Verfassungsrechtliche Probleme hat das OVG mit einer solchen Auslegung nicht. Durch den im Betäubungsmittelgesetz geregelten Versagungsgrund werde das legitime öffentliche Interesse der Suizidprävention geschützt, er diene der staatlichen Schutzpflicht für das Leben, heißt es in der Mitteilung. Diese Schutzpflicht könne gegenüber dem Freiheitsrecht des Einzelnen den Vorrang erhalten, wo die Selbstbestimmung über das eigene Leben gefährdet ist. „Vorkehrungen, die eine selbstbestimmte Entscheidung des Suizidenten gewährleisten, sieht das Betäubungsmittelgesetz nicht vor“. Sie könnten auch nicht in das Gesetz hineingelesen werden.
Der Gesetzgeber ist gefragt
Ob ein Zugang zu Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung ermöglicht werden soll, müsse vielmehr der demokratisch legitimierte Gesetzgeber entscheiden, der dann auch ein entsprechendes Schutzkonzept entwickeln müsste. Die Fragen, welche Anforderungen an den freien Willen, die Dauerhaftigkeit des Selbsttötungsentschlusses oder die Information über Handlungsalternativen zu stellen wären und wie Miss- oder Fehlgebrauch verhindert werden könnte, müssten gesetzlich beantwortet werden, so die Richterin.
Nicht zuletzt weist die Vorsitzende darauf hin, dass diese Beschränkung nicht dazu führe, dass Suizidwillige ihr Recht auf Selbsttötung nicht wahrnehmen könnten. Da das Sterbehilfeverbot nicht mehr bestehe, gebe es einen zumutbaren Zugang zu freiwillig bereitgestellter – auch geschäftsmäßiger – Suizidhilfe. Das ärztliche Berufsrecht stehe dieser Hilfe nicht mehr generell entgegen. Und so gebe es Ärzte, die tödlich wirkende Arzneimittel verschreiben und andere Unterstützungshandlungen vornehmen sowie Sterbehilfeorganisationen. Für die Betroffenen sei es zumutbar, diese zu suchen – auch über den eigenen Wohnort hinaus – und in Anspruch zu nehmen. Abschließend heißt es seitens des Gerichts: „Das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben beinhaltet keinen Leistungsanspruch gegenüber dem Staat. Soweit Ärzte und Sterbehilfeorganisationen in Deutschland bisher wohl nicht Natrium-Pentobarbital als Mittel zur Selbsttötung einsetzen, stehen andere verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Verfügung“.
Das letzte Wort ist nach wie vor nicht gesprochen. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Derweil ist auch weiterhin der Gesetzgeber gefordert, eine gesetzliche Regelung zu finden, die den seit zwei Jahren bestehenden Schwebezustand beendet.
OVG NRW, Az: 9 A 146/21 (I. Instanz: VG Köln 7 K 13803/17), 9 A 147/21 (VG Köln 7 K 14642/17), 9 A 148/21 (VG Köln 7 K 8560/18)
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