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10. Februar 2022
Mein liebes Tagebuch, was war das für ein enttäuschendes Ergebnis, als die Gematik im Dezember melden musste, es hätten seit Juli nur 42 E-Rezepte den gesamten Prozess von der Ausstellung über die Einlösung bis hin zur Abrechnung durchlaufen. Ja, und daraufhin wurde der E-Rezept-Start denn auch zu Recht auf unbestimmt verschoben. Neues Gematik-Ziel: Mindestens 30.000 Rezepte sollten es schon sein, bis das E-Rezept in die Regelversorgung überführt wird. Und wie läuft’s? In den ersten Februar-Tagen, nach rund anderthalb Monaten, wurde die 1000er-Marke erreicht. Nein, mein liebes Tagebuch, das wollen wir nun lieber nicht linear bis zur 30.000er-Marke hochrechnen, denn dann würde das E-Rezept erst in fast vier Jahren starten. Lasst uns mal zuversichtlich sein, dass sich die lieben Ärztinnen und Ärzte noch berappeln, ihre Aversion gegen Digitales ablegen und bei ihrer Praxissoftware eins drauflegen und schon in Kürze feststellen, wie einfach E-Rezept geht. Vielleicht sind dann auch noch die offenen Fragen rund ums E-Rezept geklärt und wir können schon im Juli wieder vorsichtig an einen neuen Start denken. Oder im September, Oder zum Jahresende. Das einzig Positive an der Verzögerung: Je später der Start, umso später werden die Versender mit ihren E-Rezept-Raubzügen den Vor-Ort-Apotheken zusetzen..
Nein, darauf hat keiner gewartet, schon gar nicht wir Apothekers: Die Parfümeriekette Douglas steigt in den Arznei-Versandhandel ein, sie hat den niederländischen Versender Disapo gekauft. Man wolle ein neues Wachstumsfeld erschließen, wie die Douglas-Chefin Tina Müller verlauten ließ. Sie geht davon aus, dass die Märkte für Schönheit und Gesundheit zunehmend zusammenwachsen werden, und sie fügt mit Euro-Zeichen in den Augen hinzu, dass der Online-Apothekenmarkt mit einem dreistelligen Milliardenvolumen noch größer sei als der Beautymarkt, „das bietet für uns ein enormes Potenzial“. Der Disapo-Versandhandel soll im Lauf des Jahres auf dem „Douglas-Marktplatz“ integriert werden und in den Parfümerie-Flaggschiff-Fiilalen sollen Apotheken-Counter eingerichtet werden, an denen Apothekerinnen und Apotheker zu Nahrungsergänzungsmitteln und Apothekenkosmetik beraten. Mein liebes Tagebuch, alle wollen sie am Arzneimittel-Versandhandel profitieren. Wie die Hyänen sitzen die EU-Versender und nun auch Douglas ante portas, der Speichel tropft schon aus dem Maul, alle warten sie auf den Startschuss des E-Rezepts.
Ja oder Nein für Gedisa? Da ist beim Apothekerverband Westfalen-Lippe noch nicht das letzte Wort gesprochen. Auch wenn bereits eine Abstimmung darüber erfolgt ist, Ergebnis 40 ja, 40 nein, 5 Enthaltungen. Nun ja, mein liebes Tagebuch, eindeutig geht anders. Zum Hintergrund: Die neue Digitalgesellschaft Gedisa, eine Tochtergesellschaft der Apothekerverbände, soll das Online-Portal des Deutschen Apothekerverbands betreiben und vor allem weiterentwickeln als neutrale, stabile Plattform in der Hand der Verbände, ganz ohne Fremdinteresse. Klingt eigentlich gut, mein liebes Tagebuch, und so haben sich denn auch alle Verbände für dieses Portal entschieden alle Verbände bis auf einen, den Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL). Woran hakt’s. Sicher, die überwiegende Mehrheit der AVWL-Mitglieder ist bestimmt auch davon überzeugt, dass ein solches Portal in Apothekerhand nicht verkehrt ist, aber die Kosten, das finanzielle Risiko – unkalkulierbar? Außerdem fehlen noch ein Businessplan und ein finaler Gesellschaftervertrag, beklagen die Skeptiker. Zu Recht und verständlich. Immerhin kommen da auf jedes Verbandsmitglied Kosten zu. Mein liebes Tagebuch, da fragt man sich, war das den übrigen 16 Verbänden egal oder sind die einfach nur mutiger?
Andererseits, haben die Apothekers eine Wahl, wenn man wirklich so ein unabhängiges Portal will? Fakt ist, die Zeit drängt. Der Aufbau eines Portals muss rasch gehen und er kostet. Andere Anbieter stehen schon in den Startlöchern und bieten ähnliche Inhalte. Aber wenn eine Apotheke mithalten und unabhängig bleiben will, hat sie wohl keine Alternative, außer: Sie schließt sich ebenfalls für relativ viel Geld einer Konzern- oder Großhandels-Plattform an, die wiederum eigene Interessen vertritt. Also, wo soll’s lang gehen? Mein liebes Tagebuch, könnte gut sein, dass nach einer weiteren außerordentlichen Mitgliederversammlung, an der sich eine deutlich breitere Basis beteiligt und auf der es noch mehr Informationen gibt, auch der AVWL sein Ja-Wort gibt. Alles andere wäre wohl sinnlos.
11 Kommentare
wie einfach E-Rezept geht?
von Christian Giese am 13.02.2022 um 18:16 Uhr
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Notdienst
von Karl Friedrich Müller am 13.02.2022 um 13:44 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten
AW: Notdienst
von Anita Peter am 13.02.2022 um 15:06 Uhr
AW: Notdienst
von Reinhard Rodiger am 13.02.2022 um 15:31 Uhr
AW: Kritischer Journalismus
von Stefan Siebert am 13.02.2022 um 16:39 Uhr
Autokorrektur oder Freud?
von Söder-Schröder am 13.02.2022 um 9:40 Uhr
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AW: Autokorrektur oder Freud
von Peter Ditzel am 13.02.2022 um 10:04 Uhr
AW: Autokorrektur oder Freud
von Sabine Schneider am 13.02.2022 um 14:26 Uhr
AW: Autokorrektur oder Freud
von Redaktion am 13.02.2022 um 14:40 Uhr
Wie üblich
von Karl Friedrich Müller am 13.02.2022 um 8:36 Uhr
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AW: Wie üblich
von Roland Mückschel am 14.02.2022 um 10:29 Uhr
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