Coronakrise oder AvP-Pleite?

Verwirrung um KfW-Kredite

Stuttgart - 04.02.2021, 12:15 Uhr

Die seit knapp einem Jahr andauernde Coronakrise hat dazu geführt, dass das Geschäftsvolumen der KfW auf einem historischen Höchstwert liegt. (Foto: IMAGO / Jan Huebner | Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt am Main)

Die seit knapp einem Jahr andauernde Coronakrise hat dazu geführt, dass das Geschäftsvolumen der KfW auf einem historischen Höchstwert liegt. (Foto: IMAGO / Jan Huebner | Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt am Main)


Um die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Lockdown-Maßnahmen für die Wirtschaft abzumildern, besteht für Unternehmen die Möglichkeit, zinsgünstige Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu erhalten. Auch Apotheken haben seit März 2020 solche Kredite abgerufen. Doch die Gründe, warum die jeweiligen Inhaber:innen auf diese finanziellen Hilfen angewiesen sind, können sehr individuell sein. Die Insolvenz des Rechenzentrums AvP im vergangenen September ist jedenfalls nicht der ausschlaggebende Grund.

Auch wenn die Apotheken seit Beginn der Corona-Pandemie gerne medial als „Sieger“ dargestellt werden und zuletzt bei der Maskenausgabe wegen der staatlich festgelegten Vergütung öffentlich unter Beschuss standen, bleiben auch sie von den Lockdown-Maßnahmen und den weiteren Corona-Auswirkungen keinesfalls verschont. Gerade Apotheken in Centern oder an Bahnhöfen und Flughäfen mussten ihren Betrieb deutlich herunterfahren, Angestellte in Kurzarbeit schicken und finanzielle Einbußen aus eigener Kraft oder mit fremder Hilfe kompensieren. Laut Auskunft der bundeseigenen Förderbank – der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – haben seit dem 23. März 2020 bis zum Stichtag 21. Januar 2021 rund 349 Apotheken Anträge aus dem Corona-Sonderprogramm abrufen müssen. Das Gesamtvolumen der Darlehen beläuft sich auf 65 Millionen Euro. Von diesen Anträgen sind bisher 341 Anträge positiv bescheinigt worden – das Fördervolumen beträgt aktuell 64 Millionen Euro.

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KfW-Hilfen nur für wenige Apotheken

Diese Zahlen (mit demselben Stichtag) wurden vergangene Woche auch in einem Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ veröffentlicht. In dem Bericht ging es um die Auswirkungen der Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP im September 2020. Als politische Hilfsmaßnahme wurden den betroffenen Apotheken damals die zinsgünstigen KfW-Kredite aus dem Corona-Sonderprogramm in Aussicht gestellt. Doch dies entpuppte sich schnell zu einem teils unerreichbaren Angebot für die Geschädigten: Recherchen von DAZ.online ergaben im Oktober, dass es bei der Vergabe der Kredite zu teils unüberwindbaren Hürden kommt. So scheitern die Anträge an praktisch unerfüllbaren Bedingungen. Dazu gehört einerseits das Umschuldungsverbot, weitere Gründe können aber auch sein, dass die Bestimmungen des „Temporary Framework“ der Europäischen Kommission – also dem befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft – nicht erfüllt sind, insbesondere die Maßgabe, dass die Apotheken nicht schon zum 31. Dezember 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren.

Davon abgesehen offenbart sich, dass die FAZ in ihrem Artikel über die AvP-Folgen fälschlicherweise die Gesamtzahl an beantragten und bewilligten KfW-Krediten veröffentlichte – also auch die Darlehen, die zwischen März und September 2020 und somit vor der AvP-Insolvenz bei der KfW aufschlugen. Mitte Dezember berichtet DAZ.online über ein Schreiben der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesgesundheitsminister, Sabine Weiss, an den Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses Erwin Rüddel (beide CDU). Darin wird erklärt, dass seit Aufnahme des vorläufigen Insolvenzverfahrens bei AvP am 16. September lediglich 87 KfW-Kredite aus den Corona-Sonderprogrammen an Apotheken zugesagt wurden. Der FDP-Politiker Wieland Schinnenburg nahm dies zum Anlass, die Bundesregierung für die nur schleppend anlaufenden Hilfsmaßnahmen scharf zu kritisieren.

