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Es wäre zu euphorisch, wenn wir sagen würden, wir sind schon freudig erregt, wenn es am 1. September mit dem E-Rezept endlich losgeht, zumindest in zwei Kammerbezirken. Aber schaffen die das? Und vielleicht gibt’s das E-Rezept auch irgendwann per SMS oder E-Mail? Doch vorerst gibt’s noch Elektronikschrott: Das BMG will partout viele Millonen für neue Konnektoren in Arztpraxen ausgeben. Andere Reizworte dieser Woche: die Direktabrechnung – mehr Hype als Nutzen? Und Medizinische Versorgungszentren (MVZ), die zweite Raketenstufe der Kommerzialisierung im Gesundheitswesen: Brauchen wir überhaupt nicht. Genauso wenig wie Abos für elektronische Kostenvoranschläge im Bereich Hilfsmittelversorgung der DAK: Werden Apotheken da abgezockt?
8. August 2022
Ja, mit seinen Gedanken und Thesen zur Apotheke der Zukunft hat der Ökonom und Digitalisierungsfachmann Prof. Dr. David Matusiewicz für ein bisschen frischen Wind in der drückenden Sommerhitze gesorgt. Und ja, sein kleines Sommertheater hat so manchen provoziert („wir haben zu viele Apotheken in Deutschland“), aber beim Weiterlesen und nun auch beim Weiterhören im Podcast, in dem sich Matusiewicz den Fragen von Apotheker Dr. Uwe Weidenauer stellt, wird deutlicher, dass er durchaus pro Apotheke in die Zukunft denkt. Er sieht sich als Freund der Apothekerschaft und ist davon überzeugt, wie er im Podcast sagt, dass auch Ökonomie und Digitalisierung Freunde der Apotheke sind – der Apotheker sollte diese nutzen. Nun ja, mein liebes Tagebuch, wenn sich Ökonomen als Freunde von uns Apothekers bezeichnen, sollte man ja immer genau hinhören. Immerhin, er ist davon überzeugt, dass die Rolle von uns Apothekers digitaler wird. Sprechende Gesundheit sei auch digital möglich durch Chats, Telepharmazie, aber auch mit Botendiensten. Studien zeigten immer wieder, welche Chancen für die Apotheke in der Beratung liegen, so Matusiewicz. Mit dem E-Rezept werden noch ganz andere Player auf den Markt drängen, Amazon lässt grüßen. Die Vor-Ort-Apotheke sollte alles daran setzen, sich in Zukunft als erste Anlaufstelle für Gesundheitsfragen zu etablieren, noch mehr als heute, auch digital. Um aber nachzuweisen, dass Beratung durch die Apotheke etwas bringt, brauche es Studien, die Daten dazu liefern. Und mit den Ergebnissen in der Hand sollten sie dann auf die Politik zugehen und über Honorare reden – vorher wird es nicht möglich sein, ist der Ökonom überzeugt. Heute brauche man Daten, um Behauptungen (z. B. apothekerliche Beratung bringt Vorteile) zu beweisen. Mit solchen Daten in der Hand könnte auch der Katalog der Dienstleistungen erweitert werden. Was Matusiewicz jedoch gerade heute als größten Vorteil der Apotheke vor Ort sieht, ist das große Vertrauen, das sie in der Bevölkerung genießt. Dennoch, die Apotheke muss überlegen, wie man den Kunden einen Mehrwert über Kundenzeitschriften hinaus bieten kann, und zwar schnell: z. B. Apotheken als Wohlfühlort, als Ort der Expertise und des Vertrauens. Eine Aufgabe für die Apotheke ist es auch, das Digitale ins Analoge zu übersetzen, eine Hilfestellung gerade für viele ältere Apothekenkunden. Der Ansatz von Matusiewicz, die „Apotheke als Tankstelle der Gesundheit“ zu sehen, ist bei ihm positiv besetzt: die Apotheke als erste Anlaufstelle in allen Gesundheitsfragen. Ökonomische Chancen für die Apotheke sieht er auch im Selbstzahlermarkt, nicht nur im Bereich Beauty und Kosmetik, sondern auch bei Arzneimitteln. Mein liebes Tagebuch, alles richtig, alles wichtig, jetzt muss uns nur noch die Politik folgen.
