ANTIGENTESTS zur EIGENANWENDUNG

Weniger sensitiv – na und?

München - 12.03.2021, 17:50 Uhr

Wie maßgeblich ist die limitierte Testempfindlichkeit überhaupt, wenn es um ein Screening auf Infektionen geht? (Foto: IMAGO / Future Image)

Wie maßgeblich ist die limitierte Testempfindlichkeit überhaupt, wenn es um ein Screening auf Infektionen geht? (Foto: IMAGO / Future Image)


Motivierte Laien können Selbsttests auf SARS-CoV-2 in Eigenregie zuverlässig durchführen. Die oft kritisierte niedrigere Sensitivität der Antigentests spielt bei regelmäßig wiederholtem Testen keine Rolle. Wichtiger ist die Spezifität – und die ist bei allen zugelassenen Testkits hoch.

Antigenschnelltests auf SARS-CoV-2 können bei korrekter Abstrich-Entnahme und Testdurchführung hochinfektiöse Personen rasch identifizieren. Die ersten Sonderzulassungen von SARS-CoV-2-Testkits für die Anwendung durch Laien hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) seit 24. Februar für Testkits für den nasalen Abstrich erteilt. Es handelt sich um beim BfArM gelistete, den Mindestkriterien entsprechende und vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bezüglich der Sensitivität evaluierte Tests, die schon eine CE-Kennzeichnung für professionelle Anwender besitzen, aber durch Ausstattung mit speziellen Tupfern für den Nasalabstrich und eine illustrierte Gebrauchsanweisung für die Anwendung durch Laien angepasst wurden. Nach Herstellerangaben weisen sie gute Werte für Sensitivität (>96 Prozent) und Spezifität (>99 Prozent) auf (s. Kasten). Der erste, am 10. März gelistete Sputum-Test auf das neue Coronavirus hat ein geringere Sensitivität (ca. 92 Prozent).

Kasten: Tests mit Sonderzulassung zur Eigenanwendung durch Laien (Stand 11.3.2021)

HerstellerAntragstellerTestnameSensitivitätSpezifität
Healgen Scientific LLCSiemens Healthcare Diagnostics Products GmbHCLINITEST Rapid COVID-19 Self-Test97,3%100%
Xiamen Boson Biotech Co., LtdTechnomed Service GmbHRapid SARS-CoV-2 Antigen Test Card96,5%99%
Hangzhou Laihe Biotech Ltd., Co.Lissner Qi GmbHLYHER® Covid-19 Antigen Schnelltest (Nasal)96,2%99,7%
SD BIOSENSOR, INC.MT Promedt Consulting GmbHSARS-CoV-2 Rapid Antigen Test96,5%99,7%
AMEDA Labordiagnostik GmbHAMEDA Labordiagnostik GmbHAMP Rapid Test SARS-CoV-2 Ag97,3%100%
Beijing Hotgen Biotech Co., LtdBeijing Hotgen Biotech Co., LtdCoronavirus (2019-nCoV)-Antigentest95,4%99,1%
Aesku.Diagnostics GmbH & Co. KGAesku.Diagnostics GmbH & Co. KGAESKU.RAPID SARS-CoV-296,0%98,0%
AMEDA Labordiagnostik GmbHAMEDA Labordiagnostik GmbHAMP Rapid Test SARS-CoV-2 Ag Sputum92,2%100%

