Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

19.06.2022, 07:30 Uhr

Pharmazeutische Dienstleistungen im güldenen Glanz? Von wegen! (Foto: Alex Schelbert)

Pharmazeutische Dienstleistungen im güldenen Glanz? Von wegen! (Foto: Alex Schelbert)


Der Meilenstein-Quantensprung-Freudetaumel bei der ABDA über die bevorstehenden pharmazeutischen Dienstleistungen, die wir eigenmächtig erbringen dürfen, hält an. Auch wenn Ärztefunktionäre neidvoll gegen das Honorar poltern, der AOK-Bundesverband sogar meint, unsere Honorare seien viel zu hoch – wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen. Und wenn der Honorartopf aufgebraucht ist, dann arbeiten wir sogar „für umme“. Eine echte Sorge trübt die Freude: der Personalmangel. Wer soll die Leistungen erbringen, wenn’s Personal fehlt? Wie begeistert man z. B. junge Menschen für den PTA-Beruf, wenn sie ihre Ausbildung sogar selbst bezahlen müssen? 

13. Juni 2022

Noch haben wir keine einzige der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen abgerechnet – und schon poltern die Ärzte dagegen und sehen in den apothekerlichen Leistungen einen Angriff auf die hausärztliche Versorgung. Nun, liebe Ärztefunktionäre, lasst doch mal die Kirche im Dorf und hasst nicht so auf eure lieben Heilberufsschwestern und -brüder ab. Was da als pharmazeutische Dienstleistungen ausgehandelt wurde, werden die Apothekerinnen und Apotheker, die diese Leistungen erbringen und ihren Patientinnen und Patienten anbieten wollen, mit hervorragender Qualität tun. Habt da mal keine Sorge, Medikationsanalyse ist wirklich unser Ding. Und auch für die Betreuung von Tumorpatienten oder die Beratung bei Asthma-Devices sind oder werden wir aus- und fortgebildet. Und seid doch mal ehrlich, würdet ihr euch wirklich eine Stunde Zeit nehmen für eine Patientin, einen Patienten, um mit ihnen die Medikation en detail  durchzugehen und zu besprechen? Also, mein liebes Tagebuch, reden wir nicht um den heißen Brei, letztlich geht es den Ärztevertretern nur ums Geld, wie sie auch selbst ganz offen ansprechen. Sie fühlen ihre hausärztlichen Leistungen nicht ausreichend gewürdigt. Nun, dazu können wir Apothekers nichts sagen. Wenn sich die Ärzteschaft nicht adäquat honoriert fühlt, geht das nicht auf unser Konto. Und wenn dann so Sätze fallen wie „Wer Patientinnen und Patienten berät und behandelt, sollte nicht nur Medizin studiert haben, sondern klinische Erfahrung auf Facharztniveau haben“ (O-Ton Werner Baumgärtner vom Medi-Verbund), dann sind das doch wirklich keine sachlichen Argumente mehr, sondern Standesdenken aus dem letzten Jahrhundert. Also, liebe Funktionäre, beruhigt euch, die Patientinnen und Patienten werden in Apotheken auf höchstem Niveau pharmazeutisch betreut und beraten.

 

Das selbstgesteckte Ziel der Gematik von 30.000 eingelösten und auch abgerechneten E-Rezepten rückt näher und näher, vermutlich ist es Ende Juli soweit. Und bis jetzt scheint alles weitgehend ohne große technische Probleme abgelaufen zu sein. Mein liebes Tagebuch, ab 1. September, wenn dann wirklich alle Apotheken E-Rezept-ready sind, kann’s dann offiziell losgehen, zunächst in den Regionen Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe. So ein bisschen Spannung steckt da schon drin.

 

Unser Bauchgefühl hat’s bereits gesagt: Patientinnen und Patienten schätzen es, wenn sie sich in Apotheken gegen Grippe impfen lassen können. Nun zeigen dies auch ganz offiziell die Evaluationsdaten, die der Landesapothekerverband und die AOK Niedersachsen vorgelegt haben. Die leichte Erreichbarkeit, keine Wartezeiten, Vertrauen in die Kompetenz der Apotheke und günstige Öffnungszeiten sind die am häufigsten genannten Beweggründe, warum sich jemand für eine Grippeschutzimpfung in der Apotheke entschieden hat. 94 Prozent der in Apotheken Geimpften waren sehr zufrieden und würden sich daher wieder in einer Apotheke impfen lassen. Mein liebes Tagebuch, wenn das kein Riesenerfolg für die Apotheke ist! Dann kann’s im Herbst bundesweit losgehen für alle Apotheken, die sich fürs Impfen fortgebildet haben und es in ihrer Apotheke anbieten wollen. Die Bundesregierung hat den Weg dafür mit dem Pflegebonusgesetz frei gemacht.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Wer macht so was ?

von ratatosk am 20.06.2022 um 14:56 Uhr

Würde mit diesem Deckel sicher so keiner sonst so abschließen.
Aber, es ist auch nicht so wild, die Personalfragen werden es zum einen regeln und zum anderen kann man es selbst regeln da man ja Termine vergeben muß um es vernünftig zu gestalten, da sind Wartezeiten gut zu erklären und bringen bei sachgerechter Beratung nur die GKV in Erklärungsnot.