Die Arztpraxen und Apotheken in den Kammerbezirken Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe dürfen (oder müssen?) als erste ran ans E-Rezept: Hier sollen die elektronischen Verordnungen ab 1. September live und in Farbe an die Öffentlichkeit gehen, in die Fläche. Tja, alles klar im Norden? Die Nachfrage von DAZ.online ergab, dass die Vorbereitungen dort auf Hochtouren laufen. Die beteiligten Verbände und Organisationen treffen sich bereits regelmäßig, um sich auszutauschen. Im Fokus haben sie technische Probleme. Ja, mein liebes Tagebuch, gibt’s die denn immer noch, so kurz vor Zwölf? Ja, ja, so ein paar Petitessen gibt es tatsächlich noch, vor allem Schwierigkeiten, die in der Kommunikation der Praxis- und Apothekenverwaltungssoftware auftreten. Immerhin, man arbeite „intensiv und äußerst konstruktiv“ zusammen, war vom Apothekerverband Westfalen-Lippe und von der Apothekerkammer Schleswig-Holstein zu hören. Von der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holsteins kamen allerdings auch kritische Töne. Deren Geschäftsführer Felix-Alexander Litty räumt ein, dass es noch viel zu tun gebe, viele Prozesse seien leider noch nicht über das E-Rezept abbildbar. Für den Apothekerverband Westfalen-Lippe jedenfalls hat das E-Rezept hohe bis höchste Priorität. Mein liebes Tagebuch, nun denn, dann lassen wir den Norden schon mal kräftig üben. Wir sind sicher: Die schaffen das!
Da ist das E-Rezept noch nicht wirklich flächendeckend eingeführt, schon schreitet die Digitalisierung weiter voran. Einem Bericht des Handelsblatts zufolge soll geprüft werden, ob sich E-Rezepte auch per SMS oder E-Mail verschicken lassen. Wäre vielleicht nicht das Schlechteste, mein liebes Tagebuch, wenn sich das sicher und zuverlässig machen ließe. Im Prinzip ist der Versand aus der Arztpraxis in die Gematik-App des Patienten natürlich auch einfach, aber nur im Prinzip. Denn um die App dafür freizuschalten und zu nutzen, braucht man ein NFC-fähiges Smartphone mit der Gematik-App, eine NFC-fähige Versichertenkarte und eine PIN von der Krankenkasse. Und solange es kein neues Smartphone von der Krankenkasse gibt, wird das alles noch dauern: Die meisten E-Rezepte werden also erstmal ausgedruckt. Der Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe hält das alles für einen Knackpunkt. Sie schlägt daher vor, dass es künftig möglich sein sollte, E-Rezepte auch per Mail oder per SMS zu verschicken und macht dazu schon Vorschläge, wie das sicher ablaufen könnte. Klar, mein liebes Tagebuch, je bequemer und einfacher eine digitale Anwendung ist, um so eher wird sie genutzt. Nur: sie muss sicher sein. Die Gematik jedenfalls will das alles prüfen und Anwendungen weiterentwickeln. Möglicherweise steht schon viel eher ein weiterer alternativer Übertragungsweg fürs E-Rezept zur Verfügung: die elektronische Gesundheitskarte. Das wäre dann wohl schon eher der Durchbruch statt App-, NFC- und PIN-Gedöns.
Wer kennt die Lieferdienste, zählt die Namen… und schon wieder versucht ein neuer dieser Dienste sein Glück. Diesmal ist es Vaya Health. Die App des Darmstädter Apothekers Thomas Wickop will Bestellplattform und Lieferdienst vereinen. Aber im Gegensatz zu anderen Lieferdiensten sollen die Apotheken, die hier mitmachen, im Vordergrund stehen und die Kontrolle über Kundendaten und Lieferungen behalten. Die Idee zum Aufbau eines digital betriebenen Bestell- und Lieferdienstes hatte Wickop schon vor zwei Jahren. Und beim genaueren Betrachten merkt man, dass sich da ein Apotheker Gedanken gemacht hat. Denn so mancher Nachteil der anderen Lieferdienste ist hier nicht zu sehen: Die Apotheken, die sich hier anschließen, dürften das Geschehen besser in der Hand haben und selbst bestimmen, was sie möchten. Denn die Apotheker werden hier Gesellschafter des Unternehmens und beteiligen sich mit einer finanziellen Einlage. Die App ist noch im Aufbau, mit ihr sind derzeit nur OTC-Bestellungen möglich, im September soll Version 2.0 kommen. Mein liebes Tagebuch, wir werden sehen, wie sich das Modell entwickelt. Ob der Name Vaya Health allerdings das Gelbe vom Ei ist, sei dahin gestellt. Den gibt’s nämlich schon für andere Internetseiten und anderen Diensten.
6 Kommentare
Ach ….äähhh….hhmmm
von gabriela aures am 14.08.2022 um 20:05 Uhr
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Am Nasenring
von Reinhard Rodiger am 14.08.2022 um 19:55 Uhr
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Einmal monatlich!
von Ulrich Ströh am 14.08.2022 um 16:55 Uhr
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„Die schaffen das“
von Apothekerin von der Basis am 14.08.2022 um 9:57 Uhr
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Hilfsmittel Wahnsinn abschaffen
von Friedemann Ahlmeyer am 14.08.2022 um 9:56 Uhr
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mein Senf dazu
von Karl Friedrich Müller am 14.08.2022 um 9:13 Uhr
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