Online-Info-Veranstaltung

Noch viel zu tun für das E-Rezept

Kiel - 20.08.2020, 17:55 Uhr

Bevor das E-Rezept kommt, ist in den Apotheken noch Einiges zu tun. (c / Foto: viewfinder / stock.adobe)

Bevor das E-Rezept kommt, ist in den Apotheken noch Einiges zu tun. (c / Foto: viewfinder / stock.adobe)


In einer dreistündigen Online-Informationsveranstaltung erläuterte am gestrigen Mittwoch Sören Friedrich, der bei der ABDA für die Telematik zuständig ist, den Stand der Entwicklung zum E-Rezept. Er wolle den Apothekern die Ängste vor der jetzt laufenden Anbindung an die Telematikinfrastruktur nehmen. Doch es wurde auch deutlich: Auf dem Weg zum E-Rezept ist noch viel zu tun.

Sören Friedrich, Leiter der Telematik-Abteilung der ABDA, war am gestrigen Mittwochnachmittag der einzige Referent bei einer dreistündigen Online-Informationsveranstaltung des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein und des Hamburger Apothekervereins. Etwa 200 Verbandsmitglieder folgten den Ausführungen. Gastgeber Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, erklärte, die Apotheken befänden sich am Vorabend der Einführung der Hardware und der ersten Anwendungen. Währenddessen seien zum E-Rezept noch viele Gespräche nötig, um ein Maximum an Sicherheit und Zuverlässigkeit zu erreichen.

Beim TI-Anschluss von den Ärzten lernen

Nach Darstellung von Friedrich liegt die Festlegung der Spezifikationen im Zeitplan. Gemäß der gesetzlichen Vorgabe müssen die Apotheken bis Ende September an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen sein, aber dies sei nicht sanktioniert. Da der erste Konnektor erst am 20. Juli 2020 zugelassen wurde, sei dem Bundesgesundheitsministerium klar, dass der September-Termin nicht für alle Apotheken zu halten sei. Friedrich erwartet, dass die Anbindung der Apotheken zehn bis zwölf Monate dauern werde. Er räumte ein, dass jede technische Änderung „mit Schmerzen verbunden“ sei, aber die Apotheker könnten froh sein, beim Anschluss an die TI nicht die Ersten zu sein. So könnten sie von den Erfahrungen der Ärzte lernen. Zum Hintergrund: Der Vorsitzende des Virchowbundes, Dr. Dirk Heinrich, hatte gerade erst im DAZ.online-Interview über die großen Probleme der Arztpraxen bei der Anbindung berichtet.

Die nötigen Installationsarbeiten sieht Friedrich jedoch unproblematisch. Das Anschließen dauere etwa zwei Stunden und die Apotheke könne dabei geöffnet bleiben. Der Konnektor werde parallel zur sonstigen Apotheken-IT angeschlossen, sodass die Warenwirtschaft bei Störungen des Konnektors weiterarbeiten könne. Friedrich betonte, dass Konnektoren in Apotheken und in Rechenzentren gefördert werden. Doch auch bei einem Konnektor in einem Rechenzentrum müssten in der Apotheke die Hardwarevoraussetzungen für eine hochsichere Verbindung dorthin geschaffen werden. Gefördert würden sowohl eHealth-Konnektoren (PTV 3) als auch VSDM-Konnektoren (PTV 1) mit einem eHealth-Update. In jedem Fall müsse das Zertifikat mindestens vier Jahre gültig sein, weil die GKV nicht öfter einen neuen Konnektor finanziere. Apotheker könnten die Gültigkeit des Zertifikates jedoch nicht prüfen, sondern müssten sich auf die Herstellerangaben verlassen. Außer dem Konnektor sind eine Institutionenkarte (SMC-B) und ein elektronischer Heilberufeausweis erforderlich.

Viele Tests bis Juli 2021 nötig

Friedrich mahnte die Apotheker, es sei wichtig, möglichst bis zum 30. Juni 2021 an die TI angeschlossen zu sein. Bis dahin muss die Gematik die App zum E-Rezept vorlegen. „Ab dann müssen wir sehr viel testen“, erklärte Friedrich mit Blick auf die Funktionen des E-Rezeptes. Neben der Systemebene sei es auch für die Apotheken hilfreich, die Wirkung auf die innerbetrieblichen Abläufe zu erproben.

E-Medikationsplan für Patienten weiter auf Papier

Doch vor der Einführung des E-Rezeptes wird die TI zunächst für andere Anwendungen genutzt. Heinrich hatte im DAZ.online-Interview kritisiert, dass die ersten Anwendungen für die Ärzte unattraktiv seien und keinen Nutzen, sondern eher doppelte Arbeit bringen würden. Doch was haben die Apotheken zu erwarten? Da ist zuerst der E-Medikationsplan. Dabei werden die Daten des bisherigen Papiermedikationsplans auf die elektronische Gesundheitskarte des Patienten übertragen. Bisher sei dabei für Apotheker keine Kostenerstattung vorgesehen. Doch Friedrich gab sich zuversichtlich, dass „da noch was kommen“ werde. Vorläufig sei ohnehin nicht mit viel Aufwand zu rechnen, weil nur wenige Patienten Medikationspläne hätten und die Krankenkassen die PIN-Briefe zu den Gesundheitskarten nur langsam versenden würden. Damit kämen vorläufig nur wenige Patienten für den E-Medikationsplan in Betracht. Wenn die Voraussetzungen gegeben sind und ein GKV-Versicherter mit mindestens drei verordneten Arzneimitteln einen E-Medikationsplan wünscht, seien Apotheken allerdings dazu verpflichtet. Dann werden die Daten auf der Karte gespeichert und Ärzte und Apotheker können darauf elektronisch zugreifen, aber die Patienten sollen auch beim E-Medikationsplan vorläufig weiterhin Papierausdrucke erhalten.

