Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

19.06.2022, 07:30 Uhr

Pharmazeutische Dienstleistungen im güldenen Glanz? Von wegen! (Foto: Alex Schelbert)

Pharmazeutische Dienstleistungen im güldenen Glanz? Von wegen! (Foto: Alex Schelbert)


15. Juni 2022

Ein Meilenstein, ein Quantensprung, ein historischer Tag, Begeisterung – unsere ABDA-Präsidentin ist im Freudentaumel und kann nicht genug der überschäumenden Worte finden für das, was sich da für uns Apothekers mit der Veröffentlichung des Schiedsspruchs am 10. Juni an Möglichkeiten und Chancen aufgetan hat. Und ja, mein liebes Tagebuch, es ist ja in der Tat etwas Besonderes in unserem Pharmazeutenleben, was uns da nun offensteht: Wir dürfen bestimmte Leistungen zulasten der Krankenkassen auslösen – das war so noch nie da gewesen. Es sind Leistungen, die unseren Patientinnen und Patienten Mehrwerte und Lebensqualität bringen können. Aber nun mal genug des Freudentaumels. Denn wo Licht ist, ist auch Schatten – und der kann hier recht dunkel sein. Um solche Dienstleistungen anbieten zu können, braucht’s in der Regel erstmal ein paar Schulungen und vor allem: Personal! Personal, das Zeit hat diese Leistungen zu erbringen. Und dann haben wir den großen Schatten auf der Honorierung, die, nun ja, gedeckelt ist: Mehr als 150 Mio. Euro für all die schönen Leistungspäckchen sind nicht drin im Topf. Und wenn’s nicht reicht und recht viele Apotheken recht fleißig diese Leistungen erbringen, dann gibt’s halt weniger als das vorgesehene Honorar für die pharmazeutischen Anstrengungen oder auch schon mal nix. Da hilft es auch nicht weiter, dass 1000 Euro als Leistungsentgelt für die höherwertigen Leistungen garantiert sein sollen. Und ob das Geld im Topf ausreicht oder nicht, weiß man natürlich frühestens erst hinterher, nach einem Quartal, wenn abgerechnet wird. Aber so ist das eben bei solchen Kassenhonoraren. Mein liebes Tagebuch, Apotheken, die sich voller Freude und Enthusiasmus auf die Dienstleistungen stürzen wollen – und das sind laut einer DAZ.online-Umfrage nicht wenige, mögen sich von solchen Schattenseiten nicht beeinflussen lassen. Einfach mal machen, dann sieht man weiter. Und vielleicht reicht das Geld ja aus…

 

Was man auf dem Schirm haben sollte, bei aller Meilenstein-Quantensprung-Vorfreude: Die Kassen sind nicht wirklich „amused“ darüber, dass Apotheken eigenmächtig Dienstleistungen auslösen können und die Kassen dafür bezahlen sollen. Vor allem, so lässt Carola Reimann, Chefin des AOK-Bundesverbands wissen, seien die Honorare für die Dienstleistungen viel zu hoch angesetzt und stünden in keinem Verhältnis zur Vergütung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Ui ui ui, mein liebes Tagebuch, da macht aber jemand kräftig Rabatz gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen. Und sie setzt noch eins drauf: „Angesichts der dramatischen Finanzlage der GKV gibt es aktuell keinen Spielraum für finanzielle Wohltaten, weder in Richtung der Apotheken noch in Richtung der Arztpraxen“. So, so, unsere pharmazeutischen Dienstleistungen sind also finanzielle Wohltaten? Das hört sich ja gerade so an, als ob wir da etwas fürs Nichtstun geschenkt bekommen. Unglaublich, oder? Vielleicht sollten wir mal in einem Jahr die AOK-Versicherten fragen, wie gut ihnen die Dienstleistungen getan haben, welchen Mehrwert und wie viel an Lebensqualität sie dadurch bekommen haben. 



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Wer macht so was ?

von ratatosk am 20.06.2022 um 14:56 Uhr

Würde mit diesem Deckel sicher so keiner sonst so abschließen.
Aber, es ist auch nicht so wild, die Personalfragen werden es zum einen regeln und zum anderen kann man es selbst regeln da man ja Termine vergeben muß um es vernünftig zu gestalten, da sind Wartezeiten gut zu erklären und bringen bei sachgerechter Beratung nur die GKV in Erklärungsnot.

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Abrechnungs-Mechanismus

von Tobias Kast am 20.06.2022 um 8:35 Uhr

Was sind die Folgen, wenn nun viele Apotheken ab 1.000 € / Quartal (ca 1 BDM pro Tag, auch durch PTAs machbar) die Arbeit an pDL einstellen würden - um nicht knappes Personal für potentiell unbezahlte Arbeit einzusetzen?
(Außenwirkung?)

