Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

10.11.2019, 08:00 Uhr

Alles dreht sich ums E-Rezept? Nicht nur, es gibt auch noch anderes Schönes, aber auch Seltsames in dieser Woche. (Foto: Andi Dalferth)

Alles dreht sich ums E-Rezept? Nicht nur, es gibt auch noch anderes Schönes, aber auch Seltsames in dieser Woche. (Foto: Andi Dalferth)


E-Rezept rauf und runter - ganz klar, das E-Rezept hat diese Woche beherrscht. Der Versender DocMorris, der sich auf Plakaten schon seit Wochen mit dem E-Rezept schmückt, will mit dem E-Rezept kräftig wachsen. Mit GERDA, dem E-Rezept-Modellprojekt von Kammer und Verband aus Baden-Württemberg, geht’s nun richtig los – auch wenn’s noch klemmt. Wohl ähnlich wie bei über 50 anderen Modellprojekten zum E-Rezept in der Republik. Denn so richtig weiß noch keiner wie’s am Ende aussieht. Wer das Rennen macht? Ganz klar derjenige, der die endgültigen Spielregeln fürs E-Rezept am besten umsetzt. Aber diese Regeln, die gibt’s von der Gematik erst Mitte 2020. Und ein Makelverbot haben wir immer noch nicht.

4. November 2019

Walter Oberhänsli, Chef der Schweizer Zur Rose-Gruppe, zu der auch der Versender DocMorris gehört, schaut gar arg optimistisch in die Zukunft. ER hat große Pläne. Wie er dem Schweizer Finanzmagazin „The Market“ in einem Interview erklärte, will er den Umsatz seines Konzerns bis 2022 im Vergleich zu 2018 verdoppeln! Zur Orientierung: Der Umsatz des gesamten Konzerns  soll in den ersten neun Monaten 2019 auf rund 1,16 Milliarden Franken (etwa 1,05 Milliarden Euro) gestiegen sein. Ja, mein liebes Tagebuch, wer kann heute noch solche Umsatzziele ausgeben? Eben, wohl nur Arzneimittelversender. Nun, wir wissen alle: Umsatz ist nicht gleich Gewinn. Aber dennoch ist es nicht verkehrt, die Aktivitäten solcher Versender im Blickfeld zu beachten. Sein Ziel der Umsatzverdopplung will Oberhänsli auf vier Wegen erreichen. Erstens: durch die Übernahme von anderen Versendern. Zweitens durch die „Konversion“ der OTC-Kunden ins Rx-Geschäft – Konversion, ein netter Begriff für kräftige Kundenbearbeitung, oder? Drittens: Wachstum durch das Marktplatz-Modell. Für diese Strategie hat die Zur Rose-Tochter DocMorris bereits in Südeuropa  Promofarma übernommen – das ist eine Verkaufsplattform, auf der Vor-Ort-Apotheken gemeinsam ihre Waren anbieten und Zur Rose verdient daran. Und der vierte Wachstumseffekt soll, na klar, aus der Einführung des E-Rezepts kommen. Und da kriegt Oberhänsli glänzende Augen, wenn er nach Schweden guckt, wo der Rx-Versand seit 2012 nach Einführung des E-Rezepts jährlich um 50 Prozent gewachsen sein soll – durch gezielte Marktbearbeitung, wie es Oberhänsli nennt. Mein liebes Tagebuch, DocMorris macht ja bekanntlich jetzt schon viel Wind und Stimmung fürs E-Rezept. Aber lassen wir uns dadurch nicht kirre machen – ich hoffe, unser Apothekerverband und unsere Anbieter für E-Rezept-Apps werden kräftig dagegen halten.

