Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

03.11.2019, 08:00 Uhr

Die einen träumen von Arzneiautomaten, die anderen von E-Rezepten und wir Apothekers von einer neuen Ausbildung – eine Traumwoche. (Foto: Andi Dalferth)

Die einen träumen von Arzneiautomaten, die anderen von E-Rezepten und wir Apothekers von einer neuen Ausbildung – eine Traumwoche. (Foto: Andi Dalferth)


1. November 2019

Wie ernst ist es uns eigentlich mit der neuen Ausrichtung unseres Berufs – weg vom Logistiker, hin zum patientenorientierten Arzneimitteltherapie-Experten. Das ist doch auch die Richtung, zu der wir uns im „Perspektivpapier 2030“ aus dem Jahr 2014 bekannt haben. Klingt gut, aber die Realität ist auch, dass es seit nahezu 20 Jahren immer noch nicht gelungen ist, an allen Instituten Lehrstühle für Klinische Pharmazie einzurichten, wo doch die Inhalte der Klinischen Pharmazie für unser zukünftiges Berufsbild essentiell sind. Möglich, dass sich da schon bald der Druck erhöht, na ja, zumindest ein kleiner Druck entsteht, also so eine Art Drückchen. Die Bundesapothekerkammer (BAK) beabsichtigt der ABDA-Spitze das Mandat zu erteilen, sich gegenüber der Politik für eine Änderung einzusetzen. Konkret: Bei der BAK-Mitgliederversammlung am 13. November soll über die zentrale Frage abgestimmt werden, ob sich unsere Standesvertretung für eine neue Approbationsordnung stark machen soll. Im Hintergrund steht dabei die Frage, ob man die Klinische Pharmazie mit der bestehenden Approbationsordnung ausreichend stärken kann, um den Apothekerberuf zukunftsfähig zu machen. Oder geht das nur mit einer gänzlich neuen Approbationsordnung? Tja mein liebes Tagebuch, mal in einfacher Sprache: Reicht es, wenn an der bestehenden Approbationsordnung herumgedoktert wird oder sollte unsere Apothekerausbildung, die uns in die Zukunft trägt, nicht doch lieber neu aufgestellt werden? Lieber nur die bestehende Ausbildungsordnung inhaltlich anpassen, wünschen sich z. B. die Vertreter der „alten“ Fächer z.B. die Chemiker oder die Technologen. Sie befürchten, dass sie bei einer neuen Approbationsordnung Federn lassen müssten zugunsten einer Stärkung der Klinischen Pharmazie und sogar der Pharmakologie. Nicht nur sie, auch Standesvertreter verweisen auf die Gefahren, wenn man sich für eine Neuausrichtung der Approbationsordnung  stark macht: Es könnte eine Umstellung des Pharmaziestudiums auf ein Bachelor- und Mastersystem drohen, was man aus verschiedenen Gründen nicht wolle. Außerdem dauere eine neue Approbationsordnung Jahre, bis sie den  parlamentarischen Weg gegangen sei. Mag alles sein, mein liebes Tagebuch, aber jetzt gibt’s neue Argumente für eine neue Approbationsordnung, z. B. die verpflichtende Einführung von Stationsapothekern in Niedersachsen, die sich möglicherweise auch auf andere Bundesländer ausdehnen könnte. Und um dafür so richtig gerüstet zu sein, braucht’s einfach mehr Klinische Pharmazie im Studium. Und natürlich auch für unsere pharmazeutische Zukunft, wie im Perspektivpapier beschlossen: weg vom Logistiker… Mein liebes Tagebuch, manchmal braucht es tatsächlich einen Neuanfang.