KfW-Geschäftsvolumen auf einem historischen Höchstwert

Auf Anfrage von DAZ.online hat die KfW diese Zahlen nun aktualisiert: Bis zum 28. Januar sind seit der AvP-Pleite 144 Kreditanträge von Apotheken mit einem Volumen von rund 29 Millionen Euro zugesagt worden. Doch auch diese Darlehen kommen aus dem Corona-Sonderprogramm und können deshalb nicht in einen kausalen Zusammenhang mit dem AvP-Skandal gebracht werden. Überhaupt wäre es auch möglich, so ein KfW-Sprecher, dass Apothekeninhaber:innen aufgrund ihrer bereits bestehenden wirtschaftlichen Schieflage erst gar nicht bis zur KfW durchdringen: „Mir liegen leider keine Erkenntnisse darüber vor, wie viele der nicht zugesagten Anträge auf Ablehnungen aufgrund des Umschuldungsverbots zurückzuführen sind. Wir erhalten auch keine Kenntnis darüber, wie viele Kreditanträge bereits auf der Ebene der durchleitenden Banken abgelehnt werden.“

Damit lässt sich das Ausmaß der AvP-Insolvenz aus Sicht der Apotheken allein auf Grundlage der KfW-Sonderkredite nur äußerst unscharf beziffern. Hinzu kommt, dass sich die betroffenen Inhaber:innen auch mit eigenen Rücklagen, Krediten der Hausbank, Stundungen der Großhändler und mit finanzieller Unterstützung der eigenen Familie über Wasser halten. Auch für die Landesapothekerverbände ist es offensichtlich unmöglich, Apothekenschließungen der vergangenen Monate in Zusammenhang mit AvP zu bringen. Einzig aus Sachsen hört man aktuell, dass zwei Mitgliedsapotheken gegenüber dem Verband erklärten, dass sie aufgrund der AvP-Insolvenz und den damit verbundenen fehlenden Abrechnungsgeldern ihre Türen für immer schließen mussten. Die Apothekerverbände selbst können solche Angaben jedoch nicht nachprüfen.

Die seit knapp einem Jahr andauernde Coronakrise hat dazu geführt, dass die bundeseigene KfW ihr Geschäftsvolumen auf einem historischen Höchstwert sieht. Das Fördergeschäft betrug allein 2020 rund 135 Milliarden Euro – das entspricht einem Plus von 75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wesentliche Treiber dieses starken Wachstums waren nach Angaben der KfW die Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sowohl im In- als auch im Ausland, die ein Volumen von rund 51 Milliarden Euro (nach Abzug von Storni und Verzichten auf Zusagen) erreichten, was einem Anteil am gesamten Geschäftsvolumen von 38 Prozent entspricht. In Deutschland wurden 2020 rund eine Million an Krediten, Zuschüssen und anderen Finanzierungen in Höhe von 106 Milliarden Euro zugesagt.

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AvP-Insolvenz

Vergangenen November teilte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit, das Corona-Sonderprogramm verlängern zu wollen. Seit dem 9. November stehen nun auch Soloselbstständigen und Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten die Gelder zur Verfügung. Über die Hausbanken können die Unternehmen diese KfW-Kredite beantragen. Die Höhe hängt vom Umsatz im Jahr 2019 ab. Voraussetzung ist allerdings, dass die jeweiligen Unternehmen zum 31. Dezember 2019 nicht in Schwierigkeiten gewesen sind und zu diesem Zeitpunkt geordnete wirtschaftliche Verhältnisse aufweisen müssen. Ist das erfüllt, übernimmt der Bund für die Darlehen das vollständige Risiko und stellt die Hausbanken von der Haftung frei.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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