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8. April 2021
Mein liebes Tagebuch, irgendwann geht unser Land an seiner Bürokratie zugrunde. Die ausgelaufenen Sonderregeln zur Herstellung von Händedesinfektionsmitteln sind für mich ein herausragendes Beispiel dafür, dass dies so kommen wird. Was da derzeit abläuft, muss man sich mal verinnerlichen: Als vor einem Jahr die Desinfektionsmittel in Deutschland knapp wurden, sprangen die Apotheken ein. Mit einer Sondergenehmigung der Bundesstelle für Chemikalien (angesiedelt bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin – BAuA) durften Apotheken in ihren Betrieben zunächst befristet bis September 2020 und dann verlängert bis Anfang April 2021 Desinfektionsmittel herstellen. Doch damit ist jetzt Schluss. Laut BAuA hat sich die Situation entspannt, es gebe wieder genug hygienische Händedesinfektion auf dem Markt. Für Apotheken bedeutet das: Sie dürfen nicht mehr ohne weiteres Händedesinfektionsmittel herstellen. Wenn eine Apotheke dies weiter tun möchte, muss sie u. a. das nach der Biozid-Meldeverordnung melden, ebenso dem Bundesinstitut für Risikobewertung für die Giftinformationsdatenbank melden und Art. 95 der Biozid-Verordnung erfüllen – und zahlen. Krass, oder? Ja, mein liebes Tagebuch, so ein hochkomplexes Präparat wie ein Händedesinfektionsmittel aus verdünntem 2-Propanol hat es einfach in sich – da lässt sich die deutsche Regelungswut so richtig gut ausleben. Und was ist mit den Händedesinfektionsmitteln, die während der Ausnahmeregelung hergestellt und noch im Apothekenregal stehen? Dürfen sie abverkauft werden? Um Himmelswillen nein! Die BAuA erlaubt keinen weiteren Abverkauf dieser 2-Propanol-Produkte. Nur Desinfektionsmittel auf der Basis von Ethanol (hergestellt auf Grundlage der geltenden Übergangsregelungen) dürfen (sofern die weiteren Voraussetzungen für die Verkehrsfähigkeit unter den Übergangsvorschriften wie z. B. die Meldung nach der Biozidmeldeverordnung und die Konformität mit den Vorgaben der EU-Biozidverordnung eingehalten werden) noch aufgebraucht werden. Also, was bleibt da zu tun? Entweder die noch übrig gebliebenen selbst hergestellten 2-Propanol entsorgen oder den Bürokratieweg gehen, und die Genehmigungen entsprechend der Biozidverordnung beantragen und bezahlen. Mein liebes Tagebuch, vielleicht sollten wir den Antrag stellen, diese Produkte in Zukunft nur noch im BtM-Schrank aufzubewahren.
Dabei wäre es doch wichtig, unseren Apothekenkunden auch weiterhin Händesdesinfektionsmittel anbieten zu können. Dazu passt eine Meldung, wonach beispielsweise Hautärzte empfehlen, die Hände eher ein bisschen weniger mit Wasser und Seife zu traktieren, da dies das Risiko für Handekzeme erhöht. Die Hautärzte plädieren stattdessen dafür, lieber zu Desinfektionsmitteln zu greifen und die Hände anschließend einzucremen. Also, gegen Viren lieber alkoholische Desinfektionsmittel statt Waschen mit Seife. Mein liebes Tagebuch, wenn wir Apothekers also unseren Kunden selbst hergestellte Händedesinfektionsmittel anbieten wollen, wird kein Weg an der Bürokratie und der Biozid-Meldeverordnung vorbeiführen.
2 Kommentare
Bürokratie und anderer Wahnsinn
von Peter Riese am 11.04.2021 um 12:30 Uhr
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10. April: Wo bleibt eigentlich....
von Gunnar Müller, Detmold am 11.04.2021 um 11:28 Uhr
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