Zeitzeugen berichten

30 Jahre Mauerfall – und bei den Engpässen alles wie früher?

09.11.2019, 09:00 Uhr

Zu DDR-Zeiten nannte man unter anderem Artikel, die örtlich knapp oder nur durch Tausch erhältlich waren, Bückware. Ein Beispiel: das Analgetikum Turivital. ( r / Foto: DAZ / rr)

Zu DDR-Zeiten nannte man unter anderem Artikel, die örtlich knapp oder nur durch Tausch erhältlich waren, Bückware. Ein Beispiel: das Analgetikum Turivital. ( r / Foto: DAZ / rr)


Apotheke konnte eine „Teilverordnung herausschreiben“.

Konnte eine Rezept-Position nicht besorgt werden, war es möglich, in der Apotheke eine „Teilverordnung“ vom ärztlichen Rezept „herauszuschreiben“. Das fehlende Arzneimittel konnte dann in einer anderen Apotheke bezogen werden. Rare Arzneimittel, an die sich Zeitzeugen erinnern, waren beispielsweise Indomethacinum (Indometacin), Rewodina (Diclofenac) und Analgin (Metamizol), aber vor allem auch Präparate der Nomenklatur C. Diese Importe, die unter anderem aus der BRD bezogen wurden, betrafen vorrangig Betäubungsmittel und lebensnotwendige Medikamente wie Berotec® DA, aber auch rezeptfreie Arzneimittel wie Canesten®. Lieferengpässe infolge von Rückrufen habe es nur selten gegeben. Die Umgestaltung des Umkartons konnte die Geduld von Apothekern und Patienten aber schon mehrere Monate auf die Probe stellen. 

Bei Lieferschwierigkeiten halfen sich die Apotheken untereinander aus: Es wurde geborgt und getauscht. Fertigarzneimittelpackungen wurden ausgeeinzelt. Wenn sich die Schubladen leerten, wurde kurzerhand die Abgabe rationiert. Auf Importarzneimittel aus dem kapitalistischen Ausland musste man schlichtweg warten. Im Zweifel entschied der Bezirksapotheker oder Mitarbeiter, die mit der Abwicklung der Nomenklatur C beauftragt waren, wer welches Medikament bekam.

Überbrückung durch Eigenproduktion

Engpässe mit DDR-Arzneimitteln wurden durch das pharmazeutische Personal in vielen Fällen selbst überbrückt – durch Eigenproduktion. Die Ausgangssubstanzen wurden nicht in den einzelnen Apotheken, sondern zentral in der Abteilung Herstellung/Labordiagnostik der Pharmazeutischen Zentren geprüft und dann – langfristig orientiert am Bedarf – verteilt. Je nach Bedarf wurden zur Herstellung der unterschiedlichsten Arzneiformen Babybadewannen-große Fanta­schalen und Brotbackmaschinen eingesetzt. Zäpfchen wurden im Akkord gegossen, zum Beispiel Propyphenazon-Zäpfchen gegen Schmerzen und Fieber, in deren Fall die Eigenherstellung sogar eher die Regel als die Ausnahme war. Der pharmazeutische Sachverstand war stets gefragt. „Es war eine sehr gute fachliche Arbeit“ lautet Schiffners Fazit über die Tätigkeit in einer DDR-Apotheke.

Planwirtschaft bedeutete auch, dass Lieferengpässe nicht überraschend kamen. Die Ärzte wurden zeitnah informiert, sodass sie (wo möglich) gleich etwas anderes verordnen konnten. Zudem war durch die Planung absehbar, wann das Medikament wieder verfügbar sein würde.



Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Mauerfall

von Conny am 09.11.2019 um 12:03 Uhr

...zu 99 Prozent positiv. Warum nicht zu 100 Prozent ? Schmidt ist Abda Präsident.

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