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EMA zögert noch
Tierversuche: USA erlauben Arzneimittelzulassung mit Alternativen
In den Vereinigten Staaten hat Präsident Joe Biden kürzlich ein Gesetz unterzeichnet, dass es gestattet, neue Arzneimittel künftig auch ohne Tierversuche zuzulassen. Tierschutzorganisationen jubeln, während Wissenschaftler skeptisch sind, ob es nun zu einer Trendwende kommt. Dabei könnte das Gesetz sogar Auswirkungen auf die Finanzierung forschender Unternehmen haben.
Lipobay, Contergan und Vioxx – dieser Dreiklang ehemals zugelassener Arzneimittel mit dann später katastrophalen Folgen wird von Tierversuchsgegnern gerne angeführt, wenn es darum geht, wie sinnvoll Tierversuche in der Pharmaforschung und bei der Risikoabschätzung für neue Wirkstoffe sind. Nach Meinung von Organisationen wie Ärzte gegen Tierversuche oder PETA nämlich gar nicht. Alle drei Wirkstoffe galten nach den vorgeschriebenen Tests im Tierversuch als unbedenklich – und entpuppten sich später für Menschen als schädlich oder sogar tödlich.
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Dementsprechend feiert etwa Dr. Dilyana Filipova, Wissenschaftlerin bei Ärzte gegen Tierversuche, den jüngst in den Vereinigten Staaten von Präsident Joe Biden ratifizierten „FDA Modernization Act“, der es der US-Arzneimittelzulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) nun erlaubt, Arzneimittel auch dann zuzulassen, wenn die Entwickler statt im Tierversuch Wirkung und Sicherheit mit alternativen Testmethoden nachgewiesen haben.
„Eine große Menge Daten stellt das Versagen des veralteten, auf Tierversuchen basierten Systems deutlich dar“, sagt Filipova. Durchschnittlich 92 Prozent der Medikamentenkandidaten, die alle Tierversuche erfolgreich durchlaufen hätten, würden später während der klinischen Studien an Menschen aussortiert, sagt sie. „Vor allem, weil sie nicht wirken oder erhebliche Nebenwirkungen hervorrufen.“ Das nun verabschiedete Gesetz sei laut Ärzte gegen Tierversuche ein „einzigartiger Erfolg“. Auch PETA USA feierte das Gesetz als einen Sieg.
FDA Modernization Act erlaubt alternative Test-Methoden – und Tierversuche
Das Gesetz lässt nun zu, dass Wirkstoffe und Arzneimittel mit zellbasierten Assays, Organ-Chips oder mikrophysiologischen Systemen, evaluierten Computer-Modellen oder anderen human-biologisch basierten Test-Methoden getestet werden – allerdings ist der Tierversuch weiterhin als Möglichkeit dabei.
Während die Tierversuchsgegner, die ohnehin bereits seit Jahren mit vielen Argumenten gegen die Tierversuche einstehen, das Gesetz als Erfolg verbuchen, reden Vertreter aus der Wissenschaft das Ergebnis klein. Es sei kein Tsunami, der nun alles ändere, sondern eher ein langsamer Gezeitenwechsel, heißt es etwa in einem Artikel zu dem Gesetz im Fachmagazin Science. Jim Newman, Kommunikations-Chef der Wissenschafts-Lobby-Vereinigung „Americans for Medical Progress“, wird dort zitiert: Die alternativen Testmethoden seien immer noch am Anfang und könnten Tierversuche noch für viele Jahre nicht ersetzen, sagt er.
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In Deutschland betreiben der vfa als Verband der forschenden Pharmaunternehmen oder die „Informationsinitiative der Wissenschaft“ namens „Tierversuche verstehen“ seit Jahren Aufklärungsarbeit. So heißt es etwa in der vfa-Broschüre „Tierversuche und Tierschutz in der Pharmaindustrie – Trends und Alternativen“, Tierversuche seien etwa nötig, um Krankheitsvorgänge verstehen zu können oder eben für toxikologische Tests, bei denen „Tiere den Verhältnissen im menschlichen Körper immer noch näher als jedes Labor-Testsystem“ kämen.
3R-Prinzip bei Tierversuchen in der EU
Allgemein versuchen Forscher hierzulande aber dem 3R-Prinzip bei Tierversuchen zu folgen. 3R steht dabei für „reduction, refinement and replacement of animal use“, also Verringerung, Verbesserung und Ersatz von Tierversuchen. Beispiele sind etwa Ansätze mit Schmetterlingsraupen statt mit Mäusen zu arbeiten. Bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA bietet man seit 2021 Hilfe für Arzneimittelentwickler zum Thema 3R durch eine „Innovation Task Force“ an.
Allerdings will man bei der EMA vorerst nicht dem Beispiel aus den USA folgen, wie man jetzt dem Deutschen Ärzteblatt mitteilte. Neue alternative Methoden bedürften dazu noch einer Überprüfung, um deren Verlässlichkeit sicherzustellen.
ESG-Fonds könnten nur noch bei gänzlich tierversuchfreien Unternehmen investieren
Seitens „Ärzte gegen Tierversuche“ fordert man allerdings, dass sich auch die EU in der Hinsicht bewegen müsse: „Europa muss sich schnellstmöglich die USA zum Vorbild nehmen und keine Tierversuche mehr für die Testung von Medikamenten verlangen. Wenn wir bessere Therapien entwickeln und auf dem weltweiten Arzneimittelmarkt nicht zurückfallen wollen, sollten wir auch auf die modernsten, erfolgreichsten und zuverlässigsten humanbasierten Methoden setzen und nicht auf sinnlose Tierversuche“, sagt Filipova.
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Unterdessen könnte in der Hinsicht aber auch Druck aus einer ganz anderen Richtung kommen. So schlussfolgert etwa das Wirtschafts-Magazin ECOReporter, dass der FDA Modernization Act Einfluss auf die Nachhaltigkeitskonzepte von sogenannten ESG-Fonds haben könnte. Diese „Öko-Fonds“, bei denen ESG für Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) steht, gewinnen in den vergangenen Jahren an Bedeutung – und spielen damit auch eine Rolle bei der Finanzierung forschender Unternehmen. So schließen ESG-Fonds bislang lediglich vermeidbare Tierversuche beziehungsweise deren Betreiber als Investitionsgüter aus. Da nun aber mit dem neuen Gesetz Tierversuche auch in der Pharmaindustrie als vermeidbar angesehen werden könnten, könnten ESG-Fondsanbieter zukünftig durchaus nur noch Investments in Unternehmen erlauben, die vollständig auf Tierversuche verzichten, heißt es bei ECOReporter. Es ist zumindest denkbar, dass dies einen Einfluss auf die forschenden Unternehmen haben könnte.
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