Sterbehilfe

BAK: Apotheker sind keine Suizid-Berater

Berlin - 08.07.2020, 17:55 Uhr

 Die BAK lehnt Natrium-Pentobarbital als Mittel zur staatlich regulierten Selbststötung ab. (m / imago images / sepp spiegl)

 Die BAK lehnt Natrium-Pentobarbital als Mittel zur staatlich regulierten Selbststötung ab. (m / imago images / sepp spiegl)


Ende Februar hat das Bundesverfassungsgericht das Sterbehilfeverbot für verfassungswidrig befunden. Nun will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine Regulierung finden, die sich mit dem Grundgesetz verträgt. Denn einen freien Markt für Sterbehelfer will man hierzulande keinesfalls etablieren. Weil Spahn eine Lösung wünscht, die auf breite gesellschaftliche Zustimmung stößt, hat er Stellungnahmen von zahlreichen Verbänden angefragt – auch von der Bundesapothekerkammer. Mittlerweile hat die BAK dem Ministerium ihre Position in dieser heiklen Frage mitgeteilt.

Das Thema Sterbehilfe und welche Rolle der Staat dabei spielt, ist seit Jahren umstritten. Legislative, Exekutive und Judikative tun sich schwer, hier auf eine Linie zu kommen. So hatte der Gesetzgeber 2015 – mit einem fraktionsübergreifenden Antrag – das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung ins Strafgesetzbuch beschlossen (§ 217 StGB). Damit wollte man verhindern, dass Suizidhilfe-Vereine wie „Sterbehilfe Deutschland“ oder „Dignitas“ aus der Schweiz ihre Angebote für zahlende Mitglieder ausweiten und gesellschaftsfähig werden. Allerdings: Der verwendete Begriff „geschäftsmäßig“ setzte keine Erwerbs- oder Gewinnerzielungsabsicht voraus. Vielmehr genügte, dass der Täter „die Wiederholung gleichartiger Taten zum Gegenstand seiner Beschäftigung macht“. Und darunter konnten zum Beispiel auch Ärzte fallen. Die Strafrechtsnorm wurde beklagt – und Ende Februar dieses Jahres vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt.

Bereits im März 2017 hatte sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage zu befassen, ob und unter welchen Umständen jemand beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) den Erwerb eines tödlichen Betäubungsmittels beantragen kann. Das Ergebnis lautete: Der Staat darf einem unheilbar und schwerkranken Patienten im „extremen Einzelfall“ nicht den Zugang zu einem tödlichen Betäubungsmittel verwehren. Ein Urteil, gegen das sich sowohl der ehemalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe wie auch sein Nachfolger Jens Spahn (beide CDU) von Anfang an sperrten. Ihr Haus gab an das BfArM die Weisung aus, Anträge von Patienten, die ein tödliches BtM erwerben wollen, negativ zu bescheiden. Ein Zustand, mit dem insbesondere Rechtspolitiker aus der Opposition ihre Probleme hatten und haben.

Nach dem Karlsruher Urteil zu § 217 StGB kündigte Spahn an, fraktionsübergreifend eine „verfassungskonforme Lösung“ finden zu wollen. In Sachen behördlicher Suizidhilfe änderte Spahn seine Meinung jedoch nicht. Er verwies unter anderem auf weitere ausstehende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Denn das Verwaltungsgericht Köln hatte dieses im November vergangenen Jahres angerufen – und zwar in laufenden Verfahren von Patienten, die beim BfArM mit ihrem Antrag auf Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital ohne ärztliche Verordnung aufgelaufen waren. Das Bundesverfassungsgericht sollte die einschlägigen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen. Die Kölner Richter hatten da ihre Zweifel – zumal zu diesem Zeitpunkt noch § 217 StGB in Kraft war, es Patienten also nicht ohne Risiko möglich war, sich an private Sterbehelfer zu wenden. Doch kürzlich wies das Bundesverfassungsgericht die Vorlagefragen mit Verweis auf seine Entscheidung vom Februar als unzulässig ab.

Der politische Meinungsbildungsprozess kann beginnen

Nun ist Spahn wirklich am Zug. Doch noch hat sich die Bundesregierung nicht zum „Ob“ und „Wie“ einer möglichen Neuregelung der Sterbehilfe positioniert, wie ein BMG-Sprecher auf Nachfrage erklärte. Unabhängig davon bleibe abzuwarten, inwieweit Abgeordnete des Deutschen Bundestages die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erneut zum Anlass nehmen, gegebenenfalls über Gruppenanträge konkrete Vorschläge für eine Neuregelung zu machen. Dem Minister jedenfalls sei es bei einem solch sensiblen Thema wichtig, dass eine mögliche Neuregelung der Suizidassistenz auf eine breite Zustimmung in der Gesellschaft stößt, so der Sprecher weiter. Deshalb fragte man auch frühzeitig bei Experten aus unterschiedlichen Bereichen nach, um ihre Stellungnahmen in den anstehenden politischen Meinungsbildungsprozess einbeziehen zu können.

BAK positioniert sich

Zu diesen Experten zählte auch die Bundesapothekerkammer (BAK). Diese hat sich bei ihrer Vorstandssitzung am 16. Juni mit der Thematik befasst und Eckpunkte einer Positionierung beschlossen. Mittlerweile wurde eine Stellungnahme an das BMG übermittelt. Zu der Frage, ob der Staat die Abgabe eines Mittels zur Selbsttötung regulieren sollte, äußert sich die BAK explizit nicht. Sie lehnt auch die in der Diskussion befindliche Substanz Natrium-Pentobarbital als Mittel zur staatlich regulierten Selbsttötung ab. Der Grund: Die Risiken einer unbeaufsichtigten Anwendung seien zu hoch, denn die tödliche Wirkung trete nicht immer wie beabsichtigt ein.

Eine Abgabeverpflichtung darf es nicht geben

Weiter verweist die BAK darauf, dass Apotheker einen Versorgungsauftrag mit Arzneimitteln haben – die Abgabe einer Chemikalie wie Natrium-Pentobarbital zum Zwecke der Selbsttötung sei davon nicht abgedeckt. Das ergibt sich aus der Bundesapothekerordnung und dem Apothekengesetz. Allerdings: Die Abgabe einer solchen Chemikalie ist laut Apothekenbetriebsordnung durch die Apotheke zulässig. Ob die Apotheke eine solche Chemikalie abgibt oder nicht, steht damit in der freien Entscheidung des Apothekenleiters. Ganz klar lehnt die BAK es aber ab, Apotheker künftig zu einer solchen Abgabe zu verpflichten. Genauso wenig dürfe der Apotheker als Berater im Vorfeld der Entscheidung eines Suizidwilligen eingebunden werden. Die BAK vertritt hingegen die Auffassung, dass der Staat seine Bemühungen vorrangig darauf richten sollte, die Begleitung der Patienten in der Palliativversorgung zu verbessern.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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