Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

19.06.2022, 07:30 Uhr

Pharmazeutische Dienstleistungen im güldenen Glanz? Von wegen! (Foto: Alex Schelbert)

Pharmazeutische Dienstleistungen im güldenen Glanz? Von wegen! (Foto: Alex Schelbert)


14. Juni 2022

Jetzt sind auch die offiziellen ABDA-Antworten auf das Prozedere rund um die pharmazeutischen Dienstleistungen da, z. B. unter welchen Voraussetzungen Apotheken solche Dienstleistungen anbieten können, welcher Versicherte sie beanspruchen kann und wie Abrechnung und Vergütung erfolgen. Apothekerinnen und Apotheker finden diese Antworten im geschlossenen Mitgliederbereich des ABDA-Portals. DAZ-Wirtschaftsredakteur Dr. Thomas Müller-Bohn hat sich derweil schon mal angeschaut, wie die Dienstleistungen tatsächlich honoriert werden. Immerhin ist der Topf, aus dem die Dienstleistungen bezahlt werden, gedeckelt: 150 Mio. sind drin, mehr gibt’s nicht. Sollten mehr Dienstleistungen erbracht werden, reicht’s nicht mehr – dann greift ein komplexer Anpassungsmechanismus, der doch für eine beachtliche Planungssicherheit sorgen soll. Mein liebes Tagebuch, der Beitrag von Müller-Bohn ist lesenswert. Darin wird auch erklärt, was es mit der 1000-Euro-Grenze auf sich hat: Bis zu diesem Wert können Apotheken pro Quartal Dienstleistungen erbringen, ohne Abschläge fürchten zu müssen. Und was ist, wenn mehr Dienstleistungen abgerechnet werden? Dann orientieren sich die verschiedenen Leistungen an Prioritäten, wobei ein Anreiz dafür gesetzt werden soll, höher priorisierte Leistungen zu erbringen. So kann es sein, dass z. B. fürs Blutdruckmessen eher weniger Geld zur Verfügung stehen wird.  Und ja, es wird dann Kürzungen geben und manche Prioritätsstufen können auch leer ausgehen, d.h., man erbringt die Dienstleistung ohne Honorar. Mein liebes Tagebuch, wie diese Mechanismen dann tatsächlich greifen und was für ganz fleißige Apotheken letztlich im Quartal herauskommen wird, werden die ersten Abrechnungen zeigen. Und sollten tatsächlich sehr viele Apotheken sehr viele hochwertige Dienstleistungen erbringen, relativieren sich die vereinbarten Honorare sehr schnell, sprich, 1000 Euro plus X im Quartal – fragt sich nur wie groß X ist. Ob die Apotheken dann ihr Leistungsangebot an die Patientinnen und Patienten wieder zurückfahren?

 

