Sonderbericht und Eckpunktepapier

Dauerbrenner Bürokratieabbau und Apotheken

Berlin - 01.11.2023, 17:45 Uhr

Die bürokratische Belastung der Apotheken ist mit der Zunahme der Lieferengpässen noch einmal erheblich gestiegen. (Foto: ABDA)

Die bürokratische Belastung der Apotheken ist mit der Zunahme der Lieferengpässen noch einmal erheblich gestiegen. (Foto: ABDA)


In den vergangenen Monaten sind einige Forderungen der Apothekerschaft, sie von überflüssigen Regelungen zu befreien, auf den Weg gebracht worden. Sie müssen nur noch in der Praxis umgesetzt werden. Ganz kann man dem Braten aber noch nicht trauen. Unterdessen zeigt der jetzt veröffentlichte Sonderbericht der Regierung zum Thema Bürokratieabbau: Sehr viel mehr ist für die Apotheken anscheinend nicht geplant.

Bürokratie ist der größte Stressfaktor in den Apotheken. Das zumindest ergab unter anderem die Apokix-Umfrage des Instituts für Handelsforschung im Mai dieses Jahres. 82 Prozent der befragten 159 Apothekenleiter gaben an, dadurch im Arbeitsalltag stark beeinträchtigt zu sein. Einigkeit herrschte dabei auch in der Aussage, dass die Belastung in den vergangenen Jahren stark zugenommen habe. Die größten Probleme machten dabei Präqualifizierungsverfahren und die Retaxbearbeitung. Und: Nur wenige hatten Hoffnung, dass das bereits damals angestoßene Bürokratieentlastungsgesetz der Ampel-Koalition etwas an der Lage ändern werde.

Seither ist einiges geschehen. Im Lieferengpassgesetz (ALBVVG) sind scheinbar einige Forderungen der Apothekerschaft aufgenommen worden, so eine Einschränkung von Nullretaxationen und auch die Entlastung von der Präqualifizierung. Während beispielsweise die Regierungspolitikerinnen Paula Piechotta von den Grünen bei der Verabschiedung des Gesetzes von „enormen Verbesserungen“ für die Apotheken sprach, insbesondere mit Blick auf die verstetigten Erleichterungen bei den Austauschregeln, kritisierte der Oppositionspolitiker Georg Kippels (CDU), dass es sich bezüglich der neuen Regelung von Nullretaxationen um einer „Mogelpackung“ handle. Von Seiten der Apothekerschaft sprach der Verband Westfalen-Lippe Klartext: Er nannte die mit dem Gesetz verbundenen Hoffnungen „schlicht illusorisch“.

Von Bürokratie-Burnout und -GAU

Nun folgen die nächsten Schritte beim allgemeinen Bürokratieabbau: das Eckpunktepapier zum „Bürokratieentlastungsgesetz IV“ (BEG IV) und ein Sonderbericht zum Thema – und das Bundesjustizministerium (BMJ), das hier federführend ist, sparte in seiner Pressemitteilung dazu am Mittwoch vergangener Woche nicht mit markigen Worten: An einem „Bürokratie-Burnout“ würden „unsere Unternehmen“ leiden, so Justizminister Marco Buschmann (FDP). Der zuständige Koordinator der Bundesregierung und Parlamentarische Staatssekretär Benjamin Strasser erklärte, es gehe um nichts weniger, als die „Handlungsfähigkeit des Staates“ zu sichern und „einen drohenden Bürokratie-GAU“ zu verhindern.

An dem Tag wurde bekannt, dass das Kabinett den Sonderbericht: „Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau in der 20. Legislaturperiode“ beschlossen hatte. Dieser enthält laut eigenen Angaben ein „Überblick über alle abgeschlossenen, laufenden und geplanten Maßnahmen“, wobei „Digitalisierungsprojekte eine Schlüsselrolle“ spielen. Und: Hier finden auch die Apotheken Erwähnung.

700 Seiten Ergebnisdokumentation ohne Apotheken

Der Sonderbericht geht auf eine Befragung des BMJ zurück. Über 70 Verbände waren aufgerufen, Entlastungspotenziale darzustellen. Mitte April gab es dann eine 700-seitige Ergebnisdokumentation. Überraschend war damals: Während die Apothekerschaft seit Ewigkeiten über zu viel Bürokratie klagt, tauchte sie darin nicht auf. Die ABDA erklärte damals gegenüber der DAZ, dass man „in anderem Zusammenhang intensiv an Vorschlägen zum Bürokratieabbau“ arbeite.