5. November 2019

Der Zukunftspakt hat Zukunft! Der Zukunftspakt – das ist der von Burda und Noweda ins Leben gerufene Zusammenschluss –, lässt wissen, dass ab sofort auch Pharma Privat (das ist der Verbund der inhabergeführten Pharmagroßhandlungen) mit im Pakt ist. Diesem Verbund gehören beispielsweise Großhandlungen wie Fiebig, Geilenkirchen, Jenne, Kehr und Holdermannn an. Mittlerweile sollen sich bereits rund 7000 Apotheken dem Zukunftspakt angeschlossen haben. Ja, mein liebes Tagebuch, das ist recht ordentlich, was sich da aufstellt. Kurz zur Erinnerung: Der Zukunftspakt ist keine abstrakte Worthülse, zum Zukunftspakt gehören beispielsweise die  digitale Kunden-Vorbestellplattform für Arzneimittel „IhreApotheke.de“ und die Apothekenkundenzeitschrift „MyLife“, außerdem hat sich das Unternehmen „Apostore“ dem Pakt angeschlossen, das sich auf digitale Lösungen für Apotheken spezialisiert hat. Mein liebes Tagebuch, im Markt ist Bewegung.

 

An der Bewältigung von Lieferengpässen arbeitet nicht nur die Unionsfraktion. Auch die SPD-Bundestagsfraktion zerbricht sich ihren Kopf darüber, wo die Gründe für dieses Desaster in der Arzneimittelversorgung liegen und wie man es bewältigen könnte. Für die Sozialdemokraten haben Lieferengpässe sieben Ursachen: Es geht unter anderem um die Fehleranfälligkeit des Systems, es geht darum, dass Hersteller auf kurzfristige Lieferanfragen schlecht reagieren können, es geht außerdem um die Konzentration der Märkte auf einige wenige Hersteller, um schlechte wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Hersteller, um Kontingentierungen und Konzernstrukturen, aber auch um den Parallelhandel. Alles richtig, mein liebes Tagebuch, und was macht man dagegen? Die SPD-Gesundheitspolitiker sehen eine Lösung des Problems darin, Lieferengpässe erst gar nicht entstehen zu lassen und und wenn sie denn da sind, sie besser zu managen. Hier nur mal so ein paar Vorschläge aus dem SPD-Maßnahmenkatalog: verschärfte Vertragsstrafen in den Rabattverträgen für Hersteller, wenn sie nicht liefern können. Außerdem sollten Exklusivverträge zwischen Kassen und Herstellern abgeschafft werden. Weitere Maßnahmen: Großhändler und Hersteller sollen alle erkannten und zu erwartenden Engpässe sofort ans BfArM melden müssen. Gibt es bereits einen Lieferengpass, soll ein Exportverbot für dieses Arzneimittel verhängt werden. Und Fachgesellschaften sollten dem medizinischen Personal Orientierungshilfen geben, wie nicht lieferbare Arzneimittel substituiert werden können. Mein liebes Tagebuch, alles gut, alles richtig – und leider alles aufwendig. Aber irgendwann muss man schließlich mal anfangen. Hoffen wir, dass sich endlich was tut!

 

Mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen geht’s voran. O.k., nicht ganz so rasch, wie manche es sich wünschen, aber immerhin. Die Große Koalition jedenfalls steht voll dahinter. Und daher will sie nun auch dafür sorgen, dass in Zukunft nicht nur Arzneimittel elektronisch und digital verordnet werden, sondern auch Heil- und Hilfsmittel sowie die häusliche Krankenpflege. Diese Möglichkeit soll noch ins Digitale Versorgung Gesetz, kurz DVG, aufgenommen werden. Mein liebes Tagebuch, das ist mehr als konsequent. Wenn schon, denn schon. Außerdem wollen Union und SPD die digitalen Verordnungen von der Vorlage der elektronischen Gesundheitskarte abkoppeln. Das wird notwendig sein, um ärztliche Verordnungen auch ohne vorhergehenden persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt, zum Beispiel im Rahmen einer ausschließlichen medizinischen Fernbehandlung, zu ermöglichen.

