Gleichpreisigkeit

ABDA setzt nach BGH-Entscheidungen weiter auf Spahns Apothekenreform

Berlin - 21.02.2020, 17:15 Uhr

Die Apothekenstrukturen in Deutschland bekommen Risse - die Gleichpreisigkeit muss endlich wiederhergestellt werden. Das fordert auch die ABDA unter dem Eindruck der jüngsten BGH-Urteile. ( r / Foto: imago images / Rolf Kremming)

Die Apothekenstrukturen in Deutschland bekommen Risse - die Gleichpreisigkeit muss endlich wiederhergestellt werden. Das fordert auch die ABDA unter dem Eindruck der jüngsten BGH-Urteile. ( r / Foto: imago images / Rolf Kremming)


Auch die ABDA sieht nach den gestern am Bundesgerichtshof gefallenen Entscheidungen zu Werbemaßnahmen von zwei großen EU-Arzneimittelversendern „gesetzgeberischen Handlungsbedarf“. Doch während die Apothekerkammer Nordrhein meint, dass der derzeit vom Bundesgesundheitsministerium präferierte Weg nicht zielführend ist, appelliert die ABDA an die Bundesregierung, schnellstmöglich das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz in den Bundestag einzubringen.

Am gestrigen Donnerstag standen am Bundesgerichtshof (BGH) zwei wichtige Entscheidungen an. Es ging um zwei wettbewerbsrechtliche Verfahren, die die Apothekerkammer Nordrhein gegen DocMorris sowie die Europa Apotheek – mittlerweile Shop Apotheke – führt. Beide stehen unter dem Eindruck des im Oktober 2016 ergangenen Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur Rx-Preisbindung.

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Im Fall des DocMorris-Gewinnspiels, bei dem ein E-Bike als Gewinn ausgelobt und die Einreichung eines Rezepts Teilnahmevoraussetzung war, traf der Bundesgerichtshof allerdings noch keine endgültige Entscheidung – vielmehr rief er zunächst den Europäischen Gerichthof an, um zu klären, wie die deutschen heilmittelwerberechtlichen Zugabeverbote im Lichte des Europarechts auszulegen sind. Auf derartige Fragen war der EuGH im Oktober 2016 nämlich gar nicht eingegangen.

Ein Urteil, wenn auch noch ohne schriftliche Gründe, fiel hingegen im Fall der Boni-Angebote der Europa Apotheek an Privatversicherte. Hier bestätigte der Bundesgerichtshof die Vorinstanz, die diese Boni-Variante für zulässig befunden hatte. Anders als im Fall, den das Oberlandesgericht Naumburg im vergangenen Jahr entschieden hatte, handelt es sich hier nicht um einen Barrabatt, der den unmittelbar vom Patienten zu zahlenden Preis mindert, den er sich später von seiner Versicherung erstatten lässt. Vielmehr erhält der Patient im BGH-Fall einen Bonus, der erst später beim Kauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel verrechnet wird. Hierdurch werde der Kaufpreis des verordneten Arzneimittels und damit der Erstattungsanspruch des Kunden gegenüber seiner Versicherung nicht gemindert, argumentierte das Oberlandesgericht Stuttgart in der Vorinstanz. Der Kunde müsse daher auch nicht seine Versicherung über den Bonus informieren.

Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz muss schnellstmöglich in den Bundestag

Für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) muss dies ein Dämpfer sein. Er plant derzeit lediglich, die Gleichpreisigkeit im GKV-Bereich wiederherzustellen, geht aber offenbar davon aus, dass auch im PKV-Bereich kein Boni-Wildwuchs möglich ist. Die klagende Apothekerkammer Nordrhein hatte daher gleich gestern deutlich gemacht, dass die Entscheidungen ein „unmissverständlicher Appell“ an den Bundesgesundheitsminister sind. Zusammen mit ihrem Prozessvertreter Dr. Morton Douglas betonte sie, das durch die Zulassung des Rx-Versandhandels geschaffene Problem müsse nun entschieden angegangen werden – allerdings werde der „im Moment vom BMG präferierte Weg sein Ziel nicht erreichen“. Aus Sicht der Kammer kann allein ein Rx-Versandverbot die nunmehr drohenden Verwerfungen auf dem Apothekenmarkt nachhaltig lösen.

Und was meint die ABDA dazu? Auf Nachfrage von DAZ.online erklärte ein Sprecher:


Auch wenn die Urteilsgründe noch nicht vorliegen, verdeutlichen beide Entscheidungen den gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Die Gleichpreisigkeit bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist für die Apotheken einer der wichtigsten ordnungspolitischen Säulen und muss deshalb dringend wieder in Kraft gesetzt und gestärkt werden. Die Bundesregierung muss den Kabinettsentwurf zum Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz schnellstmöglich in den Bundestag einbringen“.

ABDA-Sprecher


Vom Rx-Versandverbot spricht die ABDA bekanntlich nicht. Sie verfolgt weiterhin das Ziel, die Gleichpreisigkeit für GKV und PKV dadurch zu erreichen, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet, die bislang noch im Arzneimittelgesetz vorgesehene Rx-Preisbindung für EU-Versender (§ 78 Abs. 1 Satz 4) zu streichen. Genau das sieht der Regierungsentwurf für das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz allerdings vor.

Im Bundesgesundheitsministerium will man sich übrigens noch nicht zu den Entscheidungen des BGH äußern. „Wir warten die Urteilsbegründung ab“, sagte eine Sprecherin.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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4 Kommentare

Verspielt

von J.M.L. am 23.02.2020 um 8:49 Uhr

Selbst wenn COVID-19 eingedämmt werden kann, so sieht man, wie wichtig es ist, eine starke Versorgung vor Ort zu haben. Acht norditalienische Städte unter Quarantäne, eine Versorgung in Pandemiefällen ist nur durch ausreichend Vor-Ort-Apotheken möglich. Alleine hieran sieht man schon, wie kurzsichtig hier seitens Spahn+ABDA gedacht und gehandelt wird. Dieses Thema muß gerade jetzt aufgrund der COVID-19-Aktualität dringlichst in die Talkrunden und auf die Titelseiten der Tagespresse. Die ABDA und Hr. Spahn haben mein Vertrauen längt verspielt, es müssen wieder vernüftig denkende Personen und Institutionen unser Land regieren, die gravierenden Fehler der Vergangenheit werfen inzwischen ohnehin ihre Schatten voraus und die chinesische Nichtverfügbarkeits-Welle rollt heran, weitere gravierende Fehler werden gerade gemacht. Armes Deutschland.

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Unheilvoller Pakt

von Gunnar Ott am 22.02.2020 um 12:35 Uhr

Was da hinter hinter den Kulissen zwischen der ABDA und Spahn abgesprochen wurde, verheißt nichts Gutes! Die ABDA hat jedenfalls komplett den Blick für die Realität verloren, und handelt naiv und kontraproduktiv. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr!

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.

von Anita Peter am 22.02.2020 um 6:46 Uhr

Also entweder bei der ABDA sind alle völlig sediert oder sie stehen auf dem Lohnzettel der ausländischen Versender.

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AW: .sediert

von Karl Friedrich Müller am 22.02.2020 um 7:45 Uhr

Die ABDA agiert offen gegen die Apotheken vor Ort. Das ist keine Sedierung.
Die Gründe dafür würden mich brennend interessieren. Mit Vernunft hat das nichts mehr zu tun

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