 

Und zum Wochenschluss noch ein Aktivitätsschub von der SPD-Bundestagsfraktion: Sie kämpft für mehr Kompetenzen für PTAs, für eine längeren Ausbildungsdauer und dafür, dass auch Klinikapotheken als Ort und Träger der PTA-Ausbildung etabliert werden dürfen. Mein liebes Tagebuch, da kommt nochmal Bewegung in die geplante PTA-Berufsreform. Wenn Spahn dachte, sein PTA-Gesetz rauscht mal eben so rasch durch, dann wird er sich noch umschauen müssen: Da hat er noch mächtig Diskussionen rund um die PTA-Berufsreform an der Backe. Und das ist auch gut so, denn so eine Ausbildungsänderung soll Hand und Fuß haben und muss die nächsten Jahre zukunftsfest sein. Da kommen die SPD-Änderungswünsche gerade recht – die übrigens auch für eine dreijährige Ausbildungsdauer plädieren.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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9 Kommentare

Beste Ausbildungsgänge: Nur ohne Standes- und Sektoren-Dünkel möglich

von Wolfgang Müller am 03.11.2019 um 15:14 Uhr

Vorschlag: 20 - 30 unserer Besten setzen sich zusammen. Anerkannte, kluge Praktiker/innen aus Industrie, Krankenhaus und aus normalen öffentlichen Apotheken verschiedener Größen und Lagen. Ergänzt um zwei unserer Strategie- bzw. BWL-Apotheker.

In einer Klausurtagung werden eine Woche lang die Ziele der zukünftigen Apotheker- und PTA-Ausbildung festgelegt, um für alle drei Berufs-Sektoren in geeigneter Anzahl bestens qualifiziertes und motiviertes Personal zu bekommen. Was müssen PTAs und Apotheker in der Öffentlichen, in der Industrie und im Krankenhaus jetzt und demnächst WIRKLICH machen und können? Was können wir da für die mittlere Zukunft überhaupt jemals genau genug wissen, um z. B. ausufernden Lernstoff eines Studium allzu sehr monolithisch in Stein zu meißeln (s. u., Kommentar des Kollegen Schweickert-Wehner)?

Und: Was für Menschen wollen wir da entwickeln, mit welcher Art von Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit? Mit eher wenig davon, damit sie besser führbar sind? Oder doch mit mehr davon, wie in anderen, weniger "Auswendiglern"-Ausbildungen, z. B. in EDV-Berufen oder bei den Ingenieuren? Um sich auch in im Laufe der Berufstätigkeit vielleicht einmal noch leichter gänzlich neue Bereiche selbst erarbeiten zu können? Vom noch beherzter eigenverantwortlichen, auch gerne leitenden Arbeiten in der Öffentlichen bis hin zu "Pharmaberater/in", „Freiberuflicher MM Consultant Pharmacist“, „Director Human Resources Management“, "Management eines Filialverbundes", „Charité-Chef“, "Verfahrenstechnisches Projektmanagement" oder "Internationales Diagnostika-Marketing"? (Anm.: Die beiden mit Abstand höchstrangigen Industrie-Jobs in dieser Aufzählung haben in meinem Umfeld übrigens ein Chemielaborant und ein Apotheker erreicht, in zwei sehr großen Unternehmen, vollkommen auf Augenhöhe.)

Eine weitere Woche lang wird die dafür notwendige Struktur der zukünftigen Ausbildungen festgelegt. Wie lange müssen die Ausbildungen dauern, und in welcher Form werden sie durchgeführt? PTA z. B. weiter 2,5 Jahre, oder neu: 3 Jahre, aber Praxis und Schule mehr verschachtelt? Oder einfach nur die Schule 6 Monate länger? Bei Apothekern: Bachelor und Master zzgl. Praktika? Oder weiter drei Staatsexamina, und dann vielleicht einfach nur länger und voller? Usw. usf.

Jede Wette, gelänge es uns, wirklich unsere "Besten" zu solch einer Klausurtagung zusammenzubringen; ein Sektoren-übergreifendes Team, das wirklich Ergebnis-orientiert für alle Bereiche GEMEINSAM arbeitete; wo "Die Besten" auch heißt, sie sind sich intellektuell zu schade, nur ihre eigenen Pfründe (Lehrstühle, AVOXA etc.) und die Interessen ihres Akademiker-Standes/der eigenen Disziplin/ihres Berufs-Sektors im Auge zu haben: Dann liefe es auf 3 Jahre lange PTA-Ausbildung mit anschließend „Arbeiten unter Verantwortung eines Apothekers“ statt unter der unsäglichen „Aufsicht“ hinaus, und für das Studium selbstverständlich auf ein intelligent-anspruchsvoll aufgebautes Bachelor/Master-System.

