Gewissensfreiheit von Apothekern

Apotheker durfte Abgabe der „Pille danach“ verweigern

Berlin - 16.01.2020, 17:50 Uhr

Andreas K. vor seiner früheren Apotheke in Neukölln. Heute werden in den Räumen Secondhand-Kleidung und allerlei schöne Dinge verkauft. (c / Foto: ADF international)  

Andreas K. vor seiner früheren Apotheke in Neukölln. Heute werden in den Räumen Secondhand-Kleidung und allerlei schöne Dinge verkauft. (c / Foto: ADF international)  


Wer einst in der Undine-Apotheke in Berlin-Neukölln die „Pille danach“ kaufen wollte, lief auf: Der Apothekenbetreiber und gläubige Katholik Andreas K. verweigerte die Abgabe aus Gewissensgründen. Die Apothekerkammer Berlin hielt dies für unzulässig und leitete ein berufsrechtliches Verfahren gegen ihn ein. Nun vermeldet die Menschenrechtsorganisation ADF international einen juristischen Erfolg für den Pharmazeuten, der seine Apotheke mittlerweile aufgegeben hat.

Seit September 2018 ist die Undine-Apotheke im Berliner Bezirk Neukölln, an der Grenze zu Kreuzberg, geschlossen. Obwohl der einstige Betreiber Andreas K. noch nicht im Rentenalter ist, hatte er genug von der Offizin, von 60-Stunden-Wochen und der immer drückenderen Bürokratie.

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Bekanntheit erlangte K. über Berlin hinaus, weil er bereits im Eingangsbereich seiner Apotheke auf einem Zettel bekanntmachte, dass er keine „Pille danach“ abgibt. Der gläubige Katholik und glühende Hertha-Fan – beide Leidenschaften waren in seiner Offizin und im Schaufenster unübersehbar – hat feste Überzeugungen, was das Leben und seine Entstehung betrifft: Für ihn beginnt das Leben mit der Empfängnis – und es verdient ohne Wenn und Aber absoluten Schutz. Sein Gewissen erlaubte es ihm daher nicht, die „Pille danach“ abzugeben. Angesichts der Tatsache, dass sein Kiez nicht an Apotheken-Unterversorgung leidet, war das rein praktisch sicherlich zu verkraften: Wer wirklich die „Pille danach“ wollte, dürfte keine großen Probleme gehabt haben, sie anderweitig zu beschaffen.

Auch sonstige Verhütungsmittel gab es in der Undine-Apotheke nicht ohne persönlichen „Beipackzettel“. Darin warb K. für einen verantwortungsvollen Umgang mit Verhütungsmitteln und betonte, dass Kinder das Leben bereichern.

Mit dieser Haltung hat K. auch den Unmut von AktivistInnen auf sich gezogen: Anschläge auf seine Apotheke, bei denen Fensterscheiben zu Bruch gingen oder Farbbeutel geworfen wurden, gab es immer wieder.   

Die Berliner Apothekerkammer kritisierte sein Vorgehen zwar, hielt aber lange die Füße still. Dann kam es doch zu einer berufsrechtlichen Klage. Dem Apotheker wurde vorgeworfen, in vier Fällen „entgegen bestehender Verpflichtung die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung nicht gewährt und damit der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes nicht gedient zu haben“. Zudem soll er ohne gesetzliche Grundlage personenbezogene Daten zweckwidrig verwendet haben.

Neben der Abgabeverweigerung der „Pille danach“ wurde dem Apotheker vorgeworfen, er habe in diesem Zusammenhang unaufgefordert „Zettel mit religiös und weltanschaulich motiviertem Inhalt“ gegen die Anwendung der ärztlich verordneten Arzneimittel zugesteckt. Einmal habe er auch die auf dem Rezept aufgedruckte Adresse einer Patientin „missbraucht, um der Patientin den Zettel nach Hause hinterherzuschicken“. Die Kammer sah darin diverse Verstöße gegen berufs- und apothekenrechtliche Normen  – und beantragte bei Gericht, gegen den Pharmazeuten einen Verweis auszusprechen.

Nur eine Warnung – wegen eines Datenschutz-Verstoßes

Am Ende verhängte das Berufsgericht aber nur eine „Warnung“ für den Apotheker – die mildeste aller im Berufsrecht vorgesehenen Sanktionen. Und die bezog sich lediglich auf den an eine Patientin geschickten Brief – hier habe er gegen das Datenschutzgesetz verstoßen, weil die Betroffene nicht in die Nutzung ihrer Daten eingewilligt hatte. Nur dies werteten die Richter als vorwerfbare Berufspflichtverletzung. Dass dieses Vorgehen nicht korrekt war, sah auch der beschuldigte Apotheker ein.

