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Covid-19-Impfstart in Deutschlands Apotheken – ja, aber je nach Bundesland mit mehr oder weniger Begeisterung. Sagen wir mal so: Es kommt drauf an, was eine Apotheke draus macht – oder machen kann. Jedenfalls weiß Bayerns Ministerpräsident Söder: „Die Apotheken können Pandemie.“ Können sie auch E-Rezept? Klar, die Apotheken schon. Und die Ärzte? Und die anderen Beteiligten? Die Gematik lässt nun üben, mindestens 30.000 mal, erst dann gibt’s den offiziellen Startschuss. 1000 E-Rezepte wurden nach anderthalb Monaten schon abgerechnet. Na, das kann dauern. Und im Hintergrund laufen sich die Versender warm – sogar Parfümerie-Douglas will mitmischen, kauft einen Arzneiversender und glaubt an „enormes Potenzial“.
7. Februar 2022
Nordrhein vorn: Während in den meisten Kammerbezirken erst ab Dienstag, 8. Februar, gegen Covid-19 geimpft wird, startete in vielen der öffentlichen Apotheken des Kammerbezirks Nordrhein die Impfkampagne bereits am Montag. Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann und Verbandschef Thomas Preis wohnten dem Impf-Start in der Düsseldorfer Europa Apotheke bei: 12 Impfwillige hatten sich bereits einen Termin geben lassen und erhielten von der Apothekerin die Impfung. Den Impflingen gefällt besonders die unkomplizierte Terminvergabe. Auch die spontane Impfung ist möglich, wie ein Impfling berichtet: Die Apothekerin habe ihn gefragt, ob er geboostert sei. Als er es verneinte, bot sie ihm an, spontan geimpft zu werden und er hat Ja gesagt. So soll’s sein, mein liebes Tagebuch, das ist doch einer der vielen Vorteile einer Impfung in der Apotheke. Im Kammerbezirk Nordrhein ist aktuell jede vierte Apotheke dabei. Weniger zuversichtlich läuft es Thüringen. Wie Stefan Fink, Chef des Apothekerverbands Thüringen, mitteilte, macht in diesem Bundesland kaum eine Apotheke mit. Von den rund 500 Thüringer Apotheken haben sich nur 13 angemeldet. Da werden vermutlich noch ein paar Apotheken dazukommen, meinte Fink, aber von einem flächendeckenden Impf-Angebot wird man in Thüringen wohl nicht sprechen können. Schade, mein liebes Tagebuch, aber woran liegt’s? Kurz gesagt: enge personelle Kapazitäten, es fehlt auch an räumlichen und versicherungstechnischen Voraussetzungen, so heißt es. Für Fink ist es zudem problematisch, dass nur Apothekerinnen und Apotheker impfen dürfen, aber nicht das pharmazeutische Personal, also z. B. auch PTA. Ja klar, wenn PTA impfen dürften, wäre das natürlich ein Booster für die Apothekenimpfungen. Aber seien wir froh, dass es ist wie es ist. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass sich doch noch ein paar Apotheken im Thüringer Land finden, die zur Nadel greifen und ihren Patientinnen und Patienten ein Impfangebot machen. In anderen Bundesländern läuft’s doch auch.
Der bayerische Apotheker Stefan Hartmann geht noch einen anderen Weg: Er will ein kleines Impfzentrum aufbauen, in dem er Ärztinnen und Ärzte fürs Impfen beschäftigt – es muss nicht immer das apothekeneigene Personal sein, so Hartmann. Eine interessante Alternative, mein liebes Tagebuch, wenn man die entsprechenden Ärztinnen und Ärzte an der Hand hat. Wie er mir im Gespräch sagte, haben sich die Medizinerinnen und Mediziner sogar von sich aus bei ihm beworben.
Nicht vergessen, mit dem Impfen allein ist’s nicht getan. Worauf die ABDA aufmerksam macht: Apotheken, die impfen, müssen dem RKI täglich bzw. zeitnah die nötigen Daten für das Impfmonitoring übermitteln. Denn: ohne Datenübermittlung keine Abrechnung der Impfleistung.
