. Vorteilhaft für die Apotheker sei allerdings die geplante gesetzliche Vorgabe, dass das Geld auf jeden Fall eingezogen werde. Daraufhin müssten alle Verhandlungspartner an einer sinnvollen Verwendung der Mittel interessiert sein. Bauer folgerte, die geplanten Regelungen seien nicht ideal, „aber sie sind das Beste, was wir haben“. Darum appellierte Bauer an die Apotheker, das geplante Gesetz als Chance zu sehen.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Also

von Karl Friedrich Müller am 25.10.2019 um 11:40 Uhr

DocMorris sieht die Chance und nutzt sie, schneller als die ABDA Dienstleistungen sagen kann.
So war es wohl nicht gedacht?
Das ist wie wenn man die Chance nutzen will, in einen Zug einzusteigen, ihm aber nur hinterher sehen kann.
Immerhin optimistisch, unsere ABDA. Und leider unfähig. Spahn hat es so geplant. Dafür bekommt er irgendwann den Apothekenvernichtungspreis. Wir die Vernichtung. Danke ABDA.

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