6. November 2019

Mein liebes Tagebuch, die beiden AOK-Mitarbeiterinnen Sabine Beckmann und Sabine Richard, die vor Kurzem in der AOK-eigenen Zeitschrift „Gesundheit und Gesellschaft“ versuchten, Vorschläge für eine Apothekenreform à la AOK zu formulieren, sorgten für Diskussionsstoff und gelinde gesagt Kopfschütteln. Mit ihrem hohen Lied auf den DocMorris-Arzneimittelautomaten als Versorgungsalternative haben sie sich bei uns nicht allzu beliebt gemacht. DAZ.online fragte nach, wie sie die Sache mit dem Automaten und ihren anderen Vorschlägen, die nahezu allesamt wenig apothekenfreundlich daherkommen, eigentlich gemeint haben. Tja, mein liebes Tagebuch, sagen wir es mal so: So restriktiv wie man ihren Aufsatz in der AOK-Zeitschrift durchaus interpretieren kann, ja muss, wollen sie es nicht gemeint haben. Natürlich sei eine Ausgabestation mit Videoschaltung nicht gleichwertig zu einer Vor-Ort-Apotheke, mäandert  Sabine B., aber ein Automat sei aus ihrer Sicht in jedem Fall besser als ein Briefkasten. Mein liebes Tagebuch, was soll daran besser sein? Hat Sabine B. die Funktion einer Rezeptsammelstelle nicht verstanden? Bei einer Videoausgabestation muss der Patient zum Automaten, um seine Arzneimittel zu bekommen, bei einer Rezeptsammelstelle, vulgo Briefkasten, bekommt der Patient seine Arzneimittel persönlich nach Hause geliefert. Sabine B. aber bleibt dabei und sagt wörtlich: „Tatsächlich ist aus unserer Sicht ein Abgabeautomat wie in Hüffenhardt kein Modell für den städtischen Ballungsraum, sondern für die unterversorgte Fläche.“ Also, mein liebes Tagebuch, wenn das kein Votum pro Abgabeautomat ist. Und wenn sie sagt, in ihrem Artikel finde sich kein Beleg dafür, dass sie sich für den Abgabeautomaten eines ausländischen Versenders stark mache, dann müssen wir sie hier auf ihre Anmerkung aufmerksam machen: Über die Video-Beratung könne man sich mit der „Stammapotheke“ (!) in Heerlen verbinden lassen. Mein liebes Tagebuch: In Heerlen hat DocMorris seine Niederlassung, aber keine Apotheke. Da aber sehen Sabine B. und Sabine R. anders. Sie berufen sich dabei rein formal auf die Länderliste des Bundesgesundheitsministeriums: Demnach darf aus den Niederlanden ein Arzneimittelversand nach Deutschland erfolgen, wenn neben der Versandapotheke eine Präsenzapotheke unterhalten wird. Mein liebes Tagebuch, formaljuristisch richtig. Zu dumm nur, dass das keiner offiziell geprüft hat und sichtlich auch nicht prüfen will. DocMorris unterhält dort in Heerlen schlichtweg keine Präsenzapotheke, dort kann man vor Ort nicht in eine Offizin gehen, um ein Rezept einzulösen. Aber das kümmert die beiden AOK-Damen nicht. Ihr Credo: „Wir haben kein Interesse an einer Stärkung des Versandhandels, aber im Sinne der Patientinnen und Patienten an seinem Fortbestehen… Uns liegt die Versorgung der Versicherten am Herzen und nicht die Verbesserung von Marktchancen eines Anbieters oder Marktsegments.“ Und Boni sehen sie ja auch kritisch, denn bei diesen ausgeschütteten Geldern handele es sich schließlich um Mittel der Solidargemeinschaft. Tja, mein liebes Tagebuch, es geht den beiden ja überhaupt nicht darum, die vollversorgenden Apotheken abzulösen, nein, sie möchten doch nur durch Regelungsöffnungen die Möglichkeiten für Präsenzangebote für die Versicherten verbessern. Ach so – dass wir das noch nicht gemerkt haben!