8. Februar 2022
Ob das Covid-19-Impfangebot der Apotheken angenommen wird oder nicht, hängt sichtlich von vielen Faktoren ab, wie ein Blick in die Bundesländer zeigt. Während in manchen Apotheken die Nachfrage recht ordentlich ist und schon fleißig Termine vergeben werden, klemmt es in einigen Regionen und Städten noch. Es hängt dabei nicht nur an den mangelnden personellen und räumlichen Kapazitäten wie in Thüringen, sondern ganz schlicht und einfach auch an der Nachfrage aus der Bevölkerung – trotz ausreichend Werbung und Information seitens der Apotheke. Eine Apotheke in Karlsruhe wartet derzeit noch ab, bis sie sechs Anmeldungen vorliegen hat, um ein Vial verimpfen zu können.
Gegen Covid-19 zu impfen ist ein Pfad auf dem Weg raus der Pandemie. Der andere Weg ist das Testen, vor allem mit PoC-PCR-Tests. Apotheken zeigten sich eher zurückhaltend beim Angebot von PCR-Tests. Kein Wunder. Neben dem geringen Honorar sind eine weitere Hürde die hohen Kosten für die Anschaffung eines PCR-Testgeräts. Doch in diesem Punkt kommt mittlerweile Bewegung auf Länderebene. Niedersachsen hatte angekündigt, Apotheken beim Kauf solcher Geräte finanziell unterstützen zu wollen. Nun auch Baden-Württemberg: „Für die Anschaffung von 500 Geräten stellt das Land den Apotheken nun rund 750.000 Euro in Form von anteiligen Zuschüssen zur Verfügung“, schreibt das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration in einer aktuellen Pressemitteilung. Also, mein liebes Tagebuch, da sollten Apotheken, die PCR-Tests anbieten möchten und Räume und Personal haben, zugreifen. Von den bisher 600 beim Apothekenportal für die Durchführung von Corona-Tests registrierten Apotheken bieten derzeit etwa 80 auch PCR-Testungen an, zum Teil in Kooperation mit Laboren. Da geht also noch einiges.
Das ist fast schon eine Invasion, vor allem in Berlin: Schnell-Lieferdienste für Arzneimittel. Neben Mayd, Kurando und First A schickt sich nun ein viertes Start-up an, den Apothekenkunden ihre Arzneimittel nach Hause zu liefern: Cure nennt sich der Schnelllieferant. Innerhalb von 30 Minuten, so das Versprechen, liefern die Fahrradkuriere OTC-Arzneimittel sowie Schönheits- und Gesundheitsprodukte von der Apotheke bis an die Haustür des Kunden. Cure will auch per App rund 3000 OTC-Produkte selbst anbieten – natürlich in Zusammenarbeit mit einem Netzwerk von Berliner Apotheken. Weitere Städte hat Cure schon im Visier. Für die Kunden soll der Lieferdienst kostenlos sein. Und wer zahlt dann, mein liebes Tagebuch? Wie bei den anderen Lieferdiensten auch: die Apotheke. Und wie bei so erfrischenden Start-ups üblich, so träumt auch Cure schon von einem Lieferservice auf europäischer Ebene. Darüber hinaus gehen die Träume sogar in Richtung einer eigenen Plattform mit einem Telemedizin-Anbieter für die Rezeptausstellung und Beratung – oh Gott, mein liebes Tagebuch, die Plattformeritis greift um sich! Und ja, ganz ehrlich, mir sind diese Lieferdienst-Start-ups ein Rätsel – wo kommen all die schlecht bezahlten Fahrradkuriere her? Und wollen auf einmal alle Menschen ihre OTCs nach Hause gebracht bekommen? Werden so viele Apotheken mit Lieferdiensten zusammen arbeiten? Die Zukunft wird’s zeigen. Vermutlich bleiben nur ein oder zwei übrig.
