Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

03.11.2019, 08:00 Uhr

Die einen träumen von Arzneiautomaten, die anderen von E-Rezepten und wir Apothekers von einer neuen Ausbildung – eine Traumwoche. (Foto: Andi Dalferth)

Die einen träumen von Arzneiautomaten, die anderen von E-Rezepten und wir Apothekers von einer neuen Ausbildung – eine Traumwoche. (Foto: Andi Dalferth)


Sie träumen entzückt von Arzneimittelautomaten und Online-Beratung: die zwei Versorgungs- und Arzneimittel-Chefinnen der AOK. Und überhaupt sei die vollversorgende Apotheke von heute ein Auslaufmodell. Ob sie da mal ihre Versicherten gefragt haben? Vom E-Rezept träumen nicht nur viele Verbände und Unternehmen, die mit Modellprojekten auf der Suche nach der besten Lösung sind. Auch die EU-Versender rüsten auf mit frischem Geld und träumen davon, jedes zehnte E-Rezept zu bekommen. Und während sich jetzt auch die SPD mehr Kompetenzen und eine längere Ausbildung für PTA wünscht, träumen wir Apothekers von einer ganz neuen Approbationsordnung mit mehr Klinischer Pharmazie – für unsere neue Zukunft. Eine Traumwoche!

28. Oktober 2019 

Mit dieser Meinungssalve haben Sabine und Sabine von der AOK in dieser Woche den Vogel abgeschossen: Die Versorgungschefin des AOK-Bundesverbands, Sabine Richard, und die Arzneimittelchefin im AOK-Verband, Sabine Beckmann, schwärmen im AOK-Magazin „Gesundheit und Gesellschaft“ von Arzneimittel-Abgabeautomaten mit Online-Beratung und lassen ganz ungeniert ihr Entzücken über den DocMorris-Automaten in Hüffenhardt freien Lauf. Sabine und Sabine wissen: Der Automat „kam gut an“ bei den Bewohnern. Und: Über die Video-Beratung könne man sich mit der „Stammapotheke“ (!) in Heerlen verbinden lassen. Mein liebes Tagebuch, mehr Werbung für den mittlerweile auch von Gerichten verbotenen DocMorris-Automaten geht nicht. Wer solche Krankenkassen als Partner hat, braucht keine Feinde mehr. Damit nicht genug. Die beiden Versorgungs- und Arzneimittelchefinnen der AOK scheinen unersättlich zu sein, wenn es darum geht, der Apotheke von heute den Garaus zu machen. Ihre Meinung: „Es sollte auch weiterhin persönliche pharmazeutische Angebote geben“ (wie fürsorglich von den beiden, aber jetzt kommt’s), „die aber nur mit deutlicher struktureller Flexibilisierung der Anforderungen an eine Apotheke in der Fläche erhalten werden können. Dies ist mit dem Standardmodell einer vollversorgenden Apotheke auf Dauer nicht leistbar.“ Im Klartext, mein liebes Tagebuch: Das Standardmodell einer vollversorgenden Apotheke, wie wir sie heute haben, ist nach AOK-Meinung ein Auslaufmodell. Man sollte mal gedanklich durchspielen, was es für die Versicherten, für die Patienten bedeuten würde, wenn diese Meinung real werden würde: weg von der vollversorgenden, persönlich beratenden Apotheke, hin zu einer Arzneimittelversorgung über Automaten, Versendern und Online-Beratung, wie es sich die AOK erträumt. Ich habe da meine Zweifel, ob das bei den Menschen „gut ankommt“. Und ich habe auch meine Zweifel, ob man letztlich mit dieser AOK-Pharmazie unterm Strich zu nennenswerten Einsparungen käme. Auch Automaten funktionieren nicht immer, müssen bestückt, müssen gewartet werden. Und die Einrichtung telepharmazeutischer Call-Center mit Heerscharen von Fachkräften gibt’s auch nicht zum Nulltarif. Nun ja, Sabine und Sabine werden von ihrem Arbeitgeber dafür bezahlt, solche Ideen rauszuhauen. Die Versicherten, die Menschen erreicht das nicht – die wollen eine menschliche Pharmazie.

