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Gematik-Nachfolge
Zu viele Kompetenzen für die neue Digitalagentur?
„Jetzt-klappt-das-auch-in-Deutschland-Agentur“ oder Schiedsrichter und Spieler gleichzeitig? An diesem Donnerstag wurde im Bundestag die Umgestaltung der Gematik zur Digitalagentur diskutiert. Im Zentrum stand die Frage, wie weit ihre Kompetenzen reichen sollen.
Das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) soll sicherstellen, dass die Technologie im Gesundheitswesen auch im Alltag „schnell, zuverlässig und nutzerfreundlich funktioniert“. Das sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu Beginn der 1. Lesung des Gesetzes im Bundestag an diesem Donnerstagabend.
Mit dem Ausbau der Gematik zur Digitalagentur für Gesundheit will die Regierung eine zentrale für die Telematikinfrastruktur verantwortliche Stelle mit „hoheitlichen“ Aufgaben schaffen. Damit ist sie nicht nur für die Zulassung von TI-Komponenten zuständig, sondern soll vor allem auch bei der Gefahrenabwehr aktiv werden.
Laut Minister Lauterbach ergänzt das GDAG die bereits erlassenen Gesetze, das Digitalisierungsgesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz. Mit den drei Gesetzen werde man einen Beitrag zur weltweiten Forschung leisten. Zudem werde es möglich, langfristig mit weniger Personal eine größere Zahl von Patienten zu versorgen.
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Erwin Rüddel von der oppositionellen Unionsfraktion begrüßte die Mandatsstärkung äußerte allerdings Bedenken bezüglich der Doppelrolle der Agentur: Sie solle sowohl als Anbieter auftreten, Standards setzen und auch die Zulassung von Anwendungen übernehmen. Damit werde sie Schiedsrichter und Spieler zugleich – ein Bild, das in der Debatte wiederholt aufgegriffen wurde.
Union: Privatwirtschaft ausgebremst
Ein weiteres Risiko sieht Rüddel darin, dass durch die starke Rolle der Agentur privatwirtschaftliche Akteure ausgebremst werden. Sie sollte als „neutraler Koordinator einheitliche Standards und Regeln setzen und deren Einhaltung überwachen“. Anstatt sich selbst als Marktteilnehmer zu positionieren, sollte sie den Wettbewerb fördern, forderte Rüddel.
Bündnis 90/Die Grünen: Digitalisierung wird „krisenresilient“
Dem entgegnete Janosch Dahmen von der Regierungsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass die Agentur Wettbewerb erst möglich mache. Die Digitalisierung werde durch das Gesetz „krisenresilient“ gemacht. Er betonte, dass die Ampel in diesem Bereich der Digitalisierung gut zusammenarbeite und vorangehe.
Maximilian Funke-Kaiser von der Regierungsfraktion FDP wies daraufhin, dass staatliche Entwicklungen selten etwas mit Nutzerfreundlichkeit zu tun hätten und das Unternehmen die besseren Programmierer sind, worauf man in dem Gesetz auch achten werde. Die Agentur bleibe bei der Rolle des Schiedsrichters.
FDP: Digitalisierung als Tanker
Mit dem Gesetz werde die dritte Stufe „in der Aufholjagd der Gesundheitsdigitalisierung gezündet“, so Funke-Kaiser. Er bemühte das Bild eines Tankers, um die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu beschreiben. Die jetzige Bundesregierung habe ihn alt und manövrierunfähig mit verlassener Kommandobrücke auf hoher See vorgefunden und nun umfangreich überholt. Mit dem GDAG kümmere man sich um den „Maschinenraum“.
Emmi Zeulner von der Unionsfraktion wiederholte die Bedenken, dass hier nicht nur „Leitplanken“ für die Digitalwirtschaft geschaffen werden, sondern auch ein potenzieller Marktteilnehmer. Sie hob hervor, dass man auf die eigene Gesundheitswirtschaft achten müsse, wenn man Großkonzerne wie Amazon, Google oder Apple zurückdrängen wolle. Mit dem Gesetz drohe die Gefahr, dass bei den Ausschreibungen vor allem große Unternehmen zum Zug kommen, weswegen die Union es ablehne.
SPD: „Jetzt-klappt-das-auch-in-Deutschland-Agentur“
Matthias Mieves von der Regierungsfraktion SPD erklärte, man habe sich an den nordischen Staaten ein Beispiel genommen, die bei der Digitalisierung ihrer Gesundheitssysteme besonders fortgeschritten seien. Ihnen sei gemeinsam, dass sie eine „starke staatliche Institution“ zu deren Steuerung hätten. Von der Digitalagentur sprach er als „Jetzt-klappt-das-auch-in-Deutschland-Agentur“.
Anke Domscheit-Berg von der oppositionellen Gruppe die Linke begrüßte, dass die Gematik als Digitalagentur mehr Kompetenzen und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mehr steuernden Einfluss bekommen soll. Das Patientenwohl dürfe nicht durch den Markt oder eine Pattsituation in der Selbstverwaltung gefährdet werden.
die Linke: Wenig Vertrauen in IT-Sicherheit
Die Beschneidung der Befugnisse der Datenschutzbeauftragten und des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) müssten allerdings rückgängig gemacht werden. Sie vertraue dem BSI mehr als dem BMG. Von ihr gestellte Anfragen hätten ergeben, dass seit Jahren 75 Prozent der IT-Sicherheitsstellen in dem Ministerium nicht besetzt seien.
Wer IT-Sicherheit nicht hochpriorisiere, „verspielt Vertrauen, gefährdet den Erfolg der Digitalisierung im Gesundheitswesen und die Grundrechte von Millionen von Patient:innen in Deutschland“, so Domscheit-Berg. Das dürfe nicht passieren.
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