9. Februar 2022
„Die Apotheken können Pandemie“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beim Impfstart der Apotheken in München, und er fügte hinzu: „Sie bieten gute Beratung und haben ein großes Vertrauenspotenzial bei den Kunden.“ Mein liebes Tagebuch, auch wenn der bayerische Ministerpräsident gerade das enfant terrible unter den Ministerpräsidenten gibt, da er das Gesetz zur Impfpflicht, das er selbst mitbeschlossen hat, erstmal nicht umsetzen will – was Apotheken leisten und können, scheint er zu wissen. Ja, Apotheken können Pandemie und sie können auch gut beraten und sie sind Vertrauenspersonen der Kunden. Also, schön, dass es sich Söder nicht hat nehmen lassen, den Covid-19-Impfstart der Apotheken zu begleiten, zusammen mit dem Präsidenten der Bayerischen Apothekerkammer, Thomas Benkert. Beide wohnten der ersten Impfung einer Kundin in der Schwabinger Feilitzsch-Apotheke persönlich bei. Söder betonte, dass die bayerische Landesregierung das Impfangebot der Apotheken sehr begrüßt, zumal die Neuimpfungen derzeit etwas zurückgegangen seien. Und er wies auch darauf hin, dass es womöglich neue Impfherausforderungen gebe, wenn es neue Impfstoffe gebe, die an die Omikron-Variante angepasst seien. Genau, mein liebes Tagebuch, und so hoffen wir, dass noch viele weitere bayerische Apotheken von den derzeit 700, die die Impfschulung absolviert haben, ihren Kundinnen und Kunden ebenfalls ein Impfangebot machen.
10. Februar 2022
Mein liebes Tagebuch, was war das für ein enttäuschendes Ergebnis, als die Gematik im Dezember melden musste, es hätten seit Juli nur 42 E-Rezepte den gesamten Prozess von der Ausstellung über die Einlösung bis hin zur Abrechnung durchlaufen. Ja, und daraufhin wurde der E-Rezept-Start denn auch zu Recht auf unbestimmt verschoben. Neues Gematik-Ziel: Mindestens 30.000 Rezepte sollten es schon sein, bis das E-Rezept in die Regelversorgung überführt wird. Und wie läuft’s? In den ersten Februar-Tagen, nach rund anderthalb Monaten, wurde die 1000er-Marke erreicht. Nein, mein liebes Tagebuch, das wollen wir nun lieber nicht linear bis zur 30.000er-Marke hochrechnen, denn dann würde das E-Rezept erst in fast vier Jahren starten. Lasst uns mal zuversichtlich sein, dass sich die lieben Ärztinnen und Ärzte noch berappeln, ihre Aversion gegen Digitales ablegen und bei ihrer Praxissoftware eins drauflegen und schon in Kürze feststellen, wie einfach E-Rezept geht. Vielleicht sind dann auch noch die offenen Fragen rund ums E-Rezept geklärt und wir können schon im Juli wieder vorsichtig an einen neuen Start denken. Oder im September, Oder zum Jahresende. Das einzig Positive an der Verzögerung: Je später der Start, umso später werden die Versender mit ihren E-Rezept-Raubzügen den Vor-Ort-Apotheken zusetzen..
Nein, darauf hat keiner gewartet, schon gar nicht wir Apothekers: Die Parfümeriekette Douglas steigt in den Arznei-Versandhandel ein, sie hat den niederländischen Versender Disapo gekauft. Man wolle ein neues Wachstumsfeld erschließen, wie die Douglas-Chefin Tina Müller verlauten ließ. Sie geht davon aus, dass die Märkte für Schönheit und Gesundheit zunehmend zusammenwachsen werden, und sie fügt mit Euro-Zeichen in den Augen hinzu, dass der Online-Apothekenmarkt mit einem dreistelligen Milliardenvolumen noch größer sei als der Beautymarkt, „das bietet für uns ein enormes Potenzial“. Der Disapo-Versandhandel soll im Lauf des Jahres auf dem „Douglas-Marktplatz“ integriert werden und in den Parfümerie-Flaggschiff-Fiilalen sollen Apotheken-Counter eingerichtet werden, an denen Apothekerinnen und Apotheker zu Nahrungsergänzungsmitteln und Apothekenkosmetik beraten. Mein liebes Tagebuch, alle wollen sie am Arzneimittel-Versandhandel profitieren. Wie die Hyänen sitzen die EU-Versender und nun auch Douglas ante portas, der Speichel tropft schon aus dem Maul, alle warten sie auf den Startschuss des E-Rezepts.