 

Als Jens Dobbert, Präsident der Landesapothekerkammer Brandenburg, vor ein paar Jahren mal den Wunsch an die Politik herantrug, sein Bundesland bräuchte doch auch endlich einen Studiengang in Pharmazie, wurde seine Idee von vielen Seiten belächelt: Ist ja nett, so etwas zu wünschen. Große Chancen gab man dieser Idee nicht, schon gar nicht in der heutigen Zeit, schon gar nicht für das Fach Pharmazie. Wie sich das Blatt wenden kann, mein liebes Tagebuch! Mit der neuen Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen in Brandenburg könnte sich in Richtung Studiengang in Pharmazie etwas tun. Immerhin ist im brandenburgischen Koalitionsvertrag ein Passus enthalten, wonach die Einrichtung eines Pharmazie-Studienganges „geprüft“ werden soll. Mein liebes Tagebuch, wir wissen ja, wie es so mit Koalitionsverträgen und Prüfaufträgen in der Politik ist, aber immerhin, man darf es als Teilerfolg werten. Vielleicht wird daraus tatsächlich mehr als nur nette Wunschgedanken. Brandenburg könnte durchaus ein Pharmazeutisches Institut gut gebrauchen. Diese Geschichte zeigt auch, wie wichtig es ist, hartnäckig zu bleiben. Und ein anderer politischer Wind kann viel bewirken.

 

Das E-Rezept nimmt Fahrt auf. Mittlerweile gibt es schon mehrere Modellprojekte, die das E-Rezept und den Umgang damit testen wollen. Die jüngste Ankündigung für ein Pilotprojekt zum E-Rezept kommt aus Schleswig-Holstein: Wie Verbandschef Peter Froese berichtet, soll dort unter dem Titel „Telepakt Schleswig-Holstein“ ein anspruchsvolles Konzept zum Testen des E-Rezepts an den Start gehen. Und noch eine spannenden Sache: Es gibt berechtigten Grund zur Annahme, dass der Apothekerverband Schleswig-Holstein Geld vom Innovationsfonds des G-BA bekommt, um eine neue Versorgungsidee zu testen. Bei dieser Idee geht es um Sensordaten von Patienten, die mit Hilfe der Apotheken erfasst und in die Versorgung eingebracht werden sollen. Dafür müssten die Apotheken Patientendossiers anlegen. Mein liebes Tagebuch, so sehen zukunftsgerichtete Ideen aus, die uns Apothekers in Sachen Digitalisierung weiterbringen. Dank an den schleswig-holsteinischen Apothekerverband für sein Engagement! Zu den neuen Freiheiten beim Botendienst merkte Froese an, die Apotheker sollten die Möglichkeiten zur telepharmazeutischen Beratung nutzen, man solle sich aber vor Fremdanbietern hüten. Und er ließ durchblicken, da der Botendienst nun eine Regelversorgung sei, liege es nahe, dass die GKV ihn über einen Aufschlag finanziere. Klingt gut, aber da dürfte noch ein bisschen Arbeit vor uns liegen.  

 

Wir sollten sie in der Tat im Blick behalten: die Verschiebungen, die durch das Apotheken-Stärkungsgesetz und durch die PTA-Reform auf uns zukommen könnten, und die Veränderungen durch Aktivitäten der großen EU-Versender. ABDA-Jurist Lutz Tisch wies auf der Mitgliederversammlung des Apothekerverbands Brandenburg deutlich darauf hin, was hier in Zukunft abgehen könnte. Durch die neuen Möglichkeiten beim Botendienst (telepharmazeutische Beratung) und durch mögliche neue Kompetenzen für die PTA könnte dieser Assistenzberuf künftig ohne Aufsicht Rezepte entgegennehmen und abzeichnen – auch im Botendienst. Außerdem könnte es mit der Zulassung automatisierter Ausgabestationen eine neue Abgabeform à la Hüffenhardt mit lediglich telefonischer Beratung geben. Patienten müssten weder eine Apotheke aufsuchen noch kämen sie unmittelbar mit pharmazeutischem Personal in Kontakt. Tisch machte auch auf die Multi-Channel-Konzepte der großen EU-Versender aufmerksam. Die Schweizer Zur Rose-Gruppe (mit ihrer Tochter DocMorris) beispielsweise will sich nicht auf den Versand allein beschränken. Dieser Konzern will Präsenzapotheken mit einbeziehen, die im Auftrag des Versenders Arzneimittel ausliefern. Mein liebes Tagebuch, die Apotheke vor Ort als Zusteller für den Versandauftrag aus Holland – ist das nicht eine granatenmäßig obercoole epische Vorstellung? Der Zur Rose-Chef Oberhänsli denkt aber noch weiter: Er träumt von Prescription-Corners in Supermärkten – das ist praktisch so was wie die Wursttheke für Rx-Arzneimittel im Supermarkt (in der Schweiz gibt’s bereits Modellversuche in Migros-Märkten). Für den ABDA-Juristen ist es klar: „Es ist eine spannende Zeit mit unglaublichen Herausforderungen“. Die ABDA habe sich viel Mühe gegeben, um Verbesserungen zu erreichen. Aber ab einem bestimmten Punkt würden solche Gesetzgebungsverfahren unkontrollierbar, so der ABDA-Jurist, wenn sich interessierte Gruppen in den Diskussionsprozess einbrächten. Das Fazit von Tisch: „Da wartet noch sehr sehr viel Arbeit.“ Stimmt, mein liebes Tagebuch, da hilft nur eins: Optimismus ist Pflicht.