Ist das wirklich eine unverschämte Überforderung der Apothekerschaft, mal solch einen echten, dringend notwendigen QM-Prozess durchzuziehen? Lieber Kollege Ditzel, oder „Die Noweda“/“Der MVDA“, wäre das nicht mal eine erfreuliche Herausforderung für ein echtes „Entscheider-Meeting“? Der irre Anspruch, überhaupt mal die Teilnehmer festzulegen und sowas "ABDA-frei" zu moderieren, das muss doch in den Fingern jucken? Mal ganz bodennah, und ausnahmsweise auch mal strengstens Output-orientiert?

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AW: Beste Ausbildungsgänge: Nur ohne

von Christian Giese am 03.11.2019 um 18:07 Uhr

Als Stuttgarter wird nicht nur Peter Ditzel in der aktuellen Wochenendausgabe der StgZ das Interview von Harald Schmidt mit Winfried Kretschmann lesen:

"...Ich bevorzuge den Begriff der Zuversicht . Die entsteht, wenn Menschen sich um eine Idee versammeln. Dann können sie Dinge erreichen, von denen niemand gedacht hat, dass sie möglich sind. Das stammt von meiner Lehrmeisterin Hannah Arendt. Wenn wir nur das fortschreiben, was wir kennen, muss man sich vor der Erderwärmung in Angst und Schrecken verkriechen. Wenn man aber gemeinsam handelt, können grosse Dinge entstehen. Mit allem hatte die SED gerechnet, aber nicht mit Leuten, die mit brennenden Kerzen aus der Kirche kommen. So entsteht Zuversicht: indem man handelt, und zwar jetzt".

AW: Zuversicht und Zukunft

von Peter Ditzel am 03.11.2019 um 19:23 Uhr

Lieber Herr Giese, na klar, das Interview Schmidt/Kretschmann habe ich mit Interesse gelesen! Danke, dass Sie diesen Satz von Kretschmann zitiert haben, er passt so wunderbar auch zu unserer Lage. Vor allem: "Zuversicht entsteht, wenn Menschen sich um eine Idee versammeln. Dann können sie Dinge erreichen, von denen niemand gedacht hat, dass sie möglich sind." Und: "So entsteht Zuversicht: indem man handelt und zwar jetzt."
Und lieber Herr Müller, was wäre da alles möglich, wenn wir, wie Sie schreiben, unsere fähigsten Köpfe an einen Tisch setzen, um unsere Zukunft zu denken! Angefangen bei der Frage, wie eine neue Approbationsordnung aussehen könnte, wie eine echte PTA-Reform sein sollte, bis hin zur Frage: Wie soll eigentlich unsere apothekerliche Tätigkeit in 20 oder 30 Jahren aussehen – und dies vor dem Hintergrund von E-Rezept und einer zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung, die möglicherweise die eine oder andere Tätigkeit von uns verändern wird. So eine Runde muss nicht unbedingt ABDA-frei sein – dort gibt es so manche fähigen Köpfe –, aber die Runde sollte nicht nur im ABDA-Saft schmoren, sondern auch die Expertise von Leuten einbinden dürfen, die einen Blick von außen mit einbringen.

Wie fühlt Ihr Euch so?

