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Pflanzenschädlinge: Invasion der Rosskastanien-Miniermotte

Die Rosskastanien-Miniermotte frisst die Rosskastanien seit einigen Jahren kahl. Es ist nicht geklärt, ob die Bäume den alljährlichen schweren Blattschäden dauerhaft widerstehen oder ob sie irgendwann absterben, da sie zu wenig Photosynthese betreiben können. Der Fall hat nichts mit Umweltbelastungen der Bäume durch Abgase oder Sonstiges zu tun. Neu eingewanderte Insekten können ökologische Nischen besetzen, was ihre Ausbreitung erleichtert und ihre Bekämpfung erschwert, wie weitere Beispiele zeigen.

Eine Motte frisst die Rosskastanien kahl

Den Rosskastanien (Aesculus) geht es seit einiger Zeit sehr schlecht. Seit Jahren werden sie regelmäßig von der Rosskastanien-Miniermotte Cameraria ohridella heimgesucht. Die Schäden sind gewaltig. Jeder Laie kann die starken Verbräunungen und das Absterben der Blätter dieser schönen Alleebäume jeden Sommer ab Juni erkennen.

Beschreibt man das Geschehen aus menschlicher Sicht, kann von einer regelrechten Invasion gesprochen werden. 1993 überschritt die unscheinbare Motte, deren ursprüngliche Heimat noch nicht geklärt ist, die Grenze bei Passau. Ein Jahr später hatte sie ganz Niederbayern und die Stadt Regensburg erreicht. Schon 1996 fiel das kleine Insekt über die Bäume Rastatts her. 1997 hatte es Magdeburg und Mainz erreicht.

Mittlerweile ist der Schädling weiter gen Westen und Norden (u. a. Berlin, Hamburg) gezogen und hat Deutschland quasi erobert. Allerdings mag die Motte höherliegende Gebiete nicht. In den Mittelgebirgen ist der Befall deutlich geringer.C. ohridella zieht an Bahntrassen und Autobahnen entlang, nutzt Flussläufe und Kanäle. Möglicherweise lässt sich das Insekt als Luftplankton verdriften. Denn selbst Einzelbäume in abgelegenen Waldgebieten werden vom Fraß der Larven nicht verschont.

Wichtige anthropogene Verbreitungswege sind Lastwagen und Eisenbahnen. Als Puppenkokons in Laubresten fahren die blinden Passagiere mit. Auch adulte Tiere nehmen gern den Wagen. Stark besuchte Parkplätze scheinen regelrechte Verteilerstationen zu sein. So werden Brückenköpfe gebildet, von denen aus das umliegende Gebiet leicht zu erobern ist. Auf diese Weise erreicht die Motte eine Ausbreitungsgeschwindigkeit von 100 km im Jahr.

C. ohridella befällt rund 17 Aesculus-Arten; die meisten davon stammen aus Nordamerika. Extrem empfindlich ist die weißblühende Rosskastanie A. hippocastanum, mit Ausnahme der Sorte 'Pyramidalis'. Die weißblühende Art stammt aus den Bergtälern Mazedoniens und Bulgariens und ist vor etwa 300 Jahren in Mittel- und Westeuropa angesiedelt worden.

Weniger empfindlich ist die rotblühende Rosskastanie A. u carnea, eine Kreuzung von A. hippocastanum mit der Pavie A. pavia, die in den östlichen USA heimisch ist. Die Hybride erwies sich als frosthärter und anpassungsfähiger an heiße und trockene Klimate; auf noch unbekannte Weise gelingt es ihr die Larvenentwicklung zu hemmen.

Die aus China