29. Oktober 2019

Statt die Risiken der Digitalisierung und die Schließung von Apotheken zu betonen, sollten die Apotheker offensiver vorgehen, positiver denken und ihre Leistungen deutlich machen, ist Wort&Bild-Chef Arntzen überzeugt. Die große Nähe zur Bevölkerung sei ein wichtiger Erfolgsfaktor. Wie wahr, mein liebes Tagebuch, aber es gibt durchaus auch Bedrohungen, die auf der Diskussionsveranstaltung des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein angesprochen wurden. Beispielsweise könnten über das E-Rezept mehr Umsätze zu Versendern fließen. Das ist auch dem Chef des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, Peter Froese, bewusst: Neue Abläufe mit digitalen Instrumenten könnten den Markt disruptiv verändern. Aber auch er zeigte sich zuversichtlich: Die Apotheken mit ihren gewachsenen Beziehungen zu den Patienten hätten Menschlichkeit und Empathie auf ihrer Seite. Richtig! Also, mein liebes Tagebuch, machen wir was draus. Und was das E-Rezept betrifft: Arntzen bezweifelt, dass die Verbände allein ein eigenes Modell für den Zugang zum E-Rezept durchsetzen könnten. Er empfahl, offen für Kooperationspartner zu sein und bot sein Unternehmen an. Und Froese lud zur Kooperation ein. Mein liebes Tagebuch, da darf man gespannt sein, wer hier noch mit wem kooperiert.

 

Und noch ein E-Rezept-Projekt: Das Bundesgesundheitsministerium unterstützt ein Versorgungsmodell des Berliner Apotheker-Vereins (BAV), in dem die vom DAV entworfene Web-App zum Einsatz kommen könnte. Das Projekt soll in der Hauptstadt in einen größeren Digitalisierungsverbund integriert werden. Mein liebes Tagebuch, da schießen die E-Rezept-Projekte wie Pilze aus dem Boden. Hoffentlich projektieren wir uns da nicht zu Tode. Möge das beste Projekt gewinnen – letztlich deutet das alles doch darauf hin, dass es eine Vielzahl von E-Rezept-Plattformen und Apps geben wird? On verra.

30. Oktober 2019

Ja, ja, der DocMorris-Mutterkonzern Zur Rose meint es ernst mit seinen neuen Konzepten: Er kündigte an, ein Shop-in-Shop-Konzept mit dem Supermarktkonzern Migros auszubauen und eine erste Supermarkt-Apotheke in der Westschweiz zu eröffnen. In den Städten Bern, Basel und Zürich gibt es bereits einzelne Supermarkt-Apotheken von Zur Rose in Migros-Filialen. Die Kunden werden durch niedrige Preise in die Apothekenecken der Supermärkte gelockt: Rx-Arzneimittel sollen durchschnittlich12 Prozent, nicht rezeptpflichtige Medikamente und Gesundheitsprodukte bis zu 40 Prozent günstiger als in anderen Apotheken sein. Und noch was aus dem Hause Zur Rose: Der Konzern hat eine festverzinsliche, öffentliche Obligationenanleihe über 180 Millionen Franken platziert (rund 163 Mio. Euro). Das frische Geld will der Konzern nutzen, die technische Infrastruktur auszubauen, um sein Ziel zu erreichen: Jedes zehnte Rezept (aus Deutschland) solle künftig in die Niederlande gehen, wenn es einmal das E-Rezept gebe. Mein liebes Tagebuch, Sollten wir vielleicht ein kleines Liedchen pfeifen wie der kleine Junge, der in den dunklen Wald geht und seine Angst davor vertreibt?