 

E-Rezept, E-Rezept, E-Rezept – das wird die Revolution der nächsten Monate, der nächsten Jahre für die Apotheke werden. Die Dimension, wie das E-Rezept den Apothekenmarkt verändern wird, lässt sich heute noch kaum abschätzen. Auf alle Fälle: Es wird wirklich eine Revolution auf uns zukommen. Und daher laufen sich schon jede Menge Unternehmen und Organisationen warm: Ein Modellprojekt nach dem andern wird ins Leben gerufen. Jeder will dabei sein und etwas abbekommen vom großen Kuchen. Markus Leyck-Dieken, der Chef der Gematik (das ist die Organisation, die letztlich die Spezifikationen und Spielregeln fürs E-Rezept festlegt) freut sich einerseits über mittlerweile 52 Pilotprojekte zum E-Rezept, denn daraus könne auch die Gematik lernen. Aber, und das fügt er deutlich hinzu: Am Ende zählen die Spezifizierung, die Vorgaben der Gematik – und darauf werden die Anbieter ihre Systeme aufbauen müssen. Tja, mein liebes Tagebuch, und das soll wohl heißen: Lass sie mal machen, am Schluss sagt die Gematik, wo’s lang geht. Und wann stehen die Spielregeln fest? Laut Leyck-Dieken schafft das die Gematik locker bis Ende Juni 2020. Und dann, ja dann werden wohl einige Anbieter kapitulieren, ihre Projekte in die Tonne befördern oder diejenigen, die auf der richtigen Spur sind, fieberhaft arbeiten, um sie so schnell wie möglich in den Markt zu bringen. Das wird noch richtig lustig.

 

Es gibt schon Apotheken, da kommt nichts mehr in die Tüte. Auf keinen Fall in eine Plastiktüte. Ja, die Abkehr von der Plastiktüte steht für das Umdenken in unserer Wegwerfgesellschaft, für mehr Umweltschutz und Klimaschutz. Die Bundesregierung hat ein Verbot von Plastiktüten auf den Weg gebracht, das Aus kommt. Und wie bringen die Apothekenkunden ihre Arzneimittel und Apothekeneinkäufe nach Hause? Vielleicht lassen sich die Kunden umerziehen und bringen eine Tasche mit! Oder die Apotheken geben Papiertüten aus. Sind die eigentlich umweltfreundlicher? Oder sind die Stoffsäckchen, die Jutebeutel besser? Mein liebes Tagebuch, wie wär’s stilecht mit Täschchen aus Hanf?

 

Liebes-Ge-Twitter: Unsere frühere Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries gratuliert auf Twitter dem DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller ganz herzlich zum Geburtstag: 
Brigitte Zypries: Lieber Max Müller, alles Liebe zum Geburtstag!
Max Müller:  Ganz herzlichen Dank! 
Ach, mein liebes Tagebuch, ist es nicht immer wieder schön zu erfahren, wie sich Politik und niederländisch-schweizerische Unternehmen verstehen. Da wird einem doch vieles klar. 

7. November 2019

Spahn macht Dampf, er treibt die Digitalisierung im Gesundheitswesen voran wie kein anderer. Ein wichtiges Ziel hat er schon erreicht: Der Bundestag hat dem Vorhaben des Bundesgesundheitsministeriums zugestimmt: Das Digitale Versorgung Gesetz (DVG) ist schon auf der Zielgeraden und soll im Januar 2020 in Kraft treten. Für uns Apothekers wichtig: Bis Ende September 2020 müssen alle Apotheken in Deutschland an die Telematikinfrastruktur (TI) angebunden sein. Diese TI ist quasi die schnelle Datenautobahn des Gesundheitswesens, auf der künftig unter anderem E-Rezepte und E-Medikationspläne verschickt werden sollen. Mein liebes Tagebuch, schaffen wir die rechtzeitige Anbindung? Mal vorsichtig gesagt: Wohl eher nicht. An vielen Stellen hakt es noch: Die Apotheken müssen mit neuen Geräten  wie z. B. Konnektoren und Kartenlesegeräten ausgestattet werden. Da klemmt’s noch gewaltig. Die ABDA hatte sich schon für einen Aufschub bis Ende 2020 stark gemacht, ist damit aber gescheitert. Und wenn wir’s also nicht schaffen, was dann? Sanktionen sind im Gesetz für uns jedenfalls nicht vorgesehen. Aber es gibt wohl eine kräftige Watschen. Immerhin geht Spahn davon aus, dass wir ein ureigenes Interesse daran haben, so schnell wie möglich auf der Datenautobahn zu fahren. Wie schön, dass er das glaubt. Mein liebes Tagebuch, was im Digitale Versorgung Gesetz allerdings nicht geregelt wird, ist das Makelverbot für E-Rezepte, das wir unbedingt brauchen, wenn kein Wildwest beim E-Rezept entstehen soll. Ein Makelverbot steht im Apothekenstärkungsgesetz. Das aber hängt derzeit noch fest wegen der Prüfung durch die EU-Kommission. Warum hat Spahn das Makelverbot nicht ins Digitale Versorgung Gesetz ausgegliedert?