Ja oder Nein für Gedisa? Da ist beim Apothekerverband Westfalen-Lippe noch nicht das letzte Wort gesprochen. Auch wenn bereits eine Abstimmung darüber erfolgt ist, Ergebnis 40 ja, 40 nein, 5 Enthaltungen. Nun ja, mein liebes Tagebuch, eindeutig geht anders. Zum Hintergrund: Die neue Digitalgesellschaft Gedisa, eine Tochtergesellschaft der Apothekerverbände, soll das Online-Portal des Deutschen Apothekerverbands betreiben und vor allem weiterentwickeln als neutrale, stabile Plattform in der Hand der Verbände, ganz ohne Fremdinteresse. Klingt eigentlich gut, mein liebes Tagebuch, und so haben sich denn auch alle Verbände für dieses Portal entschieden alle Verbände bis auf einen, den Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL). Woran hakt’s. Sicher, die überwiegende Mehrheit der AVWL-Mitglieder ist bestimmt auch davon überzeugt, dass ein solches Portal in Apothekerhand nicht verkehrt ist, aber die Kosten, das finanzielle Risiko – unkalkulierbar? Außerdem fehlen noch ein Businessplan und ein finaler Gesellschaftervertrag, beklagen die Skeptiker. Zu Recht und verständlich. Immerhin kommen da auf jedes Verbandsmitglied Kosten zu. Mein liebes Tagebuch, da fragt man sich, war das den übrigen 16 Verbänden egal oder sind die einfach nur mutiger?
Andererseits, haben die Apothekers eine Wahl, wenn man wirklich so ein unabhängiges Portal will? Fakt ist, die Zeit drängt. Der Aufbau eines Portals muss rasch gehen und er kostet. Andere Anbieter stehen schon in den Startlöchern und bieten ähnliche Inhalte. Aber wenn eine Apotheke mithalten und unabhängig bleiben will, hat sie wohl keine Alternative, außer: Sie schließt sich ebenfalls für relativ viel Geld einer Konzern- oder Großhandels-Plattform an, die wiederum eigene Interessen vertritt. Also, wo soll’s lang gehen? Mein liebes Tagebuch, könnte gut sein, dass nach einer weiteren außerordentlichen Mitgliederversammlung, an der sich eine deutlich breitere Basis beteiligt und auf der es noch mehr Informationen gibt, auch der AVWL sein Ja-Wort gibt. Alles andere wäre wohl sinnlos.
11. Februar 2022
Man glaubt es nicht! Die neue Änderungsverordnung zur Testverordnung ist in Kraft – und für Apotheken, die PoC-NAT-Tests für Anspruchsberechtigte durchführen, gibt’s doch nur 30 Euro pro Test. Mein liebes Tagebuch, was war das für Hin und her: Im ersten Entwurf der Änderungsverordnung waren 30 Euro vorgesehen – es gab Proteste. Dann hatte der überarbeitete Entwurf scharf kalkulierte 43,56 Euro dafür ausgerechnet – und nun in der endgültigen Fassung finden sich doch nur 30 Euro. Mein liebes Tagebuch, mit diesen 30 Euro sind kaum oder gerade mal die Verbrauchsmaterialien gedeckt. Im Klartext: Die Apotheken, die sich auf die Testung von Anspruchsberechtigten Personen einlassen, legen drauf. Nun ja, die Apotheke kann die PCR-Tests ja auch Privatzahlern anbieten zu angemessenen Preisen. Ob die Nachfrage allerdings dafür besteht?
11 Kommentare
wie einfach E-Rezept geht?
von Christian Giese am 13.02.2022 um 18:16 Uhr
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Notdienst
von Karl Friedrich Müller am 13.02.2022 um 13:44 Uhr
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AW: Notdienst
von Anita Peter am 13.02.2022 um 15:06 Uhr
AW: Notdienst
von Reinhard Rodiger am 13.02.2022 um 15:31 Uhr
AW: Kritischer Journalismus
von Stefan Siebert am 13.02.2022 um 16:39 Uhr
Autokorrektur oder Freud?
von Söder-Schröder am 13.02.2022 um 9:40 Uhr
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AW: Autokorrektur oder Freud
von Peter Ditzel am 13.02.2022 um 10:04 Uhr
AW: Autokorrektur oder Freud
von Sabine Schneider am 13.02.2022 um 14:26 Uhr
AW: Autokorrektur oder Freud
von Redaktion am 13.02.2022 um 14:40 Uhr
Wie üblich
von Karl Friedrich Müller am 13.02.2022 um 8:36 Uhr
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AW: Wie üblich
von Roland Mückschel am 14.02.2022 um 10:29 Uhr
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