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17. Juni 2021
Die DocMorris-Mutter Zur Rose tanzt vor Freude und ist außer sich vor Glück: Die Einführung des E-Rezepts ist die Chance für eine massive Marktoffensive, eine Gelegenheit, die sich nur „einmal im Leben“ biete, es ist die einmalige Chance, um der Arzneimittelversorgung über eine Online-Plattform zum Durchbruch und damit Zur Rose zu einer herausragenden Marktstellung zu verhelfen. Mein Gott, ich kann es kaum fassen, mein liebes Tagebuch, so viel überschäumende Freude, die Zur Rose da auf einer Veranstaltung für Kapitalanlageorganisationen und die Finanzpresse versprühte. Freude, die darin gipfelt, dass sich das Unternehmen sogar mit Google, Netflix, Amazon und Zalando vergleicht. Ja, mein liebes Tagebuch, dann haben wir doch nichts dagegen, wenn Amazon-Chef Jeff Bezos, der bekanntlich gerne mal zum Mond fliegen würde, beim Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli anfragt, ob er nicht mitkommen möchte. Nun ja, bleiben wir auf dem Boden: Die Zur-Rose-Gruppe sieht ihre 9,8 Millionen OTC-Kunden jedenfalls als Ausgangsbasis für eine deutschlandweite Marketingkampagne, war auf der Veranstaltung zu vernehmen. Die Zur-Rose-Vision in etwa: Jeder soll seine Gesundheit mit nur einem Klick managen können, will heißen: Das Unternehmen ist nicht nur Arzneiversender, sondern bietet auch Telemedizin, Online-Pharmazie und hat Kooperationspartner wie Novo Nordisk mit im Boot. Zur Rose setzt voll aufs E-Rezept, es sei entscheidend, um die mittelfristigen Finanzziele zu erreichen und rechnet vor: Der Deckungsbeitrag betrage bei Papierrezepten 9 Prozent, bei E-Rezepten aber 14 Prozent vom Umsatz. Und man erwarte einen Marktanteil am Rx-Versand in Deutschland von etwa 10 Prozent, klar, mit Potenzial nach oben. Na, mein liebes Tagebuch, welch glorreiche Aussichten sich Zur Rose erträumt. Müssen wir uns in unseren kleinen deutschen Apotheken warm anziehen? Kriegt der Deutsche Apothekerverband da Muffensausen angesichts seines kleinen Portals, das gerade in die Knie gegangen ist? Und welche Freude versprüht die ABDA nicht nur bei uns Apothekers, sondern auch in der Bevölkerung übers E-Rezept und seine ungeahnten Möglichkeiten? Nein im Ernst, mein liebes Tagebuch, wir kennen sie, die vollmundigen Zur-Rose-Sprüche – und da fallen uns die alten Sprichworte ein: Übermut tut selten gut und Hochmut kommt vor dem Fall. Und so manche Großspurigkeit von Unternehmen endete in den vergangenen Jahren in der Pleite.
Nun kommt sie doch nicht so schnell, die neue Coronavirus-Testverordnung. Bremser sind nicht die Apotheken, die mit der auf 12,50 Euro reduzierten Vergütung kaum zurechtkommen und die Spahn auf die Stufe von sonstigen „Dritte“ stellt, deren Zuverlässigkeit erst überprüft werden müsse. Bremser ist die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die sagt, der Entwurf der neuen Testverordnung verlange Unmögliches von den Kassenärztlichen Vereinigungen (Abrechnungen der Teststellen prüfen und das Geld auszahlen). Das Kabinett wird sich nun erst am kommenden Mittwoch mit einer wohl überarbeiteten Verordnung befassen. Mal sehen, was dabei herauskommt.
7 Kommentare
Honorarkürzung
von Stefan Meinhardt am 20.06.2021 um 23:25 Uhr
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von Anita Peter am 20.06.2021 um 16:49 Uhr
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Betriebswirtschaftliche Lösung?
von Christiane Patzelt am 20.06.2021 um 16:40 Uhr
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AW: Betriebswirtschaftliche Lösung
von Conny am 20.06.2021 um 17:35 Uhr
Preisfindung
von Lutz Engelen am 20.06.2021 um 15:00 Uhr
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Kein Boykott
von Radman am 20.06.2021 um 9:26 Uhr
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AW: Kein Boykott
von Karl Friedrich Müller am 20.06.2021 um 12:12 Uhr
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