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Nach der Sartan-Krise
Hersteller müssen an Wirkstoff-Nitrosamine als mögliche Verunreinigung denken
Die im Sommer 2018 entdeckten Verunreinigungen mit Nitrosamin in Valsartan waren erst der Anfang. Nun machen wirkstoffähnliche Nitrosamin-Verunreinigungen auf sich aufmerksam: Nach N-Nitroso-Vareniclin im Raucherentwöhnungsmittel Champix hat Pfizer weltweit N-Nitroso- Quinapril-Präparate zurückgerufen (Accuzide). Laut Behörden muss die Rolle von Hilfsstoffen und auch die Möglichkeit der endogenen Nitrosamin-Bildung deshalb genauer untersucht werden.
Man hat sie angesichts der aktuelleren Krisen fast vergessen, die Sartan-Krise vom Sommer 2018. Nicht vergessen ist aber die Engpass-Problematik, die durch Vorkommnisse wie diese immer wieder an die Oberfläche gespült wird.
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Zuletzt so geschehen mit dem Blutdrucksenker Accuzide von Pfizer. In einem Rote-Hand-Brief wurden vergangene Woche dessen flächendeckender Rückruf und zu erwartende Engpässe verkündet. Enthalten sind in dem Fertigarzneimittel der ACE-Hemmer Quinaprilhydrochlorid und das Diuretikum Hydrochlorothiazid. Grund für den Rückruf ist die Verunreinigung N-Nitroso-Quinapril. Wie beim Champix-Rückruf vergangenen Sommer – damals wurde N-Nitroso-Vareniclin entdeckt – geht es also wieder um eine sogenannte wirkstoffähnliche Nitrosamin-Verunreinigung (NO-API, active pharmaceutical ingredient).
Die neuesten Erkenntnisse der Ursachensuche
Am 28. März 2022 wurden die wichtigsten Punkte der fünften Sitzung der „Nitrosamin Implementation Oversight Group“ (NIOG) der europäischen Arzneimittelbehörde EMA veröffentlicht. Sie überwacht die Maßnahmen, die aufgrund der im Sommer 2018 entdeckten Nitrosamin-Verunreinigungen eingeleitet wurden, und dient nach eigenen Angaben als Schnittstelle zwischen Industrie und Regulierungsbehörden.
Der dritte von vier Punkten lautet dort: Die NIOG nimmt die jüngsten wissenschaftlichen Entwicklungen hinsichtlich der Ursache der Bildung von Wirkstoff-Nitrosaminen wahr. Ursache sollen Nitrite sein, die in Spuren in Hilfsstoffen vorkommen sollen. Es werde diesbezüglich nun ein rascher Informationsaustausch nötig. Man wolle die Fragen und Antworten zu den Ursachen aktualisieren, um dieses NO-API-Risiko deutlich hervorzuheben. Diese wurden bereits am 24. März aktualisiert veröffentlicht. Darin geht es beispielsweise auch darum, wie man mehrere Nitrosamin-Verunreinigungen in einem Produkt kontrolliert.
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Doch detailliertere Einblicke bekam man bereits über eine im NIOG-Dokument verlinkte Präsentation vom Dezember 2021. Daraus geht zum Beispiel hervor, dass auch bei Metformin noch mit hoher Priorität die zugrundeliegenden Ursachen möglicher Nitrosamin-Verunreinigungen untersucht werden. Und die Überschrift „endogene Nitrosamine“ auf einer Folie erinnert an den Fall Ranitidin. Tatsächlich wurde schon dort das Thema der Wirkstoff-Nitrosamine (NO-APIs) aufgegriffen, von denen zunehmend berichtet werde. Während die Ursache wie erwähnt in Nitriten aus den Hilfsstoffen zu liegen scheint, heißt es aber, dass „durch Extrapolation“ auch die Bedingungen im Gastrointestinaltrakt für die Nitrosierung dieser Wirkstoffe günstig zu sein scheinen. Weitere Daten sollten dazu im Rahmen einer Studie erhoben werden, heißt es.
FDA: Kann der Zusatz von Vitamin C und E die Nitrosaminbildung verhindern?
Schon am 31. Januar 2022 hatte das Portal „GMP Navigator“ über wirkstoffähnliche Nitrosamin-Verunreinigungen berichtet (drug substance-related impurities = NDSRIs) – genauer gesagt über „Empfehlungen der FDA zur Risikominimierung durch Änderungen im Formulierungsdesign“. Das Portal beruft sich dabei auf ein Dokument der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA vom 18. November 2021. Neben Hilfsstoffen wird darin auch Wasser als mögliche Nitrit-Quelle genannt.
Tatsächlich macht die FDA auch Lösungsvorschläge für das Problem: „Basierend auf einer Literaturrecherche zum Thema Unterdrückung der Nitrosamin-Bildung durch Antioxidanzien wie z. B. Ascorbinsäure (Vitamin C) oder Alpha-Tocopherol (Vitamin E) empfiehlt die Behörde den Zusatz dieser Substanzen zur Formulierung von Arzneimitteln zu prüfen, vor allem dann, wenn die Risikobewertung eine eventuelle Bildung von Wirkstoff-ähnlichen Nitrosaminen nicht ausschließt“, erklärt der „GMP-Navigator“. Zudem verweist die FDA auf eine Vielzahl weiterer Fachartikel zum Thema.
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Ebenfalls am 31. Januar 2022 berichtete „GMP-Navigator“ über Nitrosamine in pflanzlichen Arzneimitteln. In diesem Fall unter Berufung auf ein EMA-Dokument vom 24. November 2021, genauer gesagt des Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC). Damit sei festgelegt worden, „dass neue Zulassungs- / Registrierungsanträge für pflanzliche Arzneimittel (einschließlich traditioneller Arzneimittel) eine Risikobewertung“ hinsichtlich Nitrosaminen enthalten müssen. „Bereits zugelassene / registrierte (traditionelle) pflanzliche Arzneimittel“ sind von den Nitrosaminüberprüfungen bislang nicht betroffen, außer es wird vorab ein Kontaminationsrisiko vermutet.
Lieferantenqualifizierung wird oft nur oberflächlich durchgeführt
Auch der „GMP-Verlag Peither AG“ berichtete erst im Februar 2022 über „Behördenaktivitäten zur Vermeidung von Nitrosaminen in Arzneimitteln“. In dem Beitrag kritisiert der GMP-Inspektor Dr. Franz Schönfeld: „Die Lieferantenqualifizierung von Wirkstoffherstellern wird oft nur oberflächlich durchgeführt bzw. es werden Auditberichte von schlechter Qualität eingekauft.“ Der Arzneimittelhersteller sei aber verpflichtet, über detaillierte Informationen zum Herstellungsprozess des Wirkstoffs zu verfügen. Je mehr Arzneimittelhersteller sich die Wirkstoffsynthesen tatsächlich im Detail vor Ort ansehen, desto besser werden die Herstellungsverfahren, heißt es.
Damit wird deutlich, dass es nicht nur auf wissenschaftlicher Ebene hinsichtlich Verunreinigungen mit Nitrosaminen viel zu tun gab und gibt.
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Die NIOG stellte in der Präsentation vom Dezember 2021 jedenfalls fest, dass die Überprüfung der chemischen Arzneimittel auf Nitrosamine in den letzten Zügen sei. Die Frist endet am 26. September 2022. Damit einher gehe ein erhöhtes Meldeaufkommen, was vielleicht den kürzlichen Accuzide-Rückruf erklärt. Allerdings geht aus den „Key Quality Topics for 2022“ auch hervor, dass beispielsweise Biologika weiterhin kritisch untersucht werden.
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