Obwohl die Ergebnisse der von einer Unternehmensberatung analysierten ABDA-Struktur bisher nicht öffentlich kommuniziert wurden, sind sie doch den Kammern und Verbänden bekannt. Und die Diskussionen darüber laufen auf Hochtouren. Was bisher öffentlich wurde, lässt sich wohl unter dem Label zusammenfassen: Die ABDA soll professioneller und schlanker werden, mit kleineren Gremien auf weniger Ebenen. Kammern und Verbänden befürchten bereits, dass sie an Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten verlieren könnten. Manfred Saar, Präsident der Apothekerkammer des Saarlands, hat bereits „erheblichen Widerstand gegen solche Reformvorschläge angekündigt. Jetzt meldet sich Danny Neidel, Geschäftsführer der Apothekerkammer Thüringen, zu Wort. Er sieht in der ABDA-Strukturreform „die falsche Richtung“. Er berichtet, dass zukünftig Beschlüsse der rund 400 Delegierten des Deutschen Apothekertags nicht mehr bindend für die Arbeit der ABDA sein sollen. Die durch die Hauptversammlung der Apothekerschaft getroffenen Entscheidungen müssten dann erst noch die Zustimmung der ABDA-Mitgliederversammlung finden. Neidel fürchtet, dass aus dem „lebendigen berufspolitischen Diskurs“ ein „verzichtbares Theaterstück ohne Wert“ werden könnte. Mein liebes Tagebuch, da könnten mir sogar noch andere Wörter für „Theaterstück“ einfallen. Nein, das wäre dann wirklich das Ende des demokratischen Willensprozesses beim Apotag. Neidel hat noch eine ganze Reihe weitere Kritikpunkte, z. B. die angedachte Auflösung der Kombination aus einem Hauptamt und einem Ehrenamt, also Hauptgeschäftsführer(in) und ABDA-Präsident(in). Er bringt es auf den Punkt: „Der Gedanke von ‚Denen da oben‘ wird es leichter haben um sich zu greifen“. Mein liebes Tagebuch, bei aller Liebe zur Verschlankung und zu kleinen Gremien: So sollte es in der Tat nicht laufen, dass alle Macht auf nur ganz wenige konzentriert wird. Über die Strukturanalyse wird wohl noch länger, ausführlicher und öffentlicher diskutiert werden müssen.

 

Arzneimittellieferdienste wie Mayd, Kurando und Co können sich noch lange nicht sicher sein, dass ihr Geschäftsmodell rechtlich wirklich hieb- und stichfest ist. In der Kritik stehen dabei vor allem die provisionsbasierten Preismodelle dieser Kurierdienste, also Vereinbarungen, die sich am Umsatz oder Gewinn der Apotheke orientieren. Ein Verfahren dazu ist bereits im Gange, angestoßen von der Apothekerkammer Nordrhein. Auch das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSO), in Berlin zuständig für die Apothekenaufsicht hat Bedenken, ob die Kooperationsverträge zwischen Arzneimittellieferdiensten und Apotheken mit geltendem Apothekenrecht vereinbar sind. Ein Verwaltungsverfahren dazu läuft an. Mein liebes Tagebuch,  wir werden sehen, wie der juristische Streit ausgehen wird.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Wer macht so was ?

von ratatosk am 20.06.2022 um 14:56 Uhr

Würde mit diesem Deckel sicher so keiner sonst so abschließen.
Aber, es ist auch nicht so wild, die Personalfragen werden es zum einen regeln und zum anderen kann man es selbst regeln da man ja Termine vergeben muß um es vernünftig zu gestalten, da sind Wartezeiten gut zu erklären und bringen bei sachgerechter Beratung nur die GKV in Erklärungsnot.

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Abrechnungs-Mechanismus

von Tobias Kast am 20.06.2022 um 8:35 Uhr

Was sind die Folgen, wenn nun viele Apotheken ab 1.000 € / Quartal (ca 1 BDM pro Tag, auch durch PTAs machbar) die Arbeit an pDL einstellen würden - um nicht knappes Personal für potentiell unbezahlte Arbeit einzusetzen?
(Außenwirkung?)

Fördert eine "Berücksichtigung der Priorität" auch bei dem "sicheren" Betrag wirklich eine Erbringung von höher priorisierten Dienstleistungen, wenn man dadurch bereits erbrachte, niedriger priorisierte DL "in den Wettbewerb um Bezahlung" schiebt?
(Oder ist hier eine umgekehrte Berücksichtigung 3>2>1 gemeint? ... ... ... )

Ist ein "Wettbewerb darum, überhaupt bezahlt zu werden" wirklich das richtige Signal über die vorhandenen Reserven in vielen Apotheken? (An den Nachwuchs? An die Politik?)

