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Klaus Michels zum EuGH-Urteil 2016
Eine konsequente Preisbindung ist unabdingbar
Wie wichtig ist die Preisgleichheit heute?
DAZ: Die Corona-Pandemie brachte für die Apotheken neuartige Tätigkeiten hervor, deren Honorierungen vom Ministerium eher spontan und flexibel gehandhabt wurden. Darüber hinaus stehen die pharmazeutischen Dienstleistungen in Aussicht. Hat die Gleichpreisigkeit bezogen auf das konkrete Arzneimittel im deutschen Gesundheitssystem überhaupt noch die Bedeutung wie vor wenigen Jahren?
Michels: Ja unbedingt! Zunächst, weil einheitliche, gebundene Preise unerlässlich sind, um eine gerechte und zugleich qualitativ hochwertige Versorgung der Menschen zu sichern, in der Stadt und auf dem Land gleichermaßen, im Nacht- und Notdienst, bei Lieferengpässen – und Epidemien. Zum anderen, weil die pharmazeutischen Dienstleistungen zwar ein elementarer Bestandteil unserer künftigen Tätigkeit sind. Durch ein qualitativ hochstehendes Angebot wird sich die Apotheke gegen den Versandhandel behaupten können. Ob die Dienstleistungen allerdings die Vor-Ort-Apotheken nachhaltig wirtschaftlich stabilisieren können, wage ich zu bezweifeln. Schließlich lebt die Apotheke nicht vom Umsatz, sondern vom Ertrag. Und dazu müsste von Beginn an ein spürbarer Gewinnaufschlag auf die entstehenden Kosten garantiert sein. Auch müsste das Honorar wie bei den Ärzten jährlich der Kostenentwicklung angepasst werden. Und beides sehe ich derzeit noch nicht.
Im Übrigen ist auch hier eine konsequente Preisbindung unabdingbar. Wie wir in vielen anderen Bereichen unserer Wirtschaft leidvoll erleben müssen, führt ungezügelter Wettbewerb zwingend zu einem Verlust an Qualität der Versorgung. Schließlich kann ich Preissenkungen am Ende nur kompensieren, wenn es mir gelingt, den Umfang der Leistung zu minimieren und damit die Kosten zu senken. Dies kann man auch im Gesundheitswesen schon heute beobachten. Man schaue nur einmal auf den Hilfsmittelmarkt.
Grundsätzlich bin ich nachhaltig davon überzeugt, dass die Apotheke vor Ort auch in Zukunft den überwiegenden Teil ihres Ertrages aus dem Handling der Ware Arzneimittel erwirtschaften wird und muss. Andernfalls wird eine zeit- und wohnortnahe Versorgung in der Fläche nicht nur im Notfall zukünftig kaum zu gewährleisten sein.
Sie haben sich aus der aktiven Verbandstätigkeit in Westfalen-Lippe überraschend zurückgezogen, sind aber weiterhin Teil der Verhandlungskommission des Deutschen Apothekerverbands. Welche „dicken Bretter“ sind in der nächsten Legislaturperiode aus Apothekensicht zu bohren? Werden uns die Folgen des EuGH-Urteils von 2016 noch länger begleiten?
Corona hat beeindruckend gezeigt, wie wichtig eine wohnortnahe Versorgung mit Waren und Dienstleistungen vor Ort in der Fläche ist. Wir Apotheker haben unsere Leistungsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Nicht nur am Beispiel der Masken wurde deutlich, wie unbedingt nötig die Preisbindung im Bereich der Gesundheitsversorgung ist. Wenn man bedenkt, dass sich die Bezugspreise für Schutzmasken in der Krise innerhalb kürzester Zeit um mehrere tausend Prozent erhöht haben, möchte man sich kaum ausmalen, was eine ähnliche Entwicklung bei lebensnotwendigen Arzneimitteln bedeuten würde. Insofern wird uns das EuGH-Urteil noch lange begleiten. Wir sollten uns zukünftig weiter mit aller Kraft für die Wiederherstellung der uneingeschränkten Preisbindung einsetzen.
Das dickste Brett in naher Zukunft wird allerdings die Umsetzung des E-Rezeptes sein. Dabei sollten wir vermeiden, vermeintlich bedrohliche Seiten zu sehen. Wir müssen es als Chance begreifen. Schließlich wird das E-Rezept die Gelegenheit bieten, die Abläufe in der Apotheke neu zu strukturieren und erhebliche Effizienzreserven zu heben.
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