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7. Oktober 2020
Ja, die Sache mit der Gleichpreisigkeit, die uns das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) erhalten soll, ist so eine Sache. Eine echte Gleichpreisigkeit für Rx-Arzneimittel verbirgt sich dahinter bekanntlich nicht, das VOASG gilt nämlich nur für Arzneimittel zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung. Für Patienten, die in einer Privaten Krankenversicherung sind, gibt’s keine Gleichpreisigkeit mehr. Das könnte bedeuten, dass die Preise für GKV und PKV auseinander driften. Das gefällt der PKV gar nicht, und die ABDA hat mit einem Preiswettbewerb, der dadurch entstehen könnte, ebenfalls ein Problem. Aber auch Pharmaverbände, z. B. der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) warnen vor dem Aufweichen der Preisbindung. Die Bedenken sind bei der Politik angekommen: Die SPD-Bundestagsfraktion bittet nun das Bundesgesundheitsministerium, erneut zu prüfen, ob man nicht doch das Rx-Boni-Verbot des VOASG auf die PKV ausweiten könne. Mein liebes Tagebuch, wir können nur hoffen, dass dieser Vorstoß in letzter Minute noch etwas bewegt. Denn mit freien Preisen und Preiskämpfen im PKV-Bereich ist keinem gedient. Allerdings kommt der SPD-Vorstoß nun wirklich spät, vermutlich zu spät, denn Jens Spahn hat bereits so eine Art grünes Licht aus Brüssel für sein VOASG bekommen. Ob er das VOASG nun stoppt und umarbeiten lässt, ist mehr als fraglich.
Auch Klaus Michels, Chef des Apothekerverbands Westfalen-Lippe, mahnte bei der Politik an, schnellstmöglich Lösungen für die Apotheken zu finden, die von der AvP-Insolvenz betroffen sind. Die betroffenen Kolleginnen und Kollegen seien unverschuldet in diese Notlage gekommen, manche Apotheken stünden unmittelbar vor dem Aus. Michels machte auch deutlich, dass die Politik Regelungen finden muss, um für die Zukunft ähnliche Fälle zu verhindern.
Die AvP-Pleite war Thema im Gesundheitsausschuss des Bundestags. Es sprachen miteinander: Fachpolitiker, Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums, Bundeswirtschaftsministeriums und Bundesfinanzministeriums, außerdem die ABDA und der vorläufige Insolvenzverwalter sowie der von der Bankenaufsicht BaFin eingesetzte AvP-Geschäftsleiter. Da gab’s so einige Erkenntnisse über das AvP-Geschäft. AvP war als Factoring-Institut gelistet, das den Apotheken und anderen Leistungserbringern „schnelles Geld“ bei der Krankenkassenabrechnung zur Verfügung stellte. Möglich machte dies die AvP durch einen Konsortialkredit, also einen Kredit mit mehreren Banken. Die Apotheken mussten in ihrem Vertrag ihre Forderungen gegenüber den Krankenkassen an AvP abtreten. Zur AvP-Insolvenz führten u. a. signifikant niedrige Gebühren, unverhältnismäßige Ausgaben und so manche besondere Entnahme, heißt es. Und dann kündigten die Banken ihre Kreditlinien just in dem Moment, als so viele (Abschlags-)Zahlungen der Kassen bei der AvP eingegangen waren, dass deren offenen Forderungen befriedigt werden konnten. Die Banken holten sich so ihr Geld gewissermaßen unter Ausnutzung ihres Wissensvorsprungs und auf Kosten anderer Gläubiger. Spekuliert wird auch darüber, ob größere Geldbeträge illegal beiseite geschafft wurden, ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Unbekannte wegen betrügerischer Insolvenz läuft. Mein liebes Tagebuch, in dieser Gemengelage ist alles drin, was einen guten Wirtschaftskrimi abgibt. Aber wie sieht es nun mit Hilfen für die betroffenen Apotheken aus? Auf alle Fälle soll es Schnellkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit günstigen Zinskonditionen geben. Weitere politische Maßnahmen werden geprüft. Vor allem FDP und Grüne wollen sogar im Rahmen von Sondersitzungen weitere Hilfsmaßnahmen für Apotheken und politische Konsequenzen aus den Vorgängen beraten. Mein liebes Tagebuch, das ist dringend nötig!
Wie aus einer schriftlichen Anfrage der Linken an die Bundesregierung hervorgeht, will unsere Regierung erstmal die weitere Entwicklung abwarten. Die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch die Apotheken sei der Bundesregierung zwar ein sehr wichtiges Anliegen, „sie wird diese auch weiterhin genau beobachten“. Mein liebes Tagebuch, das ist dünn, sehr dünn. Da fragt sich auch die Apothekerin und Arzneimittelexpertin der Linken, Sylvia Gabelmann, ob die Bundesregierung den Ernst der Lage erfasst hat. Denn immerhin hat die aufsichtführende Bundesbehörde BaFin erst arg spät reagiert; zudem sind die Apotheken gesetzlich verpflichtet, über diese privaten Zentren abzurechnen. Mein liebes Tagebuch, man nennt es Mitverantwortung des Bundes!
8 Kommentare
"Avp-Virus" jetzt auf Kassensuche ...?
von Christian Timme am 11.10.2020 um 23:13 Uhr
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3 mal Hoch
von Dr.Diefenbach am 11.10.2020 um 16:17 Uhr
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Bringschuld
von Reinhard Rodiger am 11.10.2020 um 14:05 Uhr
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Immerhin "BEOBACHTET" die Politik die insolventen AvP-Apotheken ...
von Christian Timme am 11.10.2020 um 13:30 Uhr
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AW: "BEOBACHTET" ? - im Verkehrsfunk hieß das damals mal "Gaffer"
von Bernd Jas am 11.10.2020 um 15:58 Uhr
Das VOASG darf so nicht kommen!
von Dr. Heidrun Hoch am 11.10.2020 um 12:54 Uhr
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Neue Bewegung
von Anita Peter am 11.10.2020 um 9:22 Uhr
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AW: Neue Bewegung
von Roland Mückschel am 11.10.2020 um 9:51 Uhr
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