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Abrechnungs-Mechanismus

von Tobias Kast am 20.06.2022 um 8:35 Uhr

Was sind die Folgen, wenn nun viele Apotheken ab 1.000 € / Quartal (ca 1 BDM pro Tag, auch durch PTAs machbar) die Arbeit an pDL einstellen würden - um nicht knappes Personal für potentiell unbezahlte Arbeit einzusetzen?
(Außenwirkung?)

Fördert eine "Berücksichtigung der Priorität" auch bei dem "sicheren" Betrag wirklich eine Erbringung von höher priorisierten Dienstleistungen, wenn man dadurch bereits erbrachte, niedriger priorisierte DL "in den Wettbewerb um Bezahlung" schiebt?
(Oder ist hier eine umgekehrte Berücksichtigung 3>2>1 gemeint? ... ... ... )

Ist ein "Wettbewerb darum, überhaupt bezahlt zu werden" wirklich das richtige Signal über die vorhandenen Reserven in vielen Apotheken? (An den Nachwuchs? An die Politik?)

Was ist die Begründung für diese Entscheidung? Welche Alternativen wurden abgewogen?
Sollte hier z.B. eine Budgetierung über ein Punktesystem vermieden werden? (z.B. mit der Sorge, damit keine Kostendeckung zu erreichen...?)
Wurden Konzepte wie das von Prof Herzog hier umrissene überhaupt erwogen?
(Und nachdem die Verbände jetzt ihre ganz eigene Gedisa haben und ein "Apotheken-Manager" schon steht... wäre ja evtl ein Platz für so eine Budget-Zuweisungs-Plattform...)
War hier evtl die Angst das Budget auf diesem Wege nicht auszuschöpfen - auch z.B. wieder als falsches Signal über Reserven und Budgetbedarf in Apotheken - zu groß?

Wie war das mit der Transparenz?...
vielleicht im Nachgang...?
Oder ist nach dem einen Hinderungsgrund = vor dem anderen Hinderungsgrund...?

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AW: Abrechnungs-Mechanismus

von Reinhard Rodiger am 20.06.2022 um 10:51 Uhr

Ich glaube, der Gedanke überhaupt bezahlt zu werden,hat alles überlagert.Hinzu kommt die Chance, die wenigen zum Überleben noch vorgesehenen mit Material zu versorgen.60%
sind nicht mehr vorgesehen.Gerade die bräuchte man, wenn eine Verbesserung der Einstellungsqualität bei Hypertonikern tatsächlich das Ziel wäre.Ein paar Leuchttürme für eine Massenerkrankung macht keinen Sinn.Ebenso macht es keinen Sinn, Diabetes weg zu lassen.Nebenbei, in England wurde die MUR (Medication Review) abgesetzt.Hier gilt sie als wichtigstes.Mir fehlt die Zielsetzung. Da konkurriert das ominöse „Überhaupt“ mit dem Umfang dessen was erreicht werden soll.Danach würde sich die Höhe des Budgets richten.
Also Verbesserung der Einstellungsqualität um x%. Oder bei 5 Mio Patienten mit Polymedikation y% erfassen usw. Nach diesen Kriterien bemisst sich ein Budget, das hinsichtlich
Nutzen verfolgt wird.Das heißt, das Ziel ist maßgebend, nicht
der Wille, bei irgendwas bezahlt zu werden.

Kluger Verteilmechanismus!??

von Reinhard Herzog am 19.06.2022 um 10:20 Uhr

Sorry, aber einen blöderen Verteilungsmechanismus kann man sich wohl kaum vorstellen. Das einzig Positive: Bis gerade mal zur Hälfte - das entspricht den 1.000 € / Quartal + Apotheke - ist quasi alles egal.

Darüber beginnt die Honorar-Geisterbahnfahrt je nach Prio-Gruppe.

Nun gut, irgendwie muss man halt starten, so what. Aber das kann keinesfalls so bleiben, aus gesundheitsökonomischen, aber auch aus Gründen der Planungssicherheit.

Man wird einen neuen Mechanismus brauchen.

Die pDL wird man einzeln budgetieren müssen, d.h. xa, xb, xc Mio. für AMTS a, b, c ..., y Mio. für Inhalator-Schulungen, z Mio. für Blutdruckmessungen, ... Mio. für ... künftige Leistungen. Idealerweise je nach Kosten-Nutzen-Relation.

Nicht alle Apotheken werden alle Qualifikationen haben, und davon werden nicht alle alles anbieten wollen. Jenen für die einzelne Leistung Honorarverteilungsberechtigten wird dann z.B. nach Zahl der individuellen Rx-Packungen (= einfachstes Kriterium für die Mengensteuerung) ein individuelles Budget für die einzelnen Leistungen zugewiesen (Anzahl pro Quartal / Jahr). Damit weiß jeder, was er abrechnen kann - im Vorhinein.

Dazu müssten sich zwar die Apotheken entsprechend registrieren, was aber in unserer heutigen IT-Welt kein Problem sein sollte. Da müssen wir für weitaus unsinnigere Dinge zahlreiche IT-Prozeduren über uns ergehen lassen.

Diese Frage ist elementar für den Erfolg der pDL und sollte schnellstmöglich angegangen werden,

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