- DAZ.online
- News
- Politik
- Spahn lässt Aufgabe der ...
Neues Apotheken-Gutachten
Spahn lässt Aufgabe der Rx-Preisbindung erforschen
Mit dem Apotheken-Stärkungsgesetz will die Bundesregierung Rx-Boni eigentlich verbieten – zumindest für den GKV-Bereich. Doch was aus dem Gesetz wird, ist unklar, da die EU-Kommission das Vorhaben derzeit prüft. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sucht derweil schon nach deregulierenden Alternativen: Nach Informationen von DAZ.online hat das Bundesgesundheitsministerium das IGES Institut damit beauftragt, die Auswirkungen einer (partiellen) Aufhebung der Rx-Preisbindung zu analysieren. Die Standesvertretung der Apotheker ist offenbar nicht eingebunden. Die Kosten des Gutachtens sollen bei etwa 140.000 Euro liegen.
Als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seine neue Aufgabe im Bundesgesundheitsministerium (BMG) antrat, waren die Apotheker gespannt, wie er mit der wichtigsten Frage im Apothekenmarkt umgehen würde: dem Versandhandelskonflikt. Im Koalitionsvertrag ist eigentlich das Rx-Versandverbot festgehalten, doch Spahn ließ schnell durchblicken, dass er das Verbot für nicht umsetzbar hält. Es folgte ein erster Plan des Ministers, mit dem die Rx-Preisbindung teilweise aufgehoben werden sollte. Sowohl Apotheker als auch Versender sollten maximal 2,50 Euro auf Rezepte gewähren dürfen. Doch mit diesem Plan stieß Spahn auf heftigen Widerstand – nicht nur bei den Apothekern, sondern auch in seiner eigenen Fraktion.
Und so kam es, dass das BMG die Richtung wechselte. Laut dem aktuellen Gesetzentwurf sollen Rx-Boni für den GKV-Bereich komplett verboten werden. Das Vorhaben wird aber insbesondere in der SPD weiterhin kritisch gesehen, es gibt europarechtliche Bedenken. Spahn wurde daher gebeten, seinen Plan zunächst mit der EU-Kommission abzustimmen, wo der Gesetzentwurf nun nach wie vor liegt – mit offenem Ausgang.
BMG: Partielle und komplette Aufgabe der Rx-Preisbindung wird erforscht
Nun wird allerdings klar, dass das Ministerium von Jens Spahn schon für den Fall plant, dass die EU-Kommission das Rx-Boni-Verbot für den GKV-Bereich nicht akzeptieren wird. Denn nach Informationen von DAZ.online hat das BMG vor einigen Wochen schon das IGES Institut damit beauftragt, ein ökonomisches Gutachten zum Apothekenmarkt zu erstellen. Dem Vernehmen nach will das Ministerium ausloten, wie sich eine Deregulierung der Rx-Preisbindung auf den Apothekenmarkt auswirken würde. Ein Sprecher des BMG bestätigte gegenüber DAZ.online:
Das Bundesministerium für Gesundheit hat im November 2019 das IGES Institut in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung mit der Erstellung eines ökonomischen Gutachtens zum Apothekenmarkt beauftragt. Das Gutachten befasst sich mit den möglichen Auswirkungen einer partiellen oder vollständigen Aufgabe der Preisbindung bzw. der Gewährung von Boni bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.“
Genauere Details zu den Inhalten der Analyse gab das Ministerium nicht bekannt. Eine Anfrage von DAZ.online beim IGES Institut blieb bislang unbeantwortet. Dem BMG-Sprecher zufolge werden die Ergebnisse des neuen Apotheken-Gutachtens schon Mitte dieses Jahres erwartet.
Warum ein zweites Gutachten?
Dass das BMG nun ein weiteres Gutachten in Auftrag gibt, überrascht auch, weil es in der Bundesregierung schon ein einigermaßen aktuelles Gutachten gibt. Dieses hatte der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Auftrag gegeben, um die wirtschaftliche Situation der Apotheken zu verstehen – mit Blick auf eventuelle Umstrukturierungen des Apothekenhonorars. Seit Ende 2017 ist das Gutachten öffentlich, wurde aber bislang in keine Gesetzgebung eingebunden. Die Analyse enthält allerdings nicht nur Aussagen zum Apotheken-Honorar, sondern äußert sich auch deutlich zum Versandhandelskonflikt und zur Rx-Preisbindung.