 

Dass das E-Rezept auch die Pharmagroßhändler nicht kalt lässt, liegt auf der Hand. Auch wenn Sie nicht unmittelbar mit dem E-Rezept in Berührung kommen, aber: „Das E-Rezept hat das klare Potenzial, den Markt zu verändern, die Apothekenstrukturen zu verändern“ – sagt Peter Schreiner, Chef des Pharmagroßhändlers Gehe im DAZ.online-Geschichtentaxi. Denn: „Dem Großhandel geht’s gut, wenn’s den Apotheken gut geht.“ Tja, mein liebes Tagebuch so einfach und so wahr ist das. Gehe macht sich daher eine Menge Gedanken zur Digitalisierung im Apothekenbereich. Das Ergebnis ist ein Positionspapier zur Digitalisierung, das auch der Politik vorgestellt wird. Was Gehe u. a. fordert: keine Kommerzialisierung des E-Rezepts, aber auch keine Monopole im Markt der E-Rezept-Apps. Verständlich, denn Gehe ist Mitglied des Zusammenschlusses „Pro AvO“, einer Arbeitsgemeinschaft, bei der neben Gehe u. a. auch der Wort&Bild-Verlag und die Sanacorp mit von der Partie sind. ProAvO teilt zwar einerseits die Ziele des Deutschen Apothekerverbands beim E-Rezept, Stichwort ist die Web-App des Verbands. Aber dennoch fordert Schreiner, dass die Patienten die Entscheidungshoheit haben müssen, welcher Apotheke mit welcher Anwendung sie ihre E-Rezepte übermitteln. Mein liebes Tagebuch, bei dieser Frage scheinen die Vorstellungen von Gehe bzw. Pro AvO und vom Deutschen Apothekerverband irgendwie nicht ganz deckungsgleich zu sein: bei Gehe eine individuelle App für den Patienten, beim Apothekerverband die Web-App, mit der alle Patienten ihre E-Rezepte verwalten können. Wie sich das lösen lässt, wird man sehen.

31. Oktober 2019 

Schwitz, dürfen wir Apothekers überhaupt impfen? Jetzt, wo die Modellversuche zur Grippeschutzimpfung, die uns Spahn ins Gesetz schreiben will, praktisch schon zum Greifen nah sind, taucht die Frage auf, ob wir da nicht die Grenze zur ärztlichen Heilkunde überschreiten? Gemach, gemach, mein liebes Tagebuch, diese Frage lässt sich juristisch ganz einfach lösen, wie der Jurist und Apotheker Dennis A. Effertz erläutert. Denn: Impfen ist Prävention und damit keine Heilkunde. Grippeschutzimpfungen sind eindeutig der Prävention zuzuordnen. Also, da die Prävention bekanntlich nicht den Ärzten vorbehalten ist, dürfen auch Nichttärzte impfen, beispielsweise auch nichtärztliche Mitarbeiter der Arztpraxis. Und demnächst auch Apotheker.

 

Lieferengpässe –  die Situation wird nicht besser, im Gegenteil. Aber tut sich da was? Ja klar, es gibt ein Positionspapier der Unionsfraktion. Gut, das ist ein Anfang. Das Problem: Die meisten dieser Ideen brauchen eine lange Zeit, bis sie „wirken“. Wir bräuchten aber kurzfristig wirkende Lösungen. CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich hat da was: Die geplante Meldepflicht für Hersteller könnte rasch umgesetzt werden. Dann wäre schon mal mehr Transparenz da, bei welchen Präparaten es klemmt. Tritt ein Mangel auf, müssen die Unternehmen es den Behörden melden. Hennrich meint, dass die Meldepflicht eine Maßnahme sei, „die wir in den nächsten Wochen oder Monaten umsetzen können“. Also gut, mein liebes Tagebuch, machen! Auch wenn dadurch natürlich keine einzige Packung zusätzlich zur Verfügung steht.

