„Notdienstretter“

Aufenthalt im Notdienst: Wie weit weg ist in „unmittelbarer Nachbarschaft“?

Stuttgart - 03.09.2021, 07:00 Uhr

Befinden sich Apotheker:innen während des Dienstes nicht in der Apotheke, ist vor allem wichtig, dass sie jederzeit erreichbar sind. Dazu wird beispielsweise häufig die Notdienstklingel/Sprechanlage mit dem (Mobil-)Telefon des notdiensthabenden Approbierten gekoppelt. (Foto: IMAGO / Müller-Stauffenberg)

Befinden sich Apotheker:innen während des Dienstes nicht in der Apotheke, ist vor allem wichtig, dass sie jederzeit erreichbar sind. Dazu wird beispielsweise häufig die Notdienstklingel/Sprechanlage mit dem (Mobil-)Telefon des notdiensthabenden Approbierten gekoppelt. (Foto: IMAGO / Müller-Stauffenberg)


Während des Notdienstes müssen sich diensthabende Approbierte nicht unbedingt in den Apothekenräumen aufhalten – es genügt, wenn sie sich in unmittelbarer Nachbarschaft befinden und jederzeit erreichbar sind. Doch was bedeutet eigentlich „unmittelbare Nachbarschaft“? Welche Entfernung ist angemessen? Wie lange darf man Patient:innen warten lassen? Und wie ist die Erreichbarkeit geregelt?

Während des Nacht- und Notdienstes „genügt es zur Gewährleistung der Dienstbereitschaft, wenn sich der Apothekenleiter oder eine vertretungsberechtigte Person in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Apothekenbetriebsräumen aufhält und jederzeit erreichbar ist“. So ist es in § 23 Abs. 3 Satz 1 ApBetrO zu lesen. Diensthabende Approbierte müssen den Notdienst also nicht in der Apotheke verbringen. Auch das gesetzlich vorgeschriebene Nachtdienstzimmer darf übrigens außerhalb der Apothekenbetriebsräume liegen. Es ist somit einer der wenigen Räume, für die der Grundsatz der Raumeinheit nicht gilt. Es findet sich in der ApBetrO aber auch keine Vorschrift, dass darin der Notdienst zu verbringen ist.

Befinden sich Apotheker:innen während des Dienstes nicht in der Apotheke, ist vor allem wichtig, dass sie jederzeit erreichbar sind. Dazu wird beispielsweise häufig die Notdienstklingel/Sprechanlage mit dem (Mobil-)Telefon des notdiensthabenden Approbierten gekoppelt, sodass Patient:innen telefonisch Kontakt aufnehmen können. Neben dem Hinweis, dass der Apotheker oder die Apothekerin gleich vor Ort ist, kann so auch gleich telefonische Hilfestellung gegeben werden.

Reicht nur eine Telefonnummer an der Tür?

Es empfiehlt sich übrigens, neben der Notdienstklingel oder der Sprechanlage noch die Mobilfunknummer des/der Diensthabenden aufzunehmen für den Fall, dass die Verbindung gestört ist oder Klingel beziehungsweise die Sprechanlage ausfällt. Davon, nur die Handynummer anzugeben – also ohne Notdienstklingel –, wird abgeraten. Hintergrund ist, dass in der Vergangenheit ein Hinweis auf Telefon und telefonische Kontaktaufnahme nicht als ausreichend angesehen worden ist (VG Würzburg,Urteil vom 3. Juli 1980, Az. Au 297 V 79).

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Welche Wartezeit ist zumutbar?

Doch welche Entfernung zur Apotheke wird als angemessen erachtet? Denn die Apothekenbetriebsordnung schreibt eine angemessene Nähe des Notdienstzimmers zu den übrigen Betriebsräumen vor. „Angemessen“ ist allerdings in diesem Zusammenhang anders auszulegen als bei den anderen Räumen, wo der Grundsatz der Raumeinheit nicht gilt – das sind beispielsweise Lagerräume für die Krankenhaus- und Heimversorgung. Bezogen auf das Nachtdienstzimmer bedeutet „angemessen“ in unmittelbarer Nachbarschaft. Nur so wird den Vorgaben des § 23 Abs. 3 Satz 1 ApBetrO Rechnung getragen. Wenn sich also der Apotheker oder die Apothekerin im Haus der Apotheke, zum Beispiel einer Wohnung oberhalb der Apothekenbetriebsräume, in einem Haus gegenüber oder in angrenzenden oder benachbarten Häusern/Wohnungen aufhalten, fällt das unter „unmittelbare Nachbarschaft“.  Eine Entfernung von 600 Metern hat zumindest das VG Würzburg (Urteil vom 3. Juli 1980, Az. Au 297 V 79) als nicht ausreichend erachtet. 

Die Autoren des im Deutschen Apotheker Verlag erschienenen Buches „Notdienstretter“ (siehe Kasten) empfehlen bei Zweifeln, ob es sich beim geplanten Aufenthaltsort, zum Beispiel die in der Nähe liegende Wohnung eines Approbierten, um „unmittelbare Nachbarschaft“ handelt, Rücksprache mit der zuständigen Behörde zu halten. Sieht die Behörde das nicht so, besteht auch die Möglichkeit, dass sie in begründeten Einzelfällen eine Befreiung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 ApBetrO erteilt.

Klar ist dabei: Die Apotheke muss vom Aufenthaltsort während des Dienstes innerhalb kurzer Zeit erreichbar sein. Welche Wartezeit man Patient:innen dabei zumuten kann, dazu gibt es keine Rechtsprechung. In der Literatur und in Veröffentlichungen von Kammern werden zehn Minuten als zumutbar erachtet, weil das ungefähr der Zeit entspreche, die man auch während der allgemeinen Ladenöffnungszeiten möglicherweise in der Apotheken warten müsse. Tatsächlich scheint auch eine etwas längere Wartezeit von etwa 15 Minuten nach dem Erstkontakt den Patient:innen zuzumuten zu sein (vgl. in diese Richtung auch Krämer in: Rixen/Krämer, Apothekengesetz, § 23 ApBetrO, Rdnr. 19 und Bayerischer VGH, Urteil vom 7. November 1980, Az. 21 B 80 A. 159).

Apothekenbetriebsräume müssen aufgesucht werden

Nicht erlaubt ist es übrigens, Patient:innen im Notdienst über einen Videobildschirm und einen Arzneimittelabgabeautomaten von außerhalb der Apotheke zu versorgen. Da der Verordnungsgeber auf die unmittelbare Nachbarschaft und die jederzeitige Erreichbarkeit abstellt, müssen die Apothekenbetriebsräume aufgesucht und der Notdienst von dort, zum Beispiel über den Notdienstschalter, erbracht werden



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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