Der Antigentest weist Infektiosität nach 

Aber wie maßgeblich ist die limitierte Testempfindlichkeit überhaupt, wenn es um ein Screening auf Infektionen geht? Zu diesem Zweck sind die Regelmäßigkeit und die Schnelligkeit des Testens viel wichtiger als die Testsensitivität, darauf weisen Harvard- und Yale-Autoren hin. „Testen, um die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu bremsen, fragt nicht, ob jemand RNA von einer vergangenen Infektion in der Nase hat, sondern ob er oder sie heute infektiös ist“, betonen M.J. Mina und Mitarbeiter von der Harvard School of Public Health, wo sie Pilotprojekte mit Lateral-Flow-Tests auswerten. Die Kritik an der angeblich zu geringen Empfindlichkeit der Antigentests kehren die Experten um: Sie argumentieren, dass diese Assays im Sinne eines Screenings genau im richtigen Bereich anschlagen, während der PCR-Test quasi „überreagiere“. Die untere Nachweisgrenze (Limit of Detection, LOD) betrage bei Lateral-flow-Antigentests typischerweise ca. 105 Viruskopien/ml. Sie erkennen damit die typische hohe Viruslast, die Infizierte in der Phase der Infektiosität aufweisen, etwa 4 bis 8 Tage nach Symptombeginn. Zwar weisen PCR-Tests dank Amplifikationstechnik die RNA von SARS-CoV-2 um mindestens zwei Größenordnungen sensitiver nach (LOD ca. 103 Kopien/ml). Aber genau diese Detektion kleinster Virusmengen könne beim Screening auf Infektiosität in die Irre führen. Nämlich dann, wenn bei ct-Werten über 30 kleinste RNA-Mengen oder irrelevante RNA-Bruchstücke nachgewiesen werden, die für eine Transmission unerheblich sind. „Das kurze Zeitfenster der Infektiosität – in dem Antigentests anschlagen – kontrastiert mit der Spanne von median 22 bis 33 Tagen, die Infizierte PCR-positiv sind – länger bei schweren Infektionen und kürzer bei asymptomatischen Personen“, schreiben die Forschenden. „Dies legt nahe, dass 50–75 Prozent der Zeit, in der eine Person PCR-positiv ist, sie wahrscheinlich nicht mehr infektiös ist“, erklären die Wissenschaftler im Fachjournal „The Lancet“.

Zur Erinnerung: Was ist der Ct-Wert?

Als Threshold Cycle, Ct-Wert oder kurz Ct, wird bei der Realtime-PCR (Polymerase Chain Reaction; Nukeinsäure-Amplifikationstechnik) der Amplifikationszyklus bezeichnet, bei dem die Reaktion in die exponentielle Phase eintritt und das gesuchte Nukleinsäurefragment durch eine Fluoreszenzreaktion sichtbar wird. Bei konstanten Reaktionsbedingungen ist der Threshold Cycle proportional zur Menge der untersuchten DNA oder RNA und kann zur Quantifizierung benutzt werden. Aus diesem Grunde wird die Realtime-PCR auch als quantitative PCR oder qPCR bezeichnet. Je höher der Ct-Wert, desto geringer war die eingesetzte Menge DNA/RNA.
Die ermittelten Ct-Werte sind zwischen PCR-Assays verschiedener Hersteller nur mit Einschränkungen vergleichbar. Eine Ct-Schwelle, ab der eine Person infektiös bzw. nicht mehr infektiös ist, kann nicht pauschal angegeben werden, eben sowenig wie eine bestimmte Virusmenge, die zu einer Infektion bei exponierten Personen führt. Angaben für Kontagiosität reichen von Ct-Werten zwischen 20 und 30. Ein CT-Wert >30 darf als „nicht mehr infektiös“ gelten, da ab dieser Grenze SARS-CoV-2 in Studien nicht mehr kulturell anzüchtbar war (4 = Mina et al.). 
Ein Ct-Wert von 18 bis 21 spiegelt eine – mit größter Wahrscheinlichkeit kontagiöse – Viruslast von 100.000 (105) bis 1 Million (106) RNA-Kopien pro Milliliter Probe. Diese Konzentration dürfte von evaluierten Lateral-Flow-Antigentests sicher nachgewiesen werden, eine korrekte Probeentnahme und Auswertung vorausgesetzt. Ihre untere Nachweisgrenze (Limit of Detection/LOD) wird bei ca. bei 100.000 (105) Kopien/ml gezogen. PCR-Assays reagieren schon bei einer um zwei Größenordnungen niedrigeren Viruslast positiv, ab etwa 103 Kopien/ml (5 = Larremore DB et al.)