 

DocMorris ist der Auffassung, dass die Rabatte und Boni, die das Unternehmen seinen Kunden gibt, die Einnahmen vermindern. Daher müssten die um die Rabatte verminderten Einnahmen die Bemessungsgrundlage für die zu zahlende Umsatzsteuer sein. Bei Lieferungen an Privatversicherte und bei den von Kunden selbst bezahlten OTCs hat das Finanzamt diese Sichtweise akzeptiert. Stopp sagte die Finanzbehörde allerdings, wenn es um die Abrechnung mit einer gesetzlichen Krankenkasse geht – was DocMorris jedoch nicht einsehen will. Das Problem dahinter ist nicht einfach zu lösen: Wie ist das europäische Mehrwertsteuerrecht zu interpretieren? Dabei geht es auch um die Gleichbehandlung von inländischen Apotheken und den aus dem EU-Ausland nach Deutschland liefernden Apotheken. Die Sache liegt mittlerweile beim Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung.

1. November 2019

Wie ernst ist es uns eigentlich mit der neuen Ausrichtung unseres Berufs – weg vom Logistiker, hin zum patientenorientierten Arzneimitteltherapie-Experten. Das ist doch auch die Richtung, zu der wir uns im „Perspektivpapier 2030“ aus dem Jahr 2014 bekannt haben. Klingt gut, aber die Realität ist auch, dass es seit nahezu 20 Jahren immer noch nicht gelungen ist, an allen Instituten Lehrstühle für Klinische Pharmazie einzurichten, wo doch die Inhalte der Klinischen Pharmazie für unser zukünftiges Berufsbild essentiell sind. Möglich, dass sich da schon bald der Druck erhöht, na ja, zumindest ein kleiner Druck entsteht, also so eine Art Drückchen. Die Bundesapothekerkammer (BAK) beabsichtigt der ABDA-Spitze das Mandat zu erteilen, sich gegenüber der Politik für eine Änderung einzusetzen. Konkret: Bei der BAK-Mitgliederversammlung am 13. November soll über die zentrale Frage abgestimmt werden, ob sich unsere Standesvertretung für eine neue Approbationsordnung stark machen soll. Im Hintergrund steht dabei die Frage, ob man die Klinische Pharmazie mit der bestehenden Approbationsordnung ausreichend stärken kann, um den Apothekerberuf zukunftsfähig zu machen. Oder geht das nur mit einer gänzlich neuen Approbationsordnung? Tja mein liebes Tagebuch, mal in einfacher Sprache: Reicht es, wenn an der bestehenden Approbationsordnung herumgedoktert wird oder sollte unsere Apothekerausbildung, die uns in die Zukunft trägt, nicht doch lieber neu aufgestellt werden? Lieber nur die bestehende Ausbildungsordnung inhaltlich anpassen, wünschen sich z. B. die Vertreter der „alten“ Fächer z.B. die Chemiker oder die Technologen. Sie befürchten, dass sie bei einer neuen Approbationsordnung Federn lassen müssten zugunsten einer Stärkung der Klinischen Pharmazie und sogar der Pharmakologie. Nicht nur sie, auch Standesvertreter verweisen auf die Gefahren, wenn man sich für eine Neuausrichtung der Approbationsordnung  stark macht: Es könnte eine Umstellung des Pharmaziestudiums auf ein Bachelor- und Mastersystem drohen, was man aus verschiedenen Gründen nicht wolle. Außerdem dauere eine neue Approbationsordnung Jahre, bis sie den  parlamentarischen Weg gegangen sei. Mag alles sein, mein liebes Tagebuch, aber jetzt gibt’s neue Argumente für eine neue Approbationsordnung, z. B. die verpflichtende Einführung von Stationsapothekern in Niedersachsen, die sich möglicherweise auch auf andere Bundesländer ausdehnen könnte. Und um dafür so richtig gerüstet zu sein, braucht’s einfach mehr Klinische Pharmazie im Studium. Und natürlich auch für unsere pharmazeutische Zukunft, wie im Perspektivpapier beschlossen: weg vom Logistiker… Mein liebes Tagebuch, manchmal braucht es tatsächlich einen Neuanfang.