von Karl Friedrich Müller am 03.11.2019 um 13:12 Uhr

Als quasi Laborratten, Pardon, Forschungsobjekte? Ich benutze das Du, weil wir ja alle im gleichen Labor sitzen, quasi
Spahn hebelt mal eben so den Datenschutz aus, die Daten der GKV, die brav alle in einem „unhackbaren“ Server gesammelt werden werden zu „Forschungszwecken“ allen möglichen Leuten zur Verfügung gestellt. Da ist es doch Wurst, ob die auch noch gehackt werden, äußerst sensible Daten.
Dass mein Nachbar 3 Freundinnen hat, weiß ich von Facebook und Twitter, aber seine Krankheiten?
Das ist Handel mit unseren Daten, ohne dass wir uns wehren sollen können.
RECHTLICHE BEDENKEN? Keine. Seltsam. Da geht ein Gesetz. Beim RxVV nicht. Gemeinsam: anonyme und nebulose Konzerne werden unterstützt.
Bin mal gespannt, wie viele Klagen es geben wird
Lesen die Abgeordneten Gesetzesvorlagen überhaupt oder folgen die nur blöden Geschwätz von Meinungsführern? Alle zu bestechen geht wohl nicht. Aber wer weiß, die Pöstchen dürften sich exponentiell vermehren
Wer hier noch der hemmungslosen Digitalisierung das Wort redet, hat nix kapiert. Das ist der Weg zur totalen Überwachung und Manipulation. Auch das ERezept.
Spahn profitiert in unanständiger Art und Weise davon. Anders ist sein Vorgehen nicht zu deuten. Er beschimpft und erpresst uns. Spahn muss aus dem Amt und aus der Politik, wie einige andere in der Koalition

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AW: Wie fühlt Ihr Euch so?

von Carsten Goebel am 04.11.2019 um 2:40 Uhr

100 % Zustimmung für diesen Beitrag.
Darum - und nur darum - geht es in den kommenden Jahren der Arzneimittelversorgung in Deutschland:
In welchem Ausmaß ist der Patient bereit, seine Krankheits-Daten zu ‚verschenken‘, um einen lächerlichen Bar-Rabatt zu ‚gewinnen‘ ...
und: überblickt der Patient die Konsequenz seines ‚Deals‘ überhaupt ?
Wurde der Patient aufgeklärt, dass sein ‚Deal‘ (mit den seinen sensibelsten Daten) ihm in Jahren oder Jahrzehnten den tausendfachen Preis kosten kann? (Jobverlust, Kreditabsage, Erhöhung des Darlehenzinsessatzes, Reisebeschränkungen etc.)

Aufklärung tut Not - vor der Zeitenwende ins Digitale.
Wenn der aufgeklärte(!) Bürger seine Daten ‚verschenkt‘ : ok.

Pferdeschweif

von Dr Schweikert-Wehner am 03.11.2019 um 10:20 Uhr

Neue Approbationsotdnung? Da wird das Pferd mal wieder von hinten aufgezäumt. Erst mal die juristischen Fragen (Heilpraktikergesetz, Berufsordnung) und die politischen Fragen nach der Rolle der Apotheker in der Zukunft klären. Was nützt der ganze Wissenszuwachs, wenn es keine Grundlage gibt es anzuwenden?

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Verträge und Verspechungen

von Bernd Jas am 03.11.2019 um 10:00 Uhr

Guten Morgen lieber Herr Ditzel,
guten Morgen liebe Knöttergemeinde.

Bevor ich weiterlese, möchte ich gerne das erste Unwort des Jahres der Pharmazeuten vorschlagen:

Koalitionsvertrag

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Wohin des Weges ?

von Ulrich Ströh am 03.11.2019 um 8:46 Uhr

„Es ist eine spannende Zeit mit unglaublichen Herausforderungen.“
So wie es ABDA-Jurist Tisch formuliert hat.

Kann man so sehen.

Bei der E- Rezept-App werden große Teile der
apothekerlichen Zukunft in Bahnen gelenkt werden.

Der apothekerliche Wunsch nach - einer gemeinsamen App -
wird sich in zukünftigen Zeiten politisch nicht realisieren
lassen.

Der Patient wird der Souverän sein und auswählen, wohin er sein Rezept schickt.
Und dafür muss die Vorortapotheke gut aufgestellt sein.




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von Anita Peter am 03.11.2019 um 8:07 Uhr

Ist es nicht schön wie zuversichtlich unsere "Oberen" alle sind? Über andere Schlagzeilen erfährt man dann, wer von denen alles im Versand mitmischt,selbst für eine Aufgabe der PB ist usw usw.
Wir haben den Feind im eigenen Bett und keinen interessiert es.

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