Mehr zum Thema
Apothekenvergütung
Wirtschaftsministerium veröffentlicht Honorar-Gutachten
In dem Kapitel des BMWI-Gutachtens, das sich dem Rx-Versandhandel widmet, beschweren sich die Agentur-Mitarbeiter insbesondere darüber, dass in der Diskussion um das Rx-Versandverbot und rund um die Auswirkungen des EuGH-Urteils zur Rx-Preisbindung die Ausgangslage vor dem Urteil vergessen werde. Denn vielen Apotheken sei es schon davor wirtschaftlich sehr schlecht gegangen. Welche Standorte das sind, sei nur schwer zu bewerten. Und eine pauschale Finanzierung wirtschaftlich gefährdeter Apotheken sei „nicht zulässig“. Und so kamen die BMWi-Gutachter zu dem Schluss:
Die wirtschaftliche Lage der Vor-Ort-Apotheken ist bereits mit Stand 2015 für 47 Prozent aller Apotheken-Unternehmen als schlecht anzusehen. Der europäische Versandhandel kann daher rein zeitlich nicht für die wirtschaftlich schwierige Lage vieler Apotheken verantwortlich gemacht werden. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten betreffen insbesondere städtische Kreise (5200 von 7600 Apotheken) und stehen damit nicht in direktem Zusammenhang mit einer flächendeckenden Versorgung. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind vor diesem Hintergrund weder durch das Verbot des Versandhandels noch durch die allgemeine Vergütung über die AMPreisV zu beheben.“
Etwas mehr als 450.000 Euro hatte das Bundeswirtschaftsministerium erst vor wenigen Jahren für dieses ausführliche Gutachten zum Apothekenmarkt ausgegeben. Das BMWi hatte Ende 2017 noch erklärt, dass die nächste Bundesregierung die Analyse nutzen werde – und trotzdem sieht das BMG nun erneut den Bedarf, eine Analyse zu erstellen. Die knappe Begründung eines Sprechers: „Bei diesem Gutachten wird eine andere Fragestellung betrachtet als bei dem bereits erstellten Gutachten des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.“
Apotheker nicht eingebunden in Datenerhebung
Und so bleibt eine weitere spannende Frage: Auf welcher Datenbasis errechnet das IGES Institut die Auswirkungen einer Deregulierung? Die Agentur 2HM hatte hierfür selbst Apotheken befragt, weil man eine von den Apothekern unabhängige Datenbasis erstellen wollte. Doch nach Informationen von DAZ.online ist die Apothekerschaft in die Erstellung dieses neuen Gutachtens nicht eingebunden. Ein BMG-Sprecher dazu: „Grundlage für das Gutachten sind insbesondere frei zugängliche statistische Daten.“ Weil die Apotheker die Datenerhebung der BMWi-Gutachter heftig kritisiert hatten, gab die ABDA selbst ein eigenes Datenpanel in Auftrag – um gegenüber der Politik die wirtschaftliche Situation der Apotheken besser beschreiben zu können. Da es schon bald zwei Gutachten der Bundesregierung zum Apothekenmarkt geben wird, dürfte das ABDA-Datenpanel allerdings dramatisch an Bedeutung verlieren.
8 Kommentare
warum
von pi mal x am 12.01.2020 um 11:44 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Jens Spahns Black Years als „möglichen Auswirkungen“ ...
von Christian Timme am 09.01.2020 um 6:07 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Jens Spahns Black Years als „mö
von pi mal x am 12.01.2020 um 11:49 Uhr
Aufgabe
von Roland Mückschel am 08.01.2020 um 12:09 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Aufgabe
von Conny am 08.01.2020 um 13:38 Uhr
Abda einbinden
von Conny am 08.01.2020 um 10:49 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Toll!
von Christiane Patzelt am 08.01.2020 um 10:42 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
2. Gutachten
von Dr. Radman am 08.01.2020 um 10:37 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.