 

Und zum Wochenschluss noch ein Aktivitätsschub von der SPD-Bundestagsfraktion: Sie kämpft für mehr Kompetenzen für PTAs, für eine längeren Ausbildungsdauer und dafür, dass auch Klinikapotheken als Ort und Träger der PTA-Ausbildung etabliert werden dürfen. Mein liebes Tagebuch, da kommt nochmal Bewegung in die geplante PTA-Berufsreform. Wenn Spahn dachte, sein PTA-Gesetz rauscht mal eben so rasch durch, dann wird er sich noch umschauen müssen: Da hat er noch mächtig Diskussionen rund um die PTA-Berufsreform an der Backe. Und das ist auch gut so, denn so eine Ausbildungsänderung soll Hand und Fuß haben und muss die nächsten Jahre zukunftsfest sein. Da kommen die SPD-Änderungswünsche gerade recht – die übrigens auch für eine dreijährige Ausbildungsdauer plädieren.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


9 Kommentare

Beste Ausbildungsgänge: Nur ohne Standes- und Sektoren-Dünkel möglich

von Wolfgang Müller am 03.11.2019 um 15:14 Uhr

Vorschlag: 20 - 30 unserer Besten setzen sich zusammen. Anerkannte, kluge Praktiker/innen aus Industrie, Krankenhaus und aus normalen öffentlichen Apotheken verschiedener Größen und Lagen. Ergänzt um zwei unserer Strategie- bzw. BWL-Apotheker.

In einer Klausurtagung werden eine Woche lang die Ziele der zukünftigen Apotheker- und PTA-Ausbildung festgelegt, um für alle drei Berufs-Sektoren in geeigneter Anzahl bestens qualifiziertes und motiviertes Personal zu bekommen. Was müssen PTAs und Apotheker in der Öffentlichen, in der Industrie und im Krankenhaus jetzt und demnächst WIRKLICH machen und können? Was können wir da für die mittlere Zukunft überhaupt jemals genau genug wissen, um z. B. ausufernden Lernstoff eines Studium allzu sehr monolithisch in Stein zu meißeln (s. u., Kommentar des Kollegen Schweickert-Wehner)?

Und: Was für Menschen wollen wir da entwickeln, mit welcher Art von Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit? Mit eher wenig davon, damit sie besser führbar sind? Oder doch mit mehr davon, wie in anderen, weniger "Auswendiglern"-Ausbildungen, z. B. in EDV-Berufen oder bei den Ingenieuren? Um sich auch in im Laufe der Berufstätigkeit vielleicht einmal noch leichter gänzlich neue Bereiche selbst erarbeiten zu können? Vom noch beherzter eigenverantwortlichen, auch gerne leitenden Arbeiten in der Öffentlichen bis hin zu "Pharmaberater/in", „Freiberuflicher MM Consultant Pharmacist“, „Director Human Resources Management“, "Management eines Filialverbundes", „Charité-Chef“, "Verfahrenstechnisches Projektmanagement" oder "Internationales Diagnostika-Marketing"? (Anm.: Die beiden mit Abstand höchstrangigen Industrie-Jobs in dieser Aufzählung haben in meinem Umfeld übrigens ein Chemielaborant und ein Apotheker erreicht, in zwei sehr großen Unternehmen, vollkommen auf Augenhöhe.)

Eine weitere Woche lang wird die dafür notwendige Struktur der zukünftigen Ausbildungen festgelegt. Wie lange müssen die Ausbildungen dauern, und in welcher Form werden sie durchgeführt? PTA z. B. weiter 2,5 Jahre, oder neu: 3 Jahre, aber Praxis und Schule mehr verschachtelt? Oder einfach nur die Schule 6 Monate länger? Bei Apothekern: Bachelor und Master zzgl. Praktika? Oder weiter drei Staatsexamina, und dann vielleicht einfach nur länger und voller? Usw. usf.

