Gegen Apothekenreform

HAV-Petition ist dieses Jahr die erfolgreichste auf Plattform

Berlin - 06.09.2024, 09:15 Uhr

HAV-Sprecher Alexander Schopbach (l.) wirbt beim Protesttag in Erfurt Ende August mit openpetition-Vertretern für die Unterschriftensammlung. (Foto. DAZ)

HAV-Sprecher Alexander Schopbach (l.) wirbt beim Protesttag in Erfurt Ende August mit openpetition-Vertretern für die Unterschriftensammlung. (Foto. DAZ)


Fast 150.000 Unterschriften konnte der Hessische Apothekerverband auf der Plattform openpetition.de bislang gegen die geplante Apothekenreform sammeln. Aber ist das viel? Und was soll mit den Unterschriften eigentlich passieren? Die DAZ fragte beim Plattformbetreiber und dem Verband nach.

Noch vor dem ersten Termin für den Kabinettsbeschluss zur Apothekenreform am 17. Juli startete der Hessische Apothekerverband (HAV) eine Online-Petition, in der er den Erhalt der wohnortnahen vollwertigen Arzneimittelversorgung fordert. Nicht alle in der Standesvertretung waren darüber glücklich. Aber innerhalb weniger Tage kam das nötige Quorum von 30.000 Unterschriften zusammen. Wie bekannt, wurde dann aber auch der Kabinettsbeschluss verschoben – und wurde bis heute nicht gefasst.

Ein Blick in den derzeitigen Stand zeigt: Fast 150.000 Menschen haben die Petition bislang unterschrieben. Es gibt fast 33.000 Kommentare und mehr als 300 Pro- und Contra-Einträge. Die mehr als 700 Bundestagsabgeordneten (MdB) wurden angeschrieben, eine Stellungnahme abzugeben – 15 sind der Bitte nachgekommen. Zuletzt machten die Abgeordneten der BSW-Gruppe ihre Ablehnung der Apothekenreform über die HAV-Petition deutlich.

Nur drei Petitionen dieser Größenordnung pro Jahr

Mit der erwähnten Zahl der Unterschriften ist die Petition der Plattform in diesem Jahr bislang die größte, erklärte ein Sprecher von openpetition.de gegenüber der DAZ. Allgemein habe man nur etwa drei Petitionen in diesem Bereich pro Jahr. Eine etwa vergleichbare Größe erhielten 2024 nur eine Petition des Sächsischen Flüchtlingsrats, die sich gegen die Abschiebung einer seit 35 Jahren in Deutschland lebenden vietnamesischen Familie richtet und eine Petition, die sich für faire Bedingungen beim Praktischen Jahr im Medizinstudium einsetzt.

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Auch die Zahl der Debattenbeiträge liege über dem Durchschnitt. „Das freut uns sehr, denn wir wollen, dass Menschen nicht nur unterschreiben, sondern auch Argumente austauschen“, so der Openpetition-Sprecher.

Die niedrige Zahl der Stellung beziehenden Bundestagsabgeordneten sei allerdings normal. Das sei auch bei anderen Petitionen auf Bundesebene so. Bei lokaleren Petitionen würde diese Möglichkeit öfter von Abgeordneten wahrgenommen, denn so könnten sie Menschen erreichen, „die sie sonst nicht erreichen würden (über die eigene Filterblase bzw. Parteiblase hinaus)“.

HAV nicht überrascht

Der HAV ist über den Erfolg der Petition nicht überrascht, wie es von einem Sprecher gegenüber der DAZ hieß. Die Apothekenteams seien „hoch motiviert in ihrem Engagement gegen die unsäglichen Reformpläne des Bundesgesundheitsministeriums“ und die Solidarität der Patientinnen und Patienten sei seit über einem Jahr ungebrochen.

Es sei daher nur folgerichtig, „den Kampf der Vor-Ort-Apotheken um ihr Überleben und diese breite Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger, die um ihre wohnortnahe Arzneimittelversorgung bangen, mit einer Petition abzubilden“. Das sei in einer nachhaltigen Kampagne unabdingbar, um der Politik zu zeigen: „Die betroffenen Menschen, die Patientinnen und Patienten, die Apothekenteams, die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker, stehen hinter uns.“

Unterstützung durch Verbände, Kammern

Der HAV verweist aber auch die große Unterstützung zahlreicher Verbände und Kammern. Nicht zuletzt hätten viele Apotheken in der gesamten Bundesrepublik die Unterschriftenlisten ausgelegt. „Massive Unterstützung erhielten und erhalten wir zudem beispielsweise von den ApoTigern, dem BVpta, der ‚Mission Apotheke vor Ort‘ von Ariel Wagner sowie von Sozialverbänden wie dem VdK.“

Dass bislang noch wenige Bundestagsabgeordnete die Petition genutzt haben, findet der Verband nicht schlimm. Die Parteien täten dies ja auch auf anderen Wegen. Der Sprecher verweist auf die Aktuelle Stunde im Hessischen Landtag, in der sich alle Parteien gegen die geplanten Schein-Apotheken gestellt haben.

Es gebe viele weitere Beispiele, nicht zuletzt hätten sich auch verschiedene Gesundheitsministerinnen klar positioniert. „Dieser parteiübergreifende Widerstand gegen die Pläne des BMG ist natürlich nicht alleine Verdienst der Petition, sondern Ergebnis unseres wohlüberlegten strategischen Dreiklangs aus politischen Gesprächen, intensiven Engagements der Apotheker vor Ort – darunter die Proteste in Frankfurt, Erfurt und Dresden“, so der Sprecher.

Was bringt Klick-Aktivismus?

Von der abschätzigen Bezeichnung „Klick-Aktivismus“ will man beim HAV daher nichts wissen. Fast 60.000 Unterschriften würden von Unterschriftenlisten stammen, die bundesweit in Apotheken ausliegen. „Und täglich melden sich mehr Apotheken bei uns, die sich jetzt ebenfalls beteiligen. Hier möchte ich Danke sagen und appelliere: Bitte weiter so!“

Ein Blick in die Statistiken zeigt aber auch, dass die Zahl der gesammelten Unterschriften im Südwesten am höchsten ist, im Osten eher niedrig. Das hänge vielleicht mit der unterschiedlichen Apothekendichte zusammen, sicher aber damit, dass die Petition wegen des Engagements einiger Verbände und Kammern in einigen Regionen schon früher anlief. „Wir sind optimistisch, dass sich dieses Bild bald ändern wird, da sich auch im Osten immer mehr Apotheken proaktiv der Unterschriftensammlung anschließen.“

Dynamik der kommenden Wochen entscheidend

Aber was soll mit den derzeit angepeilten 200.000 Unterschriften dann passieren? Zunächst werde man das Sammelziel bei den Unterschriften je nach politischer Entwicklung immer wieder anpassen, heißt es vom HAV, bis das Ziel einer wirklichen Apothekenreform erreicht ist, die die Stärkung der wohnortnahen Arzneimittelversorgung im Fokus hat.

Und irgendwann komme dann der richtige Zeitpunkt, an dem die Unterschriften überreicht werden. „Vielleicht sind es dann 500.000, die wir möglicherweise einem Bundeskanzler in die Hände legen…“, so der HAV-Sprecher. „Das hängt sicherlich auch an der Dynamik der kommenden Wochen und Monate.“


Matthias Köhler, Redakteur DAZ.online
redaktion@daz.online


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