Ralf Schlenger, Apotheker. Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Sensitivität, Spezifität Artikel vs. Packungsbeilage

von Stefan Pollmeier am 06.04.2021 um 11:41 Uhr

Wie erklären sich große Abweichungen der Sensitivität und Spezifität des Tests von SD Biosensor zwischen den Angaben im Artikel und in der Packungsbeilage? SD Biosensor BfArM 5640-S-025/21 hat laut Ihrem Bericht eine Sensitivität von 96,5 % und eine Spezifität von 99,7 %, abweichend von der Packungsbeilage, die eine Sensitivität von 83,3 % (95 % CI: 74,7 % - 90,0 %) und Spezifität von 99,1% (95 % CI: 97,7 % - 99,7 %) angibt, Quelle https://assets.cwp.roche.com/f/94122/x/ee4f1e12e0/packungsbeilage_sars-cov-2_rapid_antigen_test_patienten-c-roche.pdf

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Sensitivität

von Manfred Magg am 14.03.2021 um 19:55 Uhr

Leider oft nicht berücksichtigt wird, dass bei den Herstellerangaben zur Sensitivität nur folgendes verglichen wird:
Abstrich Nasal bzw Spuck (Antigen) vs Abstrich Nasal bzw Spuck (PCR). Die Angaben zur Sensitivität beurteilen also nur die Qualität der Testkassette und nicht das ganze Testkonzept. Und da schafft es mittlerweile fast jeder Wald-und Wiesenhersteller Werte über 90 % zu bekommen.
Die echte Sensitivität bekommt man mit folgendem Vergleich:
Abstrich Nasal bzw Spuck (Antigen) vs den Goldstandard Abstrich Nasopharyngeal!!! (PCR)

Leider trauen sich die meisten Hersteller nicht, diese Werte transparent zu veröffentlichen. Warum wohl?

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Sensitivität

von S. Schmidt am 23.03.2021 um 17:16 Uhr

Die Nasenvorderbereich-Selbsttests wurden von der Charité mit Nasopharyngeal-Abstrichen verglichen, das Ergebnis war recht gut:
https://erj.ersjournals.com/content/erj/early/2020/11/26/13993003.03961-2020.full.pdf
https://www.charite.de/en/service/press_reports/artikel/detail/antigen_tests_are_self_collected_nasal_swabs_a_reliable_option/

AW: Sensitivität

von Schlenger am 06.04.2021 um 21:04 Uhr

Es gibt m.W. bisher nur 2 von unabhängigen Gruppen durchgeführte Studien von Antigentests mit Selbst-Nasalabtrich UND Selbst-Auswertung UND Vergleich mit professionellem Nasophyryngealabstrich: eine in Deutschland mit dem der SD-Biosensor/Roche-Antigentest, an der Sars-CoV-2-Testambulanz der Charité, und publiziert wie von S. Schmidt zitiert. Ein zweite Studie wurde in den Niederlanden durchgeführt, mit ähnlich guten Ergebnis:
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.02.21.21252153v1.full.pdf
Verwendet wurde jeweils der SD-Biosensor/Roche-Antigentest, in den Niederlanden zusätzlich der Becton-Dickinson Veritor-Test.

Einspruch!

von Gunnar Müller, Detmold am 14.03.2021 um 9:49 Uhr

Sensitivität und Spezifität sind nicht abhängig von der Gesamtzahl an untersuchten Probanden!

SeNsitivität = Anteil falsch-N-egativer
S-Pezifität = Anteil falsch-P-ositiver

Soll heißen:
Die Sensitivität zeigt also, wie viele Fälle mir falsch-negativ angezeigt werden, in Wahrheit aber positiv sind (!) und mir somit als positiv-Fälle durchrutschen d. h. nicht angezeigt werden.
Anm.: geringe Sensitivität kann also durchaus durch eine Erhöhung der Probenzahlen ausgeglichen werden…

Die Spezifität zeigt, wie viele Fälle der Positiv-Befunde (! also nicht ALLER Untersuchten!) mir falsch-positiv angezeigt werden, in Wahrheit aber negativ sind und damit unnötiger Weise verdächtigt und einem PCR-Test unterzogen werden.
Anm.: Im Sinne einer Aufwands-Minimierung sollte die Spezifität möglichst nahe bei 100 % liegen, damit wirklich nur DIE Fälle als „positiv“ betrachtet werden, die auch wirklich positiv sind.

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