Im Inhalt des Briefes konnten die Richter hingegen keine Berufsrechtsverletzung sehen. Darin erläuterte der Apotheker, dass der Wirkmechanismus der „Pille danach“ nicht vollständig geklärt sei und nannte überdies Kontaktdaten für eine Beratung. Das Gericht verweist auf § 16 Abs. 2 Satz 1 Berliner Kammergesetz – diese Norm stehe einer berufsrechtlichen Maßnahme entgegen. Dieser besagt:


Wissenschaftliche, religiöse, künstlerische oder politische Ansichten oder Handlungen können nicht Gegenstand eines berufsgerichtlichen Verfahrens sein.“

§ 16 Abs. 2 Satz 1 Berliner Kammergesetz (2016)


Daraus schließt das Gericht, dass ihm Zurückhaltung auferlegt ist. Es kommt zu dem Ergebnis, dass die Hinweiszettel eine „bloße Lästigkeit“ seien. Die Betroffenen hätten sich ihr leicht entziehen können, indem sie die Apotheke verlassen und den Zettel nicht annehmen oder entsorgen. Auch die Nicht-Abgabe der „Pille danach“ sei keine vorsätzliche Berufspflichtverletzung. Dafür müsste eine „Schuld“ des Apothekers erwiesen sein. Eine eindeutige Rechtslage gebe es zur Frage, ob sich ein Apotheker auf seine Gewissensfreiheit berufen könne, nicht. Auch nicht im Hinblick auf die Frage, ob Gewissensgründe den Kontrahierungszwang, der Apotheken ja eigentlich obliegt, durchbrechen können. „Eine Lösung kann sich verfassungskonform nur durch eine Abwägung der betroffenen Grundrechte im Einzelfall ergeben“, heißt es im Urteil. Und im vorliegenden Einzelfall geht diese zugunsten des Apothekers aus. Dabei verweist es unter anderem auch darauf, dass es in Berlin ausreichend Apotheken gibt, zu denen die Kundinnen ausweichen konnten.

ADF international: Erste Entscheidung dieser Art

Andreas K. erhielt in seinem Prozess Unterstützung von ADF international – laut Webseite eine „weltweit tätige Menschenrechtsorganisation, die sich für die Freiheit und Würde aller Menschen einsetzt“ und „kostenlosen Rechtsbeistand zum Schutz und zur Förderung der Glaubensfreiheit, des Lebensrechtes, der Familienrechte sowie der Meinungs- und Redefreiheit“ bietet.

Die Organisation betont in einer Pressemitteilung, dass zum ersten Mal ein deutsches Gericht das Recht eines Apothekers bestätigt habe, im Beruf nach seinem Gewissen zu handeln. Felix Böllmann, Rechtsberater von ADF International, sagt: „Niemand sollte gezwungen werden, zwischen Gewissen und Beruf entscheiden zu müssen. In den nationalen Gesetzen sind die Gewissensrechte von Apothekern oftmals und manchmal auch absichtlich nicht definiert. Trotzdem ist das Recht, nach seinem Gewissen zu handeln, ein Grundrecht und wie in jedem Beruf sollten auch Apotheker darin geschützt werden. Jeder Bereich im Leben wird durch tiefe persönliche Überzeugungen beeinflusst. Diese können nicht einfach in einer professionellen Umgebung abgelegt werden“.  Das Berliner Berufsgericht habe nun anerkannt, dass der Apotheker nicht gegen das Gesetz verstoßen habe und nicht dazu gezwungen werden dürfe, gegen seine persönlichen Überzeugungen zu handeln.

In der Meldung von ADF international heißt es weiter, dass medizinisches Personal in ganz Europa gesetzlich davor geschützt werde gegen sein Gewissen handeln zu müssen. „Apotheker befinden sich allerdings in einer rechtlichen Grauzone, wenn es um den Schutz ebendieser Gewissensrechte geht“. Für Böllmann ist die Berliner Entscheidung daher ein „positives und ermutigendes Urteil“. „Eine freie Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass ihre Bürger gewissenhaft handeln, wie es in diesem Fall der Apotheker tat”, so der Jurist.

Kammer geht in die nächste Instanz

Rechtskräftig ist das Urteil allerdings nicht. Die Apothekerkammer Berlin hat Berufung eingelegt, über die das des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg entscheiden wird.

Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 26. November 2019, AZ.: VG 90 K 13.18 T



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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7 Kommentare

Gewissensfreiheit

von V. M. S. am 23.01.2020 um 12:16 Uhr

Das Recht auf Leben geht immer vor und das Recht auf Gewissensfreiheit sollte im gesunden Maße auch für Apotheker gelten. Die Medizin soll der Gesundheit und dem Wohl der Menschen dienen, so doch auch dem Leben, und nicht gerade ihm entgegenwirken! Die Pille danach ist doch in diesem Sinne nicht etwas, was die Person vor einer Krankheit/einem Leiden bewahren soll oder das Leiden mindern soll - es sei denn man versteht das entstandene Leben als solches. Und ein Kind wie eine Krankheit zu betrachten, die man beseitigen muss... ich weiß nicht, wie ich so eine Einstellung bezeichnen soll... Außerdem sind sich die meisten Leute, die die Pille nehmen (meistens wirklich junge Frauen) gar nicht der negativen Konsequenzen bewusst, sowohl psychisch als auch physisch. Meiner Meinung nach sollte hier vielmehr auch eine Pflicht für die Apotheker gelten, die Kundinnen" (von Patientinnen will und kann ich hier nicht sprechen!) auch vor den negativen, oft bis zum Lebensende anhaltenden Auswirkungen zu warnen!

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Sehr gut! :-) :-) :-)

von Mareike am 22.01.2020 um 18:06 Uhr

Ich finde die Entscheidung des Gerichtes auch sehr gut und akzeptabel! Das Gewissen des Einzelnen gehört unbedingt geschützt!

Wer kann über ungeborenes Leben in der Apotheke entscheiden?!

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Respekt für die Entscheidung des Gerichts

von E. Geitner am 19.01.2020 um 23:32 Uhr

Großen Respekt empfinde ich für die Entscheidung des Gerichts, weil es die Würde und Gewissensfreiheit des Angeklagten achtet.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Pille danach

von Antje Bauer am 18.01.2020 um 16:15 Uhr

Finde es sehr schlimm, sollen Frauen wieder heimlich abtreiben???
Am besten diese Apotheke nie wieder betreten.
In welchem Land leben wir eigentlich noch?

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AW: Pille danach

von Mareike am 22.01.2020 um 18:17 Uhr

Die "Pille danach" wirkt sicher auch nidationshemmend.
Warum wirkt sie sonst zu 90% und höher?!
Dadurch ist sie abtreibend.
Das Risiko einer Abtreibung wird durch den Anwender, der sich in einer wichtigen Frage damit auseinandersetzen sollte (und es ist sicherlich eine ethische Frage!), bewusst in Kauf genommen.

Die Pharmaindustrie wirbt bewusst einseitig und irreführend mit der Hauptwirkung Eisprungverschiebung.

Das Leben beginnt bei der Befruchtung. Dort wird die einmalige Seele eines jeden Menschen eingehauch vor der Nidationt!!! Damit ist eine nicht durch die Natur verursachte Nidation vorsätzliche Tötung des Menschen.

AW: Pille danach

von Andreas am 24.01.2020 um 16:36 Uhr

@Mareike: Wenn die Seele bei der Befruchtung «eingehaucht» wird, was passiert dann mit den Seelen der ca. 30% Spontanaborten während des ersten Trimesters?

Was hat sich der Seeleneinhaucher bei diesen Fällen gedacht?

AW: Pille danach

von Friedrich am 24.01.2020 um 19:39 Uhr

@Andreas

Unterstellt, Sie haben Ihre Fragen nicht rein rhetorisch gestellt, sondern sind vielmehr an einer ernsthaften Beantwortung interessiert, versuche ich, eine Antwort zu geben.

Jede menschliche Seele ist unsterblich, also vom biologischen Vorgang des Spontabort unbeeinträchtigt. Eine kirchliche Lehre über das Schicksal ungeborener Seelen kenne ich nicht, ich denke, dass diese Seelen bei ihrem Schöpfer geborgen sind (Psalm 139:13-16).

Zu Ihrer zweiten Frage: der Dreieinige Gott hat sich im Hinblick auf Spontanaborte nichts "gedacht" und damit meine ich: es ist nicht Gottes Wille, dass es Spontanaborte gibt. Spontanaborte sind wie alle anderen die Entstehung eines Menschen im Mutterleib verhindernden Vorgänge auch nicht nach Gottes Willen (vgl. wiederum Psalm 139). Dass es dennoch dazu kommt, ist die Konsequenz des menschlichen Sündenfalls.
Es mag Sie von der Warte des kritischen Rationalismus (ich gehe davon aus, dass Sie dieser Weltanschauung folgen) intellektuell nicht befriedigen, dass der Sündenfall als Antwort herhalten soll. Gleichwohl ist es schlichtweg eine Tatsache, dass kein Mensch (außer Jesus Christus) jemals das Doppelgebot der Liebe (du sollst Gott lieben mit ganzen Herzen, mit ganzer Kraft und aller deiner Vernunft und deinen Nächsten wie dich selbst) jemals vollständig erfüllt hätte. Jeder, der sich in dieses Doppelgebot vertieft und mit dem Ist-Zustand dieser Welt vergleicht, kommt nicht darum herum, die Gefallenheit des Menschen in Sünde zu erkennen.
Und das wünsche ich nicht nur Ihnen, sondern auch mir.

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