GERDA rennt. Naja, mein liebes Tagebuch, sagen wir mal, GERDA hat sich auf den Weg gemacht. GERDA ist das E-Rezept-Modellprojekt in Baden-Württemberg, an dem Landesapothekerkammer und -apothekerverband beteiligt sind. Auf einer Pressekonferenz machten Kammer und Verband öffentlichkeitswirksam auf den Start des Modellprojekts aufmerksam. Mein liebes Tagebuch, hoffentlich hat GERDA eine ausreichende Medienpräsenz – sonst glaubt die Bevölkerung womöglich noch die Werbesprüche vom Versender DocMorris, der schon auf vielen Werbetafeln mit dem E-Rezept wirbt.  Also, GERDA wird nun in Stuttgart und im Landkreis Tuttlingen erprobt. Übrigens, GERDA bedeutet „Geschützter E-Rezept-Dienst der Apotheker“ – was soviel heißt wie: gesetzlich versicherte Patienten haben die Möglichkeit, ihre digitalen Verordnungen aus der Online-Sprechstunde sicher und geschützt in einer örtlichen Apotheke ihrer Wahl einzulösen. Das Projekt wird sogar vom Sozialministerium Baden-Württemberg mit einer Million Euro gefördert. Wie bei allen digitalen Projekten klemmt’s allerdings noch ein bisschen. Bis jetzt können Patienten in den Testgebieten erst in zehn Apotheken ihre E-Rezepte einlösen: Es hakt noch bei der Software der Warenwirtschaftshäuser. Und Apotheken, die mit dem System von CGM Lauer arbeiten, sind gleich ganz außen vor, weil dieses IT-Haus ein eigenes E-Rezept-Modellprojekt aufgesetzt hat. Mein liebes Tagebuch, es ist eben wie mit allem und wie im richtigen Leben: Man kriegt nie alle unter einen Hut. 

 

DocMorris schläft nicht. Ebenfalls noch im November will auch der Versender sein E-Rezept-Projekt starten. Im Gegensatz zu den vollmundigen Aussagen auf Plakaten, mit denen DocMorris fürs E-Rezept wirbt, dürfte das Pilotprojekt des Versenders noch in bescheidenem Rahmen ablaufen: Laut DAZ.online-Informationen sind derzeit fünf Arztpraxen und zehn Patienten beteiligt.  Über die Zahl der Apotheken, die beim E-Rezept-Versuch von DocMorris mitmachen, schweigt sich der Versender aus. Mein liebes Tagebuch, also schau’n mer mal, wie das weitergeht. Letztlich wird auch DocMorris auf die Gematik-Spielregeln warten müssen.