Was ist die Begründung für diese Entscheidung? Welche Alternativen wurden abgewogen?
Sollte hier z.B. eine Budgetierung über ein Punktesystem vermieden werden? (z.B. mit der Sorge, damit keine Kostendeckung zu erreichen...?)
Wurden Konzepte wie das von Prof Herzog hier umrissene überhaupt erwogen?
(Und nachdem die Verbände jetzt ihre ganz eigene Gedisa haben und ein "Apotheken-Manager" schon steht... wäre ja evtl ein Platz für so eine Budget-Zuweisungs-Plattform...)
War hier evtl die Angst das Budget auf diesem Wege nicht auszuschöpfen - auch z.B. wieder als falsches Signal über Reserven und Budgetbedarf in Apotheken - zu groß?

Wie war das mit der Transparenz?...
vielleicht im Nachgang...?
Oder ist nach dem einen Hinderungsgrund = vor dem anderen Hinderungsgrund...?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Abrechnungs-Mechanismus

von Reinhard Rodiger am 20.06.2022 um 10:51 Uhr

Ich glaube, der Gedanke überhaupt bezahlt zu werden,hat alles überlagert.Hinzu kommt die Chance, die wenigen zum Überleben noch vorgesehenen mit Material zu versorgen.60%
sind nicht mehr vorgesehen.Gerade die bräuchte man, wenn eine Verbesserung der Einstellungsqualität bei Hypertonikern tatsächlich das Ziel wäre.Ein paar Leuchttürme für eine Massenerkrankung macht keinen Sinn.Ebenso macht es keinen Sinn, Diabetes weg zu lassen.Nebenbei, in England wurde die MUR (Medication Review) abgesetzt.Hier gilt sie als wichtigstes.Mir fehlt die Zielsetzung. Da konkurriert das ominöse „Überhaupt“ mit dem Umfang dessen was erreicht werden soll.Danach würde sich die Höhe des Budgets richten.
Also Verbesserung der Einstellungsqualität um x%. Oder bei 5 Mio Patienten mit Polymedikation y% erfassen usw. Nach diesen Kriterien bemisst sich ein Budget, das hinsichtlich
Nutzen verfolgt wird.Das heißt, das Ziel ist maßgebend, nicht
der Wille, bei irgendwas bezahlt zu werden.

Kluger Verteilmechanismus!??

von Reinhard Herzog am 19.06.2022 um 10:20 Uhr

Sorry, aber einen blöderen Verteilungsmechanismus kann man sich wohl kaum vorstellen. Das einzig Positive: Bis gerade mal zur Hälfte - das entspricht den 1.000 € / Quartal + Apotheke - ist quasi alles egal.

Darüber beginnt die Honorar-Geisterbahnfahrt je nach Prio-Gruppe.

Nun gut, irgendwie muss man halt starten, so what. Aber das kann keinesfalls so bleiben, aus gesundheitsökonomischen, aber auch aus Gründen der Planungssicherheit.

Man wird einen neuen Mechanismus brauchen.

Die pDL wird man einzeln budgetieren müssen, d.h. xa, xb, xc Mio. für AMTS a, b, c ..., y Mio. für Inhalator-Schulungen, z Mio. für Blutdruckmessungen, ... Mio. für ... künftige Leistungen. Idealerweise je nach Kosten-Nutzen-Relation.

Nicht alle Apotheken werden alle Qualifikationen haben, und davon werden nicht alle alles anbieten wollen. Jenen für die einzelne Leistung Honorarverteilungsberechtigten wird dann z.B. nach Zahl der individuellen Rx-Packungen (= einfachstes Kriterium für die Mengensteuerung) ein individuelles Budget für die einzelnen Leistungen zugewiesen (Anzahl pro Quartal / Jahr). Damit weiß jeder, was er abrechnen kann - im Vorhinein.

Dazu müssten sich zwar die Apotheken entsprechend registrieren, was aber in unserer heutigen IT-Welt kein Problem sein sollte. Da müssen wir für weitaus unsinnigere Dinge zahlreiche IT-Prozeduren über uns ergehen lassen.

Diese Frage ist elementar für den Erfolg der pDL und sollte schnellstmöglich angegangen werden,

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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