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Studie an Kindern aus Bergamo
Atypisches Kawasaki-Syndrom und COVID-19: Zusammenhang wird wahrscheinlicher
Weltweit gibt es Berichte über ein Kawasaki-ähnliches Syndrom bei Kindern im zeitlichen Zusammenhang mit einer Corona-Infektion. Nun liefert eine Studie aus Bergamo, dem Zentrum der Pandemie in Italien, weitere Hinweise. Wie Ärzte in „The Lancet“ berichten, könnte tatsächlich eine Verbindung zu COVID-19 bestehen. Die Mediziner betonen aber, dass nur ein geringer Anteil jüngerer Patienten betroffen ist.
In der Regel verläuft eine Corona-Infektion bei Kindern eher mild. Doch in einigen wenigen Fällen kann die Erkrankung anscheinend zu Symptomen führen, die an das Kawasaki-Syndrom, eine seltene Kinderkrankheit, erinnern. Dieses Syndrom führt zu einer Überreaktion des Immunsystems, die vermutlich durch Bakterien oder Viren ausgelöst wird.
Dass auch das Corona-Virus eine derartige Überreaktion bewirken kann, ist von Erwachsenen bereits bekannt (Stichwort „Zytokinsturm“). Eine direkte Verbindung zwischen dem Kawasaki-ähnlichen Syndrom bei Kindern und COVID-19 wurde aber noch nicht belegt. Allerdings gibt es mittlerweile Berichte aus mehreren Ländern über Kinder, bei denen entzündete Blutgefäße, Hautausschläge und Fieber auftreten.
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Ärzte aus dem „Papa Giovanni XXIII“-Krankenhaus in Bergamo haben nun die Fälle von Kindern, die zwischen dem 18. Februar und dem 20. April derartige Krankheitsmerkmale zeigten, mit Kawasaki-Fällen in der Region aus den fünf Jahren vor Beginn der Pandemie verglichen. Insgesamt gab es demnach zwischen Januar 2015 und Mitte Februar dieses Jahres 19 Fälle von Kawasaki. In den zwei Monaten seither wurden bereits zehn Kinder mit Kawasaki-ähnlichen Symptomen behandelt, was den Studienautoren zufolge einer 30-fachen Zunahme entspricht – wobei die Mediziner selbst darauf hinweisen, dass es schwierig sei, auf Grundlage solch geringer Zahlen valide Schlussfolgerungen zu ziehen.
Betroffene Kinder scheinen älter zu sein
Acht der zehn Kinder, die nach dem 18. Februar ins Krankenhaus gebracht wurden, wurden in einem Antikörpertest positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Alle Kinder in der Studie überlebten. Doch diejenigen, die während der Pandemie erkrankten, zeigten schwerwiegendere Symptome als jene aus den fünf Jahren zuvor. So kam es bei sechs der Kinder zu Herzkomplikationen (vs. 2 von 19), fünf hatten Anzeichen eines toxischen Schocksyndroms (vs. 0 von 19). Zudem mussten mehr von ihnen mit Steroiden behandelt werden als in der Gruppe vor Ausbruch der Pandemie (8 von 10 vs. 4 von 19). Ein weiterer Unterschied: Die Kinder, die während der Corona-Welle erkrankten, waren im Durchschnitt älter als diejenigen, bei denen zuvor Kawasaki diagnostiziert wurde (zwischen 3 bis 16 Jahre; im Mittel 7,5 Jahre vs. im Mittel 3,0 Jahre). Aufgrund dieser und weiterer Unterschiede plädieren die Autoren dafür, die Entzündungserkrankung als „Kawaski-ähnliches Syndrom“ zu klassifizieren.
Deutschland etabliert Meldesystem für Verdachtsfälle
Tatsächlich zeige die italienische Studie ebenso wie eine ähnliche Zusammenfassung aus Großbritannien unterschiedliche Verläufe, die nur zu einem Teil einem typischen Kawasaki-Syndrom entsprächen, häufig aber ein sogenanntes atypischen Kawasaki-Syndrom darstellten, betont Johannes Hübner, stellvertretender Leiter der Kinderklinik an der Uni München, in einer unabhängigen Einordnung. „Ein atypisches Kawasaki-Syndrom zeigt einige sehr unspezifische Symptome, die wir bei vielen Virusinfektionen beobachten, wie beispielsweise Fieber und einen Hautausschlag.“ Zudem sei der Zusammenhang mit COVID-19 bei einigen der berichteten Fälle unklar oder nicht gesichert.
„Aus Deutschland haben wir bisher von keinen derartigen Häufungen von Fällen gehört“, fasst Hübner zusammen, der auch Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) ist. Die DGPI sei gerade dabei, ein Meldesystem für Verdachtsfälle zu etablieren und werde die Situation aufmerksam beobachten. „Im Moment ist die Situation in Deutschland aber sicher nicht beunruhigend“, so der Mediziner.
Der Berliner Virologe Christian Drosten machte am Donnerstag im NDR-Podcast deutlich, dass er keinen Grund zu Alarmismus sieht. Es handle sich um ein seltenes Phänomen, über das die internationale Kinderheilkunde nun beginne zu diskutieren. Drosten verwies auch auf die gute Behandelbarkeit.
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Auch Russell Viner, Präsident des britischen Royal College für Kinderheilkunde und Kindergesundheit, beruhigt: „Obwohl der Artikel ein mögliches neu auftretendes entzündliches Syndrom im Zusammenhang mit COVID-19 vorschlägt, ist es wichtig – sowohl für Eltern als auch für Beschäftigte im Gesundheitswesen – erneut zu betonen, dass Kinder insgesamt nur minimal von der SARS-CoV-2-Infektion betroffen sind.“
Das Verständnis des Phänomens bei Kindern könne indes wichtige Informationen über Immunantworten auf SARS-CoV-2 liefern, die für Erwachsene und Kinder relevant sein könnten, so Viner. „Insbesondere, wenn es sich um ein durch Antikörper vermitteltes Phänomen handelt, kann dies Auswirkungen auf Impfstoffstudien haben und auch erklären, warum einige Kinder schwer an COVID-19 erkranken, während die Mehrheit nicht betroffen oder asymptomatisch ist.“
1 Kommentar
Und ich dachte immer, Kawasaki wäre ein Moped!
von Peter am 15.05.2020 um 19:27 Uhr
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