8. November 2019

Wenn zwei Professoren streiten, hat meist jeder ein bisschen Recht. So war’s denn auch beim 7. OTC-Gipfel des Apothekerverbands Nordrhein, auf dem die Professores Dingermann und Glaeske darüber stritten, ob Arzneimitteltests wie die von Stiftung Warentest den Patienten nützen oder eher verunsichern. Dingermann machte klar: „Man kann ein Arzneimittel nicht losgelöst vom Patienten bewerten.“ Er hält grundsätzlich wenig davon, Arzneimittel als nicht oder wenig geeignet einzustufen. Er hält auch nicht viel davon, Kombinationen pauschal zu verteufeln, wie Stiftung Warentest es tut. Recht hat er. Glaeske hielt dagegen: Wenn ein Hersteller eine Indikation für sein Mittel beansprucht, müsse er die Wirksamkeit nachweisen. „Aber bei 25 bis 30 Prozent der OTC finden wir nichts“, so Glaeske. Er erwarte nicht, dass Apotheker den Patienten etwas ausreden, sondern nur, dass sie gegebenenfalls eine Warnung aussprechen. Genau. Mein liebes Tagebuch, immer wieder schön, darüber zu streiten. Wie recht doch beide haben.

 

Die Lieferengpässe bei Arzneimitteln erhöhen den Druck auf das Rabattvertragssystem der Kassen. Denn Experten gehen davon aus, dass die exklusive Ausschreibung von Arzneistoffen mit ein Grund für Lieferengpässe sein können. Wenn der exklusiv liefernde Hersteller ausfällt und aus welchen Gründen auch immer nicht liefern kann, sieht’s schlecht aus. Unionsfraktion und SPD denken daher darüber nach, exklusive Ausschreibungen künftig zu verbieten. Und die Linke will gleich ganz die Rabattverträge abschaffen. Huhu, mein liebes Tagebuch, da zittert die AOK schon: Rabattverträge sind nämlich eine Gelddruckmaschine für die Kassen. Und im AOK-System sind fast alle Ausschreibungen exklusiv. Und so sucht der AOK-Bundesverband nach Argumenten pro Exklusiv-Ausschreibung. Und die hat er schnell gefunden. Das größte Argument: Exklusivverträge haben sogar Vorteile! Ja, mein liebes Tagebuch, dass uns das noch nicht aufgefallen ist. Laut AOK können die Pharmafirmen so ihre Absatzmengen besser kalkulieren und müssen nicht mit anderen Anbietern konkurrieren. Ja, und die Patienten würden stabiler versorgt, unnötige Medikamentenwechsel würden vermieden. Und Exklusiv-Verträge wirken sich dazu noch positiv auf die Anbietervielfalt aus. Wer hätte das gedacht, mein liebes Tagebuch. Und überhaupt, mit Lieferengpässen sieht die AOK eh kein großes Problem. Tja, mein liebes Tagebuch, so bastelt sich jeder seine eigene Welt zurecht. Und die AOK glänzt mit ihren Wunschwelten ganz besonders.

9. November 2019

Mein liebes Tagebuch, es gibt sie noch, die guten Nachrichten rund um die Apotheke. Und hier ist eine: Die Bundeskanzlerin zeichnet das Program „Integration durch Qualifizierung - Apotheker für die Zukunft“ der Landesapothekerkammer Rheinland Pfalz mit dem Nationalen Integrationspreis 2019 aus. Zuständig für das Programm, das ausländische Apothekerinnen und Apotheker aus Nicht-Eu-Ländern auf die Prüfungen vorbereitet, um in deutschen Apotheken arbeiten zu können, ist die Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz gemeinsam mit dem Bildungsträger „Medici in Posterum“. Die Teilnehmenden, zum Beispiel Flüchtlinge aus Syrien, werden in diesem Programm sprachlich und fachlich auf ihre Prüfungen vorbereitet, erhalten Unterstützung bei der Arbeit in Apotheken und Einzelbetreuung durch einen Tutor (einem ehrenamtlichen Apotheker). Dieses Engagement zeichnet die Bundeskanzlerin mit dem Integrationspreis 2019 aus. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Die Verleihung wird am 11. November stattfinden. Mein liebes Tagebuch, Danke an die LAK Rheinland-Pfalz für dieses Engagement.

