Nach der Sartan-Krise

Hersteller müssen an Wirkstoff-Nitrosamine als mögliche Verunreinigung denken

Stuttgart - 06.04.2022, 17:50 Uhr

Auf N-Nitroso-Vareniclin in Champix folgte jetzt N-Nitroso-Quinapril in Accuzide. (x / Packshot: Pfizer | Hintergrund: Voy_ager / AdobeStock)

Auf N-Nitroso-Vareniclin in Champix folgte jetzt N-Nitroso-Quinapril in Accuzide. (x / Packshot: Pfizer | Hintergrund: Voy_ager / AdobeStock)


Die im Sommer 2018 entdeckten Verunreinigungen mit Nitrosamin in Valsartan waren erst der Anfang. Nun machen wirkstoffähnliche Nitrosamin-Verunreinigungen auf sich aufmerksam: Nach N-Nitroso-Vareniclin im Raucherentwöhnungsmittel Champix hat Pfizer weltweit N-Nitroso- Quinapril-Präparate zurückgerufen (Accuzide). Laut Behörden muss die Rolle von Hilfsstoffen und auch die Möglichkeit der endogenen Nitrosamin-Bildung deshalb genauer untersucht werden.

Man hat sie angesichts der aktuelleren Krisen fast vergessen, die Sartan-Krise vom Sommer 2018. Nicht vergessen ist aber die Engpass-Problematik, die durch Vorkommnisse wie diese immer wieder an die Oberfläche gespült wird.

Mehr zum Thema

Zuletzt so geschehen mit dem Blutdrucksenker Accuzide von Pfizer. In einem Rote-Hand-Brief wurden vergangene Woche dessen flächendeckender Rückruf und zu erwartende Engpässe verkündet. Enthalten sind in dem Fertigarzneimittel der ACE-Hemmer Quinaprilhydrochlorid und das Diuretikum Hydrochlorothiazid. Grund für den Rückruf ist die Verunreinigung N-Nitroso-Quinapril. Wie beim Champix-Rückruf vergangenen Sommer – damals wurde N-Nitroso-Vareniclin entdeckt – geht es also wieder um eine sogenannte wirkstoffähnliche Nitrosamin-Verunreinigung (NO-API, active pharmaceutical ingredient). 

Die neuesten Erkenntnisse der Ursachensuche

Am 28. März 2022 wurden die wichtigsten Punkte der fünften Sitzung der „Nitrosamin Implementation Oversight Group“ (NIOG) der europäischen Arzneimittelbehörde EMA veröffentlicht. Sie überwacht die Maßnahmen, die aufgrund der im Sommer 2018 entdeckten Nitrosamin-Verunreinigungen eingeleitet wurden, und dient nach eigenen Angaben als Schnittstelle zwischen Industrie und Regulierungsbehörden. 

Der dritte von vier Punkten lautet dort: Die NIOG nimmt die jüngsten wissenschaftlichen Entwicklungen hinsichtlich der Ursache der Bildung von Wirkstoff-Nitrosaminen wahr. Ursache sollen Nitrite sein, die in Spuren in Hilfsstoffen vorkommen sollen. Es werde diesbezüglich nun ein rascher Informationsaustausch nötig. Man wolle die Fragen und Antworten zu den Ursachen aktualisieren, um dieses NO-API-Risiko deutlich hervorzuheben. Diese wurden bereits am 24. März aktualisiert veröffentlicht. Darin geht es beispielsweise auch darum, wie man mehrere Nitrosamin-Verunreinigungen in einem Produkt kontrolliert.

Doch detailliertere Einblicke bekam man bereits über eine im NIOG-Dokument verlinkte Präsentation vom Dezember 2021. Daraus geht zum Beispiel hervor, dass auch bei Metformin noch mit hoher Priorität die zugrundeliegenden Ursachen möglicher Nitrosamin-Verunreinigungen untersucht werden. Und die Überschrift „endogene Nitrosamine“ auf einer Folie erinnert an den Fall Ranitidin. Tatsächlich wurde schon dort das Thema der Wirkstoff-Nitrosamine (NO-APIs) aufgegriffen, von denen zunehmend berichtet werde. Während die Ursache wie erwähnt in Nitriten aus den Hilfsstoffen zu liegen scheint, heißt es aber, dass „durch Extrapolation“ auch die Bedingungen im Gastrointestinaltrakt für die Nitrosierung dieser Wirkstoffe günstig zu sein scheinen. Weitere Daten sollten dazu im Rahmen einer Studie erhoben werden, heißt es.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.