Antragsberatung

Zustimmung ohne viele Worte - oder ab in den Ausschuss!

Berlin - 11.10.2024, 15:15 Uhr

Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Ökonomie, stellte sich unter anderem hinter einen Antrag zur assistierten Telemedizin. (Foto: DAZ/Schelbert)

Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Ökonomie, stellte sich unter anderem hinter einen Antrag zur assistierten Telemedizin. (Foto: DAZ/Schelbert)


Honorarfragen, die Bedingungen fürs Impfen und mögliche Ausnahmen vom Zuweisungsverbot zählten zu den Themen, die am Donnerstagnachmittag beim Deutschen Apothekertags im Antragsblock „Rahmenbedingungen der Berufsausübung“ diskutiert wurden – vieles wird nun in Ausschüssen weiter beraten.

Unter den Themenblock „Rahmenbedingungen der Berufsausübung“ fielen die meisten Anträge zur Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker. Eine ganze Reihe von ihnen wurde ohne jegliche Diskussion und in großer Einigkeit beschlossen. Um nur einige zu nennen: Wer sollte beispielsweise etwas gegen Appelle an den Gesetzgeber sagen, die öffentliche Apotheke zu stärken, damit die flächendeckende Arzneimittelversorgung gesichert ist? Auch die Forderung, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel abzusenken, war unumstritten. Dies gilt ebenso für den gesetzlichen Ausschluss von Retaxationen. Diskussionslos angenommen wurde überdies der Antrag, dass das gemeinsame Medikationsmanagement durch Apotheker und Ärzte baldmöglichst honorierte Regelleistung für GKV- und PKV-Versicherte werden soll.

Einen längeren Austausch gab es zu einem Antrag der Kammer Hamburg, assistierte Telemedizin anzubieten. Tatsächlich hat dies der Gesetzgeber bereits in § 129 Abs. 5h Sozialgesetzbuch V vorgesehen – doch die Details haben Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband noch auszuhandeln. Der Antrag regt an, verschiedene Szenarien in diese Verhandlungen einzubringen – etwa Ärzte in Notfallsituationen telemedizinisch in die Apotheke zuzuschalten, auch um Notaufnahmen zu entlasten. Kammerpräsident Holger Gnekow berichtete, dass sich auch der Hausärzteverband in der Hansestadt hierfür aufgeschlossen zeige – Ziel sei, hier die Ärzte vor Ort einzubinden. Es wurde debattiert, ob es sinnvoll sei, „Not- und Akutsituationen“ hervorzuheben. Man kam überein, sie im Antragsgegenstand nicht explizit zu nennen. 

ABDA-Geschäftsführerin Claudia Korf bestärkte letztlich den Antrag. Sie berichtete, dass es bereits erfolgreiche Sondierungsgespräche mit der Kassenseite gegeben habe und man Ende des Monats in die Verhandlungen zur assistierten Telemedizin einsteigen werde. Das Gesetz nennt vier mögliche Bereiche für entsprechende Maßnahmen, der drängendste sei im Moment der rund um die elektronische Patientenakte (ePA), so Korf. Hier sollen Apotheken Versicherte unterstützen, ihre Betroffenenrechte wahrzunehmen und Einblick in ihre ePA zu nehmen, sowie Daten zu löschen. Die Apotheken müssten mal wieder den „Erklärbär“ geben und Versicherte beispielsweise überzeugen. Der Antrag stütze mit ausreichend Spielraum die Gespräche mit den Kassen. Die Delegierten nahmen ihn daraufhin an.

Mehr Honorar! Jetzt!