 

Einen „einsamen Kampf“, so berichtet es die FAZ, führt eine Apothekerin aus München. Und das schon seit über einem Jahr. Apothekerin Martina Czech ist „einem Datenmissbrauch im Gesundheitswesen auf der Spur, aber stößt auf eine Mauer des Schweigens“, schreibt die FAZ. Was steckt dahinter? Die Münchner Apothekerin hat schon seit einigen Monaten den Verdacht, dass die Software ihres Warenwirtschaftssystems von ADG, einem IT-Haus, das zum Großhändler Phoenix gehört, ungefragt Kundendaten speichert und abfragt, heißt es in dem FAZ-Artikel: „Es könnte Hunderttausende oder Millionen Patienten betreffen. Czech will wissen, was dahinter steckt. Doch sie stößt auf Widerstände.“ Sie hatte sogar schon einen Informatikprofessor mit der Prüfung der Software beauftragt, der herausfand, dass das System z. B. gescannte Rezepte mit Patientendaten an einen Abrechnungsdienstleister digital übermittelte, obwohl die Funktion dafür deaktiviert war. Czech wirft ADG vor, keinerlei Interesse an einer Aufklärung des Falls zu haben. Vorwürfe erhebt die Apothekerin auch gegen die Datenschutzbehörden in Bayern und Baden-Württemberg, die sich nicht wirklich ihres Falls annähmen. Die bayerische Behörde habe ihr geraten, das Softwarehaus zu wechseln. Wenn das so war: Eine Super-Empfehlung, mein liebes Tagebuch, ist das nicht ein starkes Stück, wie hier mit dem Datenschutz umgegangen wird? Mittlerweile haben sich die Datenschützer das Problem angesehen, aber die Aufklärung laufe nur mehr als schleppend. Der FAZ-Artikel zitiert auch Thilo Weichert, der mehr als zehn Jahre Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein war. Er sagt: „Das ganze Vorgehen der ADG ist undurchsichtig. Die Apotheken bekommen eine Software geliefert, die sie nicht verstehen können. Es passieren Dinge im Hintergrund dieser Systeme, die offenbar niemand durchschauen soll.“ Mein liebes Tagebuch, wird es da nicht endlich Zeit, dass ADG mal dazu Stellung nimmt? Gibt es da vielleicht sogar eine Art "Schummelsoftware? Und wie sieht das die zu diesem Fall schweigende ABDA? Wie wollen wir Apothekers da glaubwürdig ins E-Rezept-Zeitalter gehen, wenn solche Vorwürfe im Raum stehen? 



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Rührend und naiv

von Karl Friedrich Müller am 10.11.2019 um 15:15 Uhr

Ist es, immer noch zu denken, aus dem BMG käme irgendwas, was fair wäre.
Der Bürger ist nicht interessant, nicht die Arbeitenden im Gesundheitswesen, nicht der Kranke.
Es geht anderen im Gesundheitswesen nicht viel anders als uns oder noch schlimmer. Ausgebeutet und mit ein paar warmen Sprüchen bedacht, interessant sind Gewinne, Renditen, Umsätze, Macht und Einfluss.
Wann sagt denen jemand, was Bismarck wollte? Ein Erzkonservativer, der immerhin so weit dachte, dass ein Kranker für die Gesellschaft nichts bringt und im Alter ein Überleben möglich sein sollte.
Solche Gedanken sind heute der reine Sozialismus oder Kommunismus. Weil unsere Politiker blind sind, überhaupt keine Vorstellung mehr vom Bürger haben.
Eine der größten Errungenschaften der Demokratie wird zerstört, ein unabdingbarer Teil der sozialen Gesellschaft

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Politik

von Anita Peter am 10.11.2019 um 15:14 Uhr

Meinen Glauben an die Politik habe ich diese Woche endgültig verloren, als sich Lauterbach und Co über die hohe Belastung der Politker beschwert haben.
Es bleibt aber Gott sei Dank noch genügend Energie für x Nebenjobs, sonstige Pöstchen sowie das Schreiben von Büchern.
Mich widert die deutsche Politik nur noch an. Wenn man sich die Wahlergebnisse anschaut geht es immer mehr Menschen so.