Fördert eine "Berücksichtigung der Priorität" auch bei dem "sicheren" Betrag wirklich eine Erbringung von höher priorisierten Dienstleistungen, wenn man dadurch bereits erbrachte, niedriger priorisierte DL "in den Wettbewerb um Bezahlung" schiebt?
(Oder ist hier eine umgekehrte Berücksichtigung 3>2>1 gemeint? ... ... ... )

Ist ein "Wettbewerb darum, überhaupt bezahlt zu werden" wirklich das richtige Signal über die vorhandenen Reserven in vielen Apotheken? (An den Nachwuchs? An die Politik?)

Was ist die Begründung für diese Entscheidung? Welche Alternativen wurden abgewogen?
Sollte hier z.B. eine Budgetierung über ein Punktesystem vermieden werden? (z.B. mit der Sorge, damit keine Kostendeckung zu erreichen...?)
Wurden Konzepte wie das von Prof Herzog hier umrissene überhaupt erwogen?
(Und nachdem die Verbände jetzt ihre ganz eigene Gedisa haben und ein "Apotheken-Manager" schon steht... wäre ja evtl ein Platz für so eine Budget-Zuweisungs-Plattform...)
War hier evtl die Angst das Budget auf diesem Wege nicht auszuschöpfen - auch z.B. wieder als falsches Signal über Reserven und Budgetbedarf in Apotheken - zu groß?

Wie war das mit der Transparenz?...
vielleicht im Nachgang...?
Oder ist nach dem einen Hinderungsgrund = vor dem anderen Hinderungsgrund...?

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AW: Abrechnungs-Mechanismus

von Reinhard Rodiger am 20.06.2022 um 10:51 Uhr

Ich glaube, der Gedanke überhaupt bezahlt zu werden,hat alles überlagert.Hinzu kommt die Chance, die wenigen zum Überleben noch vorgesehenen mit Material zu versorgen.60%
sind nicht mehr vorgesehen.Gerade die bräuchte man, wenn eine Verbesserung der Einstellungsqualität bei Hypertonikern tatsächlich das Ziel wäre.Ein paar Leuchttürme für eine Massenerkrankung macht keinen Sinn.Ebenso macht es keinen Sinn, Diabetes weg zu lassen.Nebenbei, in England wurde die MUR (Medication Review) abgesetzt.Hier gilt sie als wichtigstes.Mir fehlt die Zielsetzung. Da konkurriert das ominöse „Überhaupt“ mit dem Umfang dessen was erreicht werden soll.Danach würde sich die Höhe des Budgets richten.
Also Verbesserung der Einstellungsqualität um x%. Oder bei 5 Mio Patienten mit Polymedikation y% erfassen usw. Nach diesen Kriterien bemisst sich ein Budget, das hinsichtlich
Nutzen verfolgt wird.Das heißt, das Ziel ist maßgebend, nicht
der Wille, bei irgendwas bezahlt zu werden.

Kluger Verteilmechanismus!??

von Reinhard Herzog am 19.06.2022 um 10:20 Uhr

Sorry, aber einen blöderen Verteilungsmechanismus kann man sich wohl kaum vorstellen. Das einzig Positive: Bis gerade mal zur Hälfte - das entspricht den 1.000 € / Quartal + Apotheke - ist quasi alles egal.

Darüber beginnt die Honorar-Geisterbahnfahrt je nach Prio-Gruppe.

Nun gut, irgendwie muss man halt starten, so what. Aber das kann keinesfalls so bleiben, aus gesundheitsökonomischen, aber auch aus Gründen der Planungssicherheit.

Man wird einen neuen Mechanismus brauchen.

Die pDL wird man einzeln budgetieren müssen, d.h. xa, xb, xc Mio. für AMTS a, b, c ..., y Mio. für Inhalator-Schulungen, z Mio. für Blutdruckmessungen, ... Mio. für ... künftige Leistungen. Idealerweise je nach Kosten-Nutzen-Relation.

Nicht alle Apotheken werden alle Qualifikationen haben, und davon werden nicht alle alles anbieten wollen. Jenen für die einzelne Leistung Honorarverteilungsberechtigten wird dann z.B. nach Zahl der individuellen Rx-Packungen (= einfachstes Kriterium für die Mengensteuerung) ein individuelles Budget für die einzelnen Leistungen zugewiesen (Anzahl pro Quartal / Jahr). Damit weiß jeder, was er abrechnen kann - im Vorhinein.

Dazu müssten sich zwar die Apotheken entsprechend registrieren, was aber in unserer heutigen IT-Welt kein Problem sein sollte. Da müssen wir für weitaus unsinnigere Dinge zahlreiche IT-Prozeduren über uns ergehen lassen.

Diese Frage ist elementar für den Erfolg der pDL und sollte schnellstmöglich angegangen werden,

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