Länger diskutiert und am Ende in einer etwas abgeänderten Formulierung beschlossen wurde ein Antrag, der ganz ähnlich schon im Jahr 2023 beschlossen wurde und in dem es um die sofortige angemessene Erhöhung der Apothekenvergütung geht. Einhergeht diese Aufforderung an den Verordnungsgeber, für einen Dynamisierungsmechanismus zu sorgen und die Entgelte für Sonderleistungen wie Not- und Botendienst zu erhöhen. Hiermit den Antrag aus dem Vorjahr zu bestärken, hielt letztlich niemand für schädlich. Sachsens Kammerpräsident Göran Donner brachte es auf den Punkt: „Dieser Antrag müsste jede Woche gestellt werden!“. Die Apotheken bräuchten das Geld jetzt, um den Verfall und die Schließungen aufzuhalten. Auch der Sitzungsleiter, DAV-Chef Hans-Peter Hubmann, betonte: „Wiederholung verschärft die Wahrnehmung.“

Intensiver diskutiert wurde der Leitantrag zur Erhöhung der Notdienstgebühr, die in bestimmten Zeiten eine Zahlung von 10 Euro für Patienten mit sich brächte. Martin Wolf vom Bayerischen Apothekerverband vertrat die Auffassung, dies nicht von den Patienten verlangen zu können – die Apotheken müssten niedrigschwellig bleiben. Andere Delegierte betonten die Steuerungsfunktion, meinten aber, 5 Euro könnten auch ausreichen. Andere gaben zu bedenken, dass es nicht der oder die Apotheker:in sei, der oder die entscheide, ob ein Nasenspray ein Notfall sei – für eine:n Patient:in könne es durchaus eine Notsituation sein. Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR), plädierte für einen etwas konkreter formulierten Antrag – denn Apotheken sollten sich nicht unter Wert verkaufen. Am Ende landete der Antrag im Ausschuss.

Wiederum ohne Diskussion angenommen wurde ein Antrag der Kammer und des Verbands Westfalen-Lippe (AKWL und AVWL), die Botendienstpauschale auf 5 Euro zuzüglich Umsatzsteuer anzuheben. Das gleiche gilt für einen Antrag aus Baden-Württemberg, mit dem der Gesetzgeber aufgefordert wird, Maßnahmen zu ergreifen, die die Durchsetzung der gesetzlichen Preisvorgaben (einschließlich Abgabepreis) für verschreibungspflichtige Arzneimittel sicherzustellen. Ebenfalls aus Baden-Württemberg kam ein Antrag, wonach der Gesetzgeber dafür sorgen soll, dass die Apotheken das Zuzahlungsinkasso für die Krankenkassen vergütet bekommen – auch diesen gab es schon im vergangenen Jahr und man beschloss ihn erneut, um ihn nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

„Einfach mal mutig sein“

Nach längerer Debatte angenommen wurde auch ein Antrag des LAV Baden-Württemberg, der den Gesetzgeber auffordert, Effizienzreserven bei den Krankenkassen zu heben. In der Begründung des Antrags werden auch konkrete Vorschläge unterbreitet. Seitens der Antragsteller steckt hinter dem Vorstoß die Aufforderung aus der Politik, Vorschläge zu machen, wie ein höheres Apothekenhonorar finanziert werden könnte. AVNR-Chef Preis zeigte sich nicht überzeugt und regte an, den Antrag zurückzuziehen, statt in fremden Gefilden zu wildern. Lieber solle der Staat seine Schulden bei den Kassen bezahlen – und 10 Milliarden Euro jährlich für Bürgergeldbezieher:innen zur Verfügung stellen. Auch Sachsens Kammerchef Donner meint: Reserven suchen sei nicht Aufgabe der Apothekerschaft, sondern der Politik. Am Ende setzt sich aber doch der LAV bei den Delegierten durch – man solle doch einfach mal mutig sein, sagte LAV-Vize Florian Becker.

In den Ausschuss: Ausnahmen zur Raumeinheit, Impfungen unter Aufsicht

In den Ausschuss verwiesen wurden etwas heiklere Themen, bei denen es beispielsweise um die „Weiterentwicklung der Ausnahmen von der Raumeinheit“ ging – dieser kam von der Apothekerkammer Berlin und hatte im Sinn, etwa pharmazeutische Dienstleistungen, PoC-Testungen oder assistierte Telemedizin in nahegelegene Räumlichkeiten auszulagern. Der Antragsteller hatte nach der Diskussion durchaus Verständnis, dass es hier noch Gesprächsbedarf gibt.