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Kein Grund zu Optimismus

von Karl Friedrich Müller am 10.11.2019 um 11:48 Uhr

„ Wer das Rennen macht? Ganz klar derjenige, der die endgültigen Spielregeln fürs E-Rezept am besten umsetzt. Aber diese Regeln, die gibt’s von der Gematik erst Mitte 2020. Und ein Makelverbot haben wir immer noch nicht.“

1. lese ich immer wieder, dass das BMG Hauptanteileigner der Gematik ist.
2. erstellt die Gematik die Spielregeln und legt fest, wer den Zuschlag bekommt.
3. kein Makelverbot
1+2+3= stinkt erheblich nach Korruption.
Ich bin sicher, dass DocMorris den Zuschlag bekommt, weil es das BMG so will und sicherlich Infos rechtzeitig an DM fliessen werden. Dazu wird DM machen können, was es will.
Es besteht kein Grund zum Optimismus, was die Apotheken vor Ort an geht. Der Plan ist weiterhin, uns zu behindern und zu zerstören.
Wer blickt bei der Digitalisierung noch durch? Ich nicht. Das ist vielleicht kein Wunder, aber bei vier Vielzahl der Anwendungen, Apps, Platformen, Anbieter blickt bestimmt der Normalo auch nicht mehr durch. Die Digitalisierung geht an den Wünschen und Möglichkeiten der Bürger vorbei.
Da wird dann durch den Bundestag das DVG beschlossen, das mal zuerst den Datenschutz aufhebt, den Anfang für die komplette Überwachung der Bürger bietet. Daten werden kaum verschlüsselt zur „Forschung“ frei gegeben. Wer profitiert? Spahn direkt? Das BMG? Auf jeden Fall Datenkraken und Konzerne, die uns zu Opfern und Objekten machen, die es auszunehmen gilt.
Der Datenschutz existiert nicht mehr.
Die AOK ist schon ein seltsamer Verein. Keine Schuld an Lieferengpässen. Wenn man bei den Rabattpartnern gut liefernde Firmen gegen andere austauscht, deren Namen man vorher nie gehört hat und die nicht liefern können, ist man schon schuld. Die alten haben Lager und Produktion reduziert. Die Neuen können nicht.
Da macht es schon Sinn, auf die einzuprügeln, die noch erhebliche Energien investieren (müssen), damit die Kunden versorgt werden. Mit Versand und Automaten wäre das Ganze schon zusammengebrochen. Wäre evtl. ganz gut, dann gingen die Leute mal auf die Barrikaden.
Aus Missachtung oder Verachtung hat der Bundestag unsere Frist zur Anbindung an die TI nicht verlängert. Unser schlafender Verein der Schweiger hätte da auch ein wenig früher reagieren können. Die Ärzte sind schon dran gewesen. Da ist es keine Überraschung, dass wir auch mal müssen...
Viele Ärzte verweigern die Anbindung, aus Datenschutz. So.
Ich wäre auch für ein mehr analoges Leben. Wir sind Spielball fremder Interessen, weder Regierung noch Bundestag verhindern das. Das ist ein Bruch ihrer Aufgaben und des Eids. Diese Leute können zurücktreten, wie die ABDA, und dürften nie wieder kandidieren oder ein öffentliches Amt bekleiden.
Ich sehe vor allem Unehrlichkeit und Korruption, wobei es Spahn ganz ungeniert auf die Spitze treibt. Er verbirgt es nicht mal. Und trotzdem verschließen alle die Augen.
Wie gesagt. Es gibt keinen Grund für Optimismus. Der Zug ist Richtung Versand abgefahren, die Weichen gestellt. Von Spahn. Und desinteressierten Abgeordneten und naiver ABDA.

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Es wird Zeit…

von Gunnar Müller, Detmold am 10.11.2019 um 9:14 Uhr

... dass die Apothekerschaft nicht länger wie der Hase den Igeln hinterher läuft!
Viele unserer „langjährig bewährten“ Spitzen haben den Berufsstand Stück für Stück abgewirtschaftet.
Die Zeit ist reif für einen Wechsel!

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