Jede Wette, gelänge es uns, wirklich unsere "Besten" zu solch einer Klausurtagung zusammenzubringen; ein Sektoren-übergreifendes Team, das wirklich Ergebnis-orientiert für alle Bereiche GEMEINSAM arbeitete; wo "Die Besten" auch heißt, sie sind sich intellektuell zu schade, nur ihre eigenen Pfründe (Lehrstühle, AVOXA etc.) und die Interessen ihres Akademiker-Standes/der eigenen Disziplin/ihres Berufs-Sektors im Auge zu haben: Dann liefe es auf 3 Jahre lange PTA-Ausbildung mit anschließend „Arbeiten unter Verantwortung eines Apothekers“ statt unter der unsäglichen „Aufsicht“ hinaus, und für das Studium selbstverständlich auf ein intelligent-anspruchsvoll aufgebautes Bachelor/Master-System.

Ist das wirklich eine unverschämte Überforderung der Apothekerschaft, mal solch einen echten, dringend notwendigen QM-Prozess durchzuziehen? Lieber Kollege Ditzel, oder „Die Noweda“/“Der MVDA“, wäre das nicht mal eine erfreuliche Herausforderung für ein echtes „Entscheider-Meeting“? Der irre Anspruch, überhaupt mal die Teilnehmer festzulegen und sowas "ABDA-frei" zu moderieren, das muss doch in den Fingern jucken? Mal ganz bodennah, und ausnahmsweise auch mal strengstens Output-orientiert?

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Beste Ausbildungsgänge: Nur ohne

von Christian Giese am 03.11.2019 um 18:07 Uhr

Als Stuttgarter wird nicht nur Peter Ditzel in der aktuellen Wochenendausgabe der StgZ das Interview von Harald Schmidt mit Winfried Kretschmann lesen:

"...Ich bevorzuge den Begriff der Zuversicht . Die entsteht, wenn Menschen sich um eine Idee versammeln. Dann können sie Dinge erreichen, von denen niemand gedacht hat, dass sie möglich sind. Das stammt von meiner Lehrmeisterin Hannah Arendt. Wenn wir nur das fortschreiben, was wir kennen, muss man sich vor der Erderwärmung in Angst und Schrecken verkriechen. Wenn man aber gemeinsam handelt, können grosse Dinge entstehen. Mit allem hatte die SED gerechnet, aber nicht mit Leuten, die mit brennenden Kerzen aus der Kirche kommen. So entsteht Zuversicht: indem man handelt, und zwar jetzt".

AW: Zuversicht und Zukunft

von Peter Ditzel am 03.11.2019 um 19:23 Uhr

Lieber Herr Giese, na klar, das Interview Schmidt/Kretschmann habe ich mit Interesse gelesen! Danke, dass Sie diesen Satz von Kretschmann zitiert haben, er passt so wunderbar auch zu unserer Lage. Vor allem: "Zuversicht entsteht, wenn Menschen sich um eine Idee versammeln. Dann können sie Dinge erreichen, von denen niemand gedacht hat, dass sie möglich sind." Und: "So entsteht Zuversicht: indem man handelt und zwar jetzt."
Und lieber Herr Müller, was wäre da alles möglich, wenn wir, wie Sie schreiben, unsere fähigsten Köpfe an einen Tisch setzen, um unsere Zukunft zu denken! Angefangen bei der Frage, wie eine neue Approbationsordnung aussehen könnte, wie eine echte PTA-Reform sein sollte, bis hin zur Frage: Wie soll eigentlich unsere apothekerliche Tätigkeit in 20 oder 30 Jahren aussehen – und dies vor dem Hintergrund von E-Rezept und einer zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung, die möglicherweise die eine oder andere Tätigkeit von uns verändern wird. So eine Runde muss nicht unbedingt ABDA-frei sein – dort gibt es so manche fähigen Köpfe –, aber die Runde sollte nicht nur im ABDA-Saft schmoren, sondern auch die Expertise von Leuten einbinden dürfen, die einen Blick von außen mit einbringen.