Ebenso erging es einem Antrag des AVWL, in dem es um „Impfungen unter Aufsicht des/der Apotheker*in“ geht. Der Gesetzgeber sollte demnach aufgefordert werden, den Kreis der Impfberechtigten zu erweitern: Auch PhiP und PTA sollten nach Schulung unter Aufsicht impfen dürfen. Eine Vertreterin des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden unterstützte den Antrag –  er sei „wirklich wichtig“. Weitere Fürsprecher betonten, dass der Antrag dazu diene, den PTA-Beruf attraktiver zu machen. Doch es gab auch Kritiker: Schließlich sehe man es auch kritisch, dass Ärzte Impfungen an MFA delegieren.

Wo geht das Zuweisungsverbot vielleicht zu weit?

Ein weiterer Antrag des AVWL, der eine Reform des § 11 Apothekengesetz (ApoG) zum Gegenstand hat, landete gleichfalls im Ausschuss. Es soll klargestellt werden, dass bei „Vorliegen eines autonom gebildeten Patient:innenwillens“ und einem berechtigten Interesse an einer Zusammenarbeit von Arzt/Ärztin und Apotheker:in kein Verstoß gegen das dort normierte Zuweisungsverbot vorliegt. AVWL-Chef Thomas Rochell erläuterte, dass es eben nicht darum gehe, besagtes Zuweisungsverbot aufzuweichen oder gar dem Versandhandel Tür und Tor zu öffnen. Beabsichtigt sei erst einmal eine Diskussion anzustoßen – gerade auch weil das E-Rezept Verbraucher:innen, Leistungserbringer:innen und Krankenkassen neue Möglichkeiten aufzeigt. Solche Entwicklungen ließen sich nicht aufhalten – aber es sei „besser im 'drivers seat' zu sitzen als zuzuschauen“. Es gehe letztlich um die „Anpassung des Normwortlautes an die normative Kraft des Faktischen“. Derzeit gebe es nur eine ausdrückliche Ausnahme in der Zytostatikaversorgung – doch die Rechtsprechung sei schon weiter. Rochell schwebt eine abstrakt generelle Ausnahmeregelung vor. Dass hierzu noch viel Diskussionsbedarf besteht, liegt auf der Hand. ABDA-Jurist Tisch warnte, wie „exorbitant gefährlich“ eine Aufweichung von § 11 ApoG werden könne.

Auch ein speziellerer Antrag, der die Heimversorgung als solche Ausnahme in den Fokus nimmt, wurde letztlich in den Ausschuss verwiesen. Hier ist bekanntlich angedacht, dass Rezepte über KIM von der Arztpraxis ans Heim an die heimversorgende Apotheke geschickt werden sollen – was derzeit aber noch an einer Anbindung der Heime an die Telematikinfrastruktur scheitert. In der Praxis finden die Apotheken dennoch Wege – wirklich gesetzlich gedeckt sind diese allerdings nicht. Doch der Gesetzgeber hat das Problem bereits im Auge und will es eigentlich im Apothekenreformgesetz auflösen. Sofern es mit der Apothekenreform nicht klappt, habe das BMG bereits angekündigt, diese Neuregelung über einen Änderungsantrag zum Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz einzubringen, erklärte Korf.

Mehr Öffentlichkeit für die Ausschussberatungen?

Zum Schluss wurde noch über einen Antrag der Kammer Berlin diskutiert, wonach sich die Hauptversammlung dafür aussprechen sollte, dass die Beratungen der in die Ausschüsse verwiesenen Anträge künftig allen interessierten Delegierten in hybrider Form zugänglich sein sollen. Seitens der ABDA gab es wenig Verständnis für das Anliegen. Die Antragsteller würden bereits zu diesen Ausschusssitzungen eingeladen und sie könnten auch weitere Interessierte mitbringen. Nach dem Austausch der Argumente wollte die Kammer den Antrag nachschärfen – am Freitag wurde die Diskussion nochmals aufgegriffen, doch die Antragsteller zogen ihr Anliegen letztlich zurück.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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