Versammlung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Overwiening: Alle sechs Jahre schließen 1.000 Apotheken

Berlin/Münster - 02.12.2021, 13:30 Uhr

Von möglichen Effizienzgewinnen bei der Apothekenvergütung müssen sich die Koalitionäre verabschieden, meint ABDA-Präsidentin Overwiening. Der Sektor sei ausgepresst wie eine Zitrone. (s / Foto: IMAGO / McPHOTO)

Von möglichen Effizienzgewinnen bei der Apothekenvergütung müssen sich die Koalitionäre verabschieden, meint ABDA-Präsidentin Overwiening. Der Sektor sei ausgepresst wie eine Zitrone. (s / Foto: IMAGO / McPHOTO)


Die Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt seit vielen Jahren stetig. Wie bedrohlich das Apothekensterben für die flächendeckende Arzneimittelversorgung ist, fasste am gestrigen Mittwoch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening zusammen: Alle sechs bis sieben Jahre schließen bundesweit rund 1.000 Betriebe ihre Türen für immer, berichtete sie bei der Versammlung ihrer Heimatkammer Westfalen-Lippe.

Seit der Jahrtausendwende sinkt die Zahl der Apotheken hierzulande kontinuierlich. Das ist bekannt – immerhin meldet die ABDA seither jedes Jahr Verluste. Das Ausmaß scheint aber vielen Politiker:innen nicht bewusst zu sein, sagte ABDA-Chefin Gabriele Regina Overwiening am gestrigen Mittwoch bei der Online-Versammlung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL). Um zu verdeutlichen, wie sehr das Apothekensterben die flächendeckende Arzneimittelversorgung in Deutschland gefährdet, zieht die AKWL-Präsidentin nun einen neuen Maßstab heran: Ihren Angaben zufolge geben alle sechs bis sieben Jahre rund 1.000 Apotheken auf und schließen für immer.

Diese Angabe hinterlasse dann doch Eindruck bei den Volksvertretern, berichtete Overwiening. In Westfalen-Lippe falle die Negativentwicklung oft sogar noch etwas stärker aus als im Rest der Republik. Im Jahr 2017 gab es demnach im Kammerbezirk noch 1.973 Apotheken, zum Ende des Jahres werden es nur noch 1.803 sein. Dass Westfalen-Lippe so stark betroffen sei, liege unter anderem an der geringen Hausarztdichte. Daher fänden sich dort besonders viele kleine und umsatzschwache Betriebe, die vergleichsweise schnell in die Knie gezwungen werden. Die Weichen dafür habe Anfang der 2000er Jahre das damals SPD-geführte Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gestellt. „Die Giftspritzen des BMG unter Ulla Schmidt wirken lange nach“, so Overwiening.

Nun steht den Apothekern wohl erneut ein Minister oder eine Ministerin aus den Reihen der Sozialdemokraten ins Haus. Die AKWL-Präsidentin nahm den anstehenden Personalwechsel im Ministerium zum Anlass, mit dem Mythos aufzuräumen, die Apotheken gingen als Gewinner aus der Krise hervor. „Unter der Corona-Decke hat es kaum Veränderungen gegeben.“ Dazu lohnt sich ein Blick auf das Kerngeschäft der Offizinen: Hier hat sich laut Overviening ein leichter Rückgang der Rx-Packungszahlen verstetigt. Teile der OTC-Umsätze seien zudem in den Versandhandel abgewandert.

Sondereffekte sind nicht bei allen angekommen

Zwar habe es in der Krise Sondereffekte gegeben, etwa durch die Ausgabe von FFP2-Masken auf Staatskosten sowie das Ausstellen digitaler Impfzertifikate. Dieses Zubrot müsse man aber richtig einordnen – denn die Apotheken konnten die ihnen gestellten Aufgaben nur mit hohem Personalaufwand bewältigen, es seien viele Überstunden angefallen und letztlich haben sie die Mitarbeitenden einiges an Nerven gekostet. Zudem sei der Corona-Effekt nicht bei allen Kolleginnen und Kollegen angekommen – weitere Schließungen waren die Folge.

Weiterhin machen Personalsorgen, steigende Löhne, Mieten und Energiekosten den Betrieben das Leben schwer. Eine Dynamisierung der Apothekenvergütung hält Overwiening für längst überfällig. Allein der Inflationsausgleich würde mit 30 bis 40 Cent je Arzneimittelpackung zu Buche schlagen. Davon ist jedoch im Koalitionsvertrag der Ampel-Partner keine Rede – stattdessen ist dort etwas von „Effizienzgewinnen innerhalb des Finanzierungssystems“ zu lesen. Dem erteilt Overwiening eine Absage. „Wir müssen der Politik klarmachen, dass es bei uns keine Effizienzgewinne zu holen gibt“, sagte sie. Denn unter der Corona-Decke findet sich der ABDA-Chefin zufolge im Apothekensektor nur noch eine ausgepresste Zitrone.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Untertreibung!

von Thomas Eper am 02.12.2021 um 15:25 Uhr

Wie wir alle inzwischen wissen sollten schließt fast täglich eine Apotheke.
Das sind jährlich mehr als 300, also in drei (3 !) ca. 1.000 und nicht erst alle 6 - 7 Jahre!

Warum diese Untertreibung?
Und warum ist der Ausmaß des Apothekensterbens der Politik nicht bewusst?

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