Wie fühlt Ihr Euch so?

von Karl Friedrich Müller am 03.11.2019 um 13:12 Uhr

Als quasi Laborratten, Pardon, Forschungsobjekte? Ich benutze das Du, weil wir ja alle im gleichen Labor sitzen, quasi
Spahn hebelt mal eben so den Datenschutz aus, die Daten der GKV, die brav alle in einem „unhackbaren“ Server gesammelt werden werden zu „Forschungszwecken“ allen möglichen Leuten zur Verfügung gestellt. Da ist es doch Wurst, ob die auch noch gehackt werden, äußerst sensible Daten.
Dass mein Nachbar 3 Freundinnen hat, weiß ich von Facebook und Twitter, aber seine Krankheiten?
Das ist Handel mit unseren Daten, ohne dass wir uns wehren sollen können.
RECHTLICHE BEDENKEN? Keine. Seltsam. Da geht ein Gesetz. Beim RxVV nicht. Gemeinsam: anonyme und nebulose Konzerne werden unterstützt.
Bin mal gespannt, wie viele Klagen es geben wird
Lesen die Abgeordneten Gesetzesvorlagen überhaupt oder folgen die nur blöden Geschwätz von Meinungsführern? Alle zu bestechen geht wohl nicht. Aber wer weiß, die Pöstchen dürften sich exponentiell vermehren
Wer hier noch der hemmungslosen Digitalisierung das Wort redet, hat nix kapiert. Das ist der Weg zur totalen Überwachung und Manipulation. Auch das ERezept.
Spahn profitiert in unanständiger Art und Weise davon. Anders ist sein Vorgehen nicht zu deuten. Er beschimpft und erpresst uns. Spahn muss aus dem Amt und aus der Politik, wie einige andere in der Koalition

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Wie fühlt Ihr Euch so?

von Carsten Goebel am 04.11.2019 um 2:40 Uhr

100 % Zustimmung für diesen Beitrag.
Darum - und nur darum - geht es in den kommenden Jahren der Arzneimittelversorgung in Deutschland:
In welchem Ausmaß ist der Patient bereit, seine Krankheits-Daten zu ‚verschenken‘, um einen lächerlichen Bar-Rabatt zu ‚gewinnen‘ ...
und: überblickt der Patient die Konsequenz seines ‚Deals‘ überhaupt ?
Wurde der Patient aufgeklärt, dass sein ‚Deal‘ (mit den seinen sensibelsten Daten) ihm in Jahren oder Jahrzehnten den tausendfachen Preis kosten kann? (Jobverlust, Kreditabsage, Erhöhung des Darlehenzinsessatzes, Reisebeschränkungen etc.)

Aufklärung tut Not - vor der Zeitenwende ins Digitale.
Wenn der aufgeklärte(!) Bürger seine Daten ‚verschenkt‘ : ok.

Pferdeschweif

von Dr Schweikert-Wehner am 03.11.2019 um 10:20 Uhr

Neue Approbationsotdnung? Da wird das Pferd mal wieder von hinten aufgezäumt. Erst mal die juristischen Fragen (Heilpraktikergesetz, Berufsordnung) und die politischen Fragen nach der Rolle der Apotheker in der Zukunft klären. Was nützt der ganze Wissenszuwachs, wenn es keine Grundlage gibt es anzuwenden?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Verträge und Verspechungen

von Bernd Jas am 03.11.2019 um 10:00 Uhr

Guten Morgen lieber Herr Ditzel,
guten Morgen liebe Knöttergemeinde.

Bevor ich weiterlese, möchte ich gerne das erste Unwort des Jahres der Pharmazeuten vorschlagen:

Koalitionsvertrag

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Wohin des Weges ?

von Ulrich Ströh am 03.11.2019 um 8:46 Uhr

„Es ist eine spannende Zeit mit unglaublichen Herausforderungen.“
So wie es ABDA-Jurist Tisch formuliert hat.

Kann man so sehen.

Bei der E- Rezept-App werden große Teile der
apothekerlichen Zukunft in Bahnen gelenkt werden.

Der apothekerliche Wunsch nach - einer gemeinsamen App -
wird sich in zukünftigen Zeiten politisch nicht realisieren
lassen.

Der Patient wird der Souverän sein und auswählen, wohin er sein Rezept schickt.
Und dafür muss die Vorortapotheke gut aufgestellt sein.




» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

.

von Anita Peter am 03.11.2019 um 8:07 Uhr

Ist es nicht schön wie zuversichtlich unsere "Oberen" alle sind? Über andere Schlagzeilen erfährt man dann, wer von denen alles im Versand mitmischt,selbst für eine Aufgabe der PB ist usw usw.
Wir haben den Feind im eigenen Bett und keinen interessiert es.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.