Der Notfalldatensatz ist auch von Anfang an auf der elektronischen Gesundheitskarte vorgesehen. Für Apotheken dürfte dies bei Arzneimittelunverträglichkeiten interessant sein. Ein weiterer Dienst in der TI ist die „Kommunikation im Medizinwesen“ (KIM). Dies ist ein hochsicherer Mail-Dienst zwischen allen Teilnehmern der TI. Die Grundlage dafür bildet der Verzeichnisdienst, in dem alle Teilnehmer mit ihren Mailadressen eingetragen sind. Für Apotheken wird dieser Verzeichnisdienst zugleich die Grundlage für das Empfangen von E-Rezepten. Ohne Eintragung in der Liste der angeschlossenen Apotheken wird eine Apotheke kein E-Rezept erhalten und bearbeiten können.

E-Patientenakte: Nutzen unsicher

Ab dem 1. Januar 2021 soll es außerdem die E-Patientenakte geben. In anderen Ländern habe diese Funktion abhängig von der jeweiligen Gestaltung viel oder gar keinen Nutzen, erläuterte Friedrich. „Es kann gut werden“, meint Friedrich, aber es gebe viele Herausforderungen. Die Patienten könnten Daten löschen, manche Dateiformate können möglicherweise nicht gelesen werden und die verschiedenen Dateiformate müssten in der Software umgesetzt werden. Besonders problematisch sei, bei Hunderten oder Tausenden von Datensätzen die Orientierung zu behalten. Es sei nicht sicher, ob relevante Informationen gefunden werden. Ärzte und Apotheker hätten deshalb besonders die Haftungsfrage angesprochen. Denn sie könnten nicht alle Dokumente lesen und daher nicht dafür haften, wenn sie irgendeine Information darin nicht beachten.

E-Rezept ohne „Big bang“

Erst nach diesen Anwendungen wird das E-Rezept als wichtigste Neuerung für die Apotheken umgesetzt. Die Zeit ab dem 30. Juni 2021 sieht Friedrich als Testphase. Am 1. Januar 2022 soll das E-Rezept starten. Dann sollen Ärzte Verordnungen über Rx-Arzneimittel und Rezepturen elektronisch ausstellen. Doch dies sei kein „Big bang“. Friedrich geht davon aus, dass die Patienten kein E-Rezept annehmen müssten, sondern ein Papierrezept verlangen könnten. Um Daten aus der hochsicheren TI zu erhalten, müssten sich auch die Patienten identifizieren. Möglicherweise soll dies über die NFC-Technologie, also eine drahtlose Datenübertragung über kurze Entfernungen erfolgen. Doch das sei längst nicht mit allen Smartphones möglich. Als Ersatzvariante könnten die Patienten vom Arzt einen Barcode erhalten. Diesen könnten die Patienten dann aber auch an irgendeine App weiterleiten. Außerdem sehe die jetzige Rechtslage vor, dass die Rezeptdaten vor der Verschlüsselung innerhalb der TI gelesen werden könnten. So könnte das Verordnungsverhalten der Ärzte vor der Belieferung ausgewertet werden. Dies könnte das Vertrauen in den Datenschutz untergraben. Aus diesen unterschiedlichen Gründen würden vermutlich zunächst viele Patienten weiter auf das bewährte Medium vertrauen und es werde nicht plötzlich sehr viele E-Rezepte geben. Friedrich folgerte: „Das Blatt Papier wird es noch lange geben.“ In Portugal habe sich das E-Rezept erst nach zehn bis zwölf Jahren durchgesetzt. Außerdem bezieht sich dies alles zunächst nur auf die E-Variante des „rosa“ Rezeptes. Andere Rezepte (BtM-Rezepte, T-Rezepte, grüne Rezepte, Sprechstundenbedarf) sollen erst später in elektronischer Form angeboten werden. Friedrich geht dabei von 2023 oder Anfang 2024 als Starttermin aus, für Hilfs- und Heilmittel sogar noch später.

Nicht weniger Sicherheit als für Busfahrscheine akzeptieren

Die Ausführungen von Friedrich haben auch gezeigt, dass offenbar noch wichtige Fragen zum E-Rezept offen sind. Dabei geht es besonders um die möglichen Zugriffe vor der Verschlüsselung und um die technische Durchsetzung des Makelverbots. Von einer künftigen Rechtsverordnung zu Details über das E-Rezept sollten die Apotheker nach Einschätzung von Friedrich erwarten, dass auf die „Teilen“-Funktion und auf Schlüsselmaterial, das nicht von der Gematik kommt, verzichtet wird. Denn über das Teilen könnten Daten an beliebige Anbieter übertragen werden. Als Alternative verwies Friedrich auf die App des Deutschen Apothekerverbandes, für die noch weitere Funktionen entwickelt würden. Froese merkte dazu an, dass beispielsweise die elektronischen Fahrscheine des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin nur über die App des Betreibers verwaltet werden könnten. Doch es könne nicht angehen, dass für Rezepte über Arzneimittel geringere Sicherheitsstandards gelten als für Busfahrscheine.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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