Interpharm online 2022

Von resilienten und verzagten Menschen

Stuttgart - 31.03.2022, 17:49 Uhr

Dr. Christina Berndt begeisterte die Teilnehmer:innen der Interpharm online mit ihrem Festvortrag zum Thema Resilienz. (x / Foto: Schelbert / DAZ)

Dr. Christina Berndt begeisterte die Teilnehmer:innen der Interpharm online mit ihrem Festvortrag zum Thema Resilienz. (x / Foto: Schelbert / DAZ)


Was zeichnet die „Stehaufmännchen“ aus, die aus deprimierenden Situationen schnell wieder herausfinden, während andere Menschen aus der Bahn geworfen werden? „Resilienz“ heißt das Zauberwort, und welche Faktoren sie bestimmen, beschrieb die preisgekrönte Wissenschaftsjournalistin Dr. Christina Berndt im Festvortag der diesjährigen Interpharm. 

Resilienz (von lateinisch resilire ‚zurückspringen‘ ‚abprallen‘) bezeichnet in der Psychologie die Fähigkeit des Menschen, auf Probleme und Veränderungen mit Anpassung ihres Verhaltens zu reagieren. Der Begriff ist der Materialkunde entlehnt, wo er zum Beispiel anschaulich die Fähigkeit eines gedrückten Schwamms illustriert, in seine Ausgangsform zurückzukehren. 

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„Das Allerwichtigste im Leben ist Bindung – das ist sozusagen der Ur-Slogan der Resilienzforschung“, erklärte Wissenschaftsjournalistin Dr. Christina Berndt („Süddeutsche Zeitung“) in ihrem Festvortrag bei der INTERPHARM. Dabei gehe es nicht nur um die Bindung in der frühen Kindheit und Jugend. Jeder Erwachsene brauche lebenslang Freunde, mit denen ein enger menschlicher Austausch möglich ist. Wichtig sei, solche emotional tragenden Kontakte über die Zeit zu bewahren und zu pflegen. Was nicht selbstverständlich ist, da bei den meisten von uns jenseits des 25. Lebensjahrs die Zahl der Freundschaften stetig abnimmt. Virtuelle Kontakte in den „sozialen Medien“ ersetzen sie nicht!

Selbstwirksamkeit üben 

Psychologen bezeichnen mit Selbstwirksamkeit(serwartung) den Glauben an sich selbst und das Vertrauen darin, dass man in seinem sozialen Umfeld etwas bewirken kann, dass man gehört wird. Wo das nicht hinreichend gegeben ist, sei es dem Umfeld oder eigenen Defiziten geschuldet, könne man versuchen, sich mehr Einflussmöglichkeiten zu schaffen. Um Selbstwirksamkeit und damit Resilienz zu steigern, können Ratgeber, Mitstreiter, Freunde, unter Umständen auch Therapeuten hilfreich beziehungsweise vonnöten sein. „Wir schaffen das“, laute der Schlachtruf der Resilienten gegenüber den Verzagten.

Optimismus lässt sich lernen

Eine optimistische Grundhaltung sieht auch in der Krise die Chancen. Dabei gehe es nicht darum, so Berndt, sich die Dinge schönzureden, sondern sich nicht auf das Negative zu fokussieren. Man kann sich zum Beispiel von den Katastrophennachrichten des aktuellen europäischen Kriegs erschlagen lassen; man kann aber auch erkennen, dass er den Ausstieg aus fossilen Energien beschleunigen kann und den Wert liberaler Demokratie wieder ins Bewusstsein rückt. Auch die Pandemiesituation habe ihr Gutes, wo Menschen etwa die Vorteile von Homeoffice, virtuellen Treffen und einer allgemeinen Entschleunigung für sich und die Gesellschaft entdecken. Das zumindest zeitweilige Ausblenden von Sorgen sei nicht nur erlaubt, sondern gerade in Krisenzeiten geboten. 

Offen bleiben für Veränderungen

Die Anpassung an Belastungen lasse sich im Alltag durch eine offene Haltung gegenüber dem Unerwarteten trainieren. Sich auf Neues und Unvorhersehbares einlassen, neue Dinge auszuprobieren und Routinen zu verändern bezeichnete Berndt als lebensbejahende Neugier, eine Art Flexibilitätstraining für die Seele. 

Weitere Ressourcen der Resilienz lägen im Rückblick auf bewältigte Krisen und erlebte eigene Stärke. Fordert man beispielsweise einen schmerzgeplagten Rheumapatienten auf, sich an positive besetzte Situationen eigener Stärke zu erinnern, werden niedrigere Werten auf der Schmerzskala verzeichnet. „Wir tragen ein Riesenpotenzial für Resilienz gegen Krisen und Herausforderungen in uns.“ Um es zu erwecken, brauche es – man ahnt es – Krisen und Herausforderungen. Wer diesen nicht notorisch aus dem Weg geht, erfährt im Laufe des Lebens eine permanente „Stressimpfung“. Diese führe mit den Jahren auch ohne besonderes Zutun zu einer Zunahme der Resilienz. 



Ralf Schlenger, Apotheker. Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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