Pharmazie-Professor Thorsten Lehr

Corona-Arzneimittel – Impfungen sind der bessere Weg

Stuttgart - 25.11.2021, 10:45 Uhr

Pharmazie-Professor Thorsten Lehr von der Universität des Saarlandes hat mit der Nachrichtenagentur dpa gesprochen. (Foto: IMAGO / teutopress)

Pharmazie-Professor Thorsten Lehr von der Universität des Saarlandes hat mit der Nachrichtenagentur dpa gesprochen. (Foto: IMAGO / teutopress)


Am 23. November ist bei der EMA der Zulassungsantrag zu Molnupiravir eingegangen. Nach den Corona-Impfstoffen rücken damit Arzneimittel gegen COVID-19 immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Expert:innen beurteilen die Studien über die Arzneimittel durchaus positiv. Darunter auch Pharmazie-Professor Thorsten Lehr. Eine „Kehrtwende für die Pandemie“ sieht er aber nicht kommen. 

Noch während des laufenden Rolling-Review-Verfahrens zu Molnupiravir in Lagrevio hatte die EMA am 22. November Empfehlungen zur Anwendung des oralen COVID-19-Arzneimittels bekannt gegeben, also noch vor Zulassung in der EU. Am 23.11. kam dann die Meldung, dass bei der EMA der Zulassungsantrag zu Molnupiravir eingegangen ist. „Lagevrio, das von Merck Sharp & Dohme in Zusammenarbeit mit Ridgeback Biotherapeutics entwickelt wird, ist für die Behandlung von COVID-19 bei Erwachsenen bestimmt“, teilte die EMA mit. Es handelt sich um ein orales antivirales Arzneimittel, das als falscher Baustein in die RNA von SARS-CoV-2 eingebaut wird. Dadurch beeinträchtigt es die Fähigkeit des Virus zur Vermehrung. Es wird erwartet, dass dadurch weniger Patient:innen mit COVID-19 ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen. Die EMA könne nun voraussichtlich innerhalb weniger Wochen eine Stellungnahme abgeben, wenn die vorgelegten Daten ausreichend belastbar und vollständig sind, hieß es.

„Impfung ist der billigere und definitiv viel bessere und effizientere Weg“

Arzneimittel wie gegen COVID-19 „sind eine Säule in der Coronavirus-Bekämpfung“, sagte Pharmazie-Professor Thorsten Lehr von der Universität des Saarlandes gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. „Es ist gut, dass wir endlich diese Mittel haben.“ Doch eine Kehrtwende für die Pandemie sieht der Wissenschaftler aus Saarbrücken in ihnen noch nicht. „Die Impfung ist der billigere und definitiv viel bessere und effizientere Weg.“

Bereits Anfang 2021 hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für 400 Millionen Euro 200.000 Dosen Antikörper-Medikamente gekauft. Diese wurden aber nur selten eingesetzt. „Ein besonderer Einfluss war im vergangenen Jahr nicht zu erkennen“, so Lehr. Für die vierte Welle spielten sie – wenn überhaupt – bislang nur eine untergeordnete oder zusätzliche Rolle.

Jüngst gab die EU für zwei Antikörper-Präparate grünes Licht: Ronapreve des Schweizer Pharmaunternehmens Roche und Regkirona des Herstellers Celltrion aus Südkorea binden bei Infizierten das Spike-Protein von SARS-CoV-2 an sich, sodass der Erreger nicht in die Körperzellen eindringen kann. Damit soll dessen Ausbreitung verhindert und die Viruslast möglichst niedrig gehalten werden. Beide müssen als Infusion verabreicht werden – meistens im Krankenhaus. Seit Kurzem wird die Behandlung nach Angaben des Münchner Universitätsklinikums rechts der Isar dort auch ambulant angeboten. Doch wer sich impfen lässt, braucht diese Arzneimittel sehr wahrscheinlich nicht: „Diese Antikörper funktionieren im Grunde wie diejenigen, die sich nach einer Impfung oder Infektion bilden – nur dass sie von einer Pharmafirma produziert werden und nicht vom eigenen Körper. Der Antikörper hat absolut die gleiche Wirkung“, so Lehr. „Die Medikamente haben eine ganz gute Schutzwirkung, aber mit einer Wirksamkeit von etwa 75 Prozent gegen schwere Verläufe liegen sie noch unter der Wirksamkeit von mRNA-Impfungen – vor allem nach einer Booster-Impfung“, sagte Lehr. Zudem müsse sich erst noch beweisen, wie effektiv die Medikamente in der Realität seien. Denn Ergebnisse aus klinischen Studien seien in der Regel nicht eins zu eins übertragbar, die Wirksamkeit möglicherweise niedriger.

Dennoch ist es gut, dass es sie gibt. Zumindest für Erkrankte mit einem Risiko für einen schweren Verlauf – die aber noch keine oder wenige Symptome haben. „Wenn sie zu spät eingesetzt werden, wirken die Mittel deutlich schlechter“, erklärt Lehr. Auch der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité hatte Ende September gesagt, dass eine Verabreichung der Antikörper „fast immer schon zu spät“ sei. Denn bei einem durchschnittlichen Patienten habe sich das Virus bereits zu Symptombeginn im Körper stark vermehrt.

Bei Ronapreve, dem Antikörper-Cocktail aus Casirivimab und Imdevimab, zeigen Studien: Die Gefahr für Risiko-Patienten, nach einer Corona-Infektion ins Krankenhaus zu kommen oder gar zu sterben, ist um 70 Prozent reduziert. Zudem soll sich bei frisch Infizierten die Viruslast um 90 Prozent verringern und die Gefahr, überhaupt Symptome zu entwickeln, um etwa die Hälfte.

Regkirona mit dem Antikörper Regdanvimab zeigt bei Patienten mit milden bis moderaten Symptomen, dass sie schneller genesen und seltener einen schwereren Verlauf haben. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA verweist etwa auf eine Studie, nach der rund drei Prozent der behandelten Patienten in Kliniken eingewiesen werden mussten, Sauerstoff bekamen oder sogar starben. Bei den Patienten, die das Mittel nicht bekommen hatten, waren es gut elf Prozent.



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1 Kommentar

Impfen der billigere Weg?

von Thomas Eper am 25.11.2021 um 14:15 Uhr

Sicher, bestimmt!
Medikamente für ca. 0,5% der CoV-Infizierten wäre viel teuerer, als die Erdbevölkerung 3 + x mal zu impfen.
Die halten uns wirklich für bescheuert.

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