Mit Blick auf die Apotheken werden im Sonderbericht beispielsweise im März dieses Jahres erlassene Vereinfachungen im Betäubungsmittelrecht und auch das geplante Cannabisgesetz als bereits erreichte oder angeschobene Initiativen genannt (Medizinalcannabis soll künftig nicht mehr als BtM gelten). Erwähnt wird dann auch der schon erwähnte Wegfall der Präqualifizierung für apothekenübliche Hilfsmittel (Entlastung der Apotheken: 12 Millionen Euro).

Das ist etwas dünn, aber auch bei den Empfehlungen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), auf die der BMJ-Bericht Bezug nimmt, sieht es nicht besser aus. Diese Empfehlungen hatte das BMG bis Ende Mai vorzulegen – publik sind sie nicht geworden. Im BMJ-Bericht ist zwar von „konkreten Maßnahmen“ im ambulanten, stationären und Arzneimittelbereich die Rede – vieles bleibt dennoch vage. So heißt es, es seien „weitgehende Entlastungen“ bei Arzneimitteln „insbesondere im Bereich der klinischen Prüfungen und der Zulassungen von Arzneimitteln, von Apotheken sowie in den Bereichen Medizinprodukte und Betäubungsmittel“ vorgesehen. Genaueres ist allerdings nicht zu erfahren. Ob man dabei schon die (vermeintlichen) Erleichterungen für Apotheken bei nicht verfügbaren Kinderarzneimitteln vor Augen hatte, die im Rahmen des Pflegestudiumstärkungsgesetzes eingeführt werden sollen, erscheint auch eher zweifelhaft.

Alles schon erledigt?

Im Eckpunktepapier zum „Bürokratieentlastungsgesetz IV“ (BEG IV) steht nichts zu den Apotheken. Ende August war es vom Kabinett beschlossen worden, es wurde zeitgleich mit dem Sonderbericht vergangene Woche veröffentlicht. In dieses sind neben den Vorschlägen aus der Verbändeabfrage auch solche aus den einzelnen Ressorts eingeflossen. Demnach sollen unter anderem die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen von Buchungsbelegen von zehn auf acht Jahre verkürzt und formale Anforderungen bei Dokumentationspflichten im Arbeitsrecht erleichtert werden. Derzeit wird am Referentenentwurf gearbeitet. Das Papier ist allgemein gehalten, das mag auch der Grund dafür sein, dass die Apotheken darin nicht vorkommen.

Dennoch: Insgesamt kann man sich nach dem Lesen des Sonderberichts und des Eckpunktepapiers nur schwer des Eindrucks erwehren, dass die Bundesregierung meint, beim Thema Bürokratieabbau sei bei den Apotheken bereits alles erledigt – oder aber zumindest schon angestoßen. Die Proteste in diesem Monat werden also auch dafür sorgen müssen, der Regierung die Forderungen der Apothekerschaft nochmal klarzumachen und zu zeigen, dass da noch Luft nach oben ist.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

und täglich grüßt das Murmeltier....

von Thomas B am 05.11.2023 um 8:45 Uhr

Ich weiss nicht, worauf sich Frau Piechotta bezieht....

Das Einzige, was bisher angekommen ist, ist die Höchstmengenverordnung bei BtM. Da von "erheblich" zu sprechen, ist -sehr vorsichtig ausgedrückt - gewagt.
Alles andere sind reine Absichtserklärungen oder Halbfertigprodukte. Die kranken Kassen und ihre Dienstleister retaxieren weiter fleissig auf Null, die Präqualifizierungsstellen laufen jetzt erst zur Hochform auf, der -neu hinzugekommene- Doku-Aufwand bei der Belieferung engpassbehinderter e-Rezepte sprengt jeden Rahmen. Und das alles ist ja "bereits abgegolten" mit der fürstlichen Honorierung von 2003.
Frau Piechotta, kommen Sie gerne bei uns im Laden vorbei und machen Sie sich ein persönliches Bild von der Alltagsrealität! Und keine Angst, es wird keineswegs langweilig. Es gibt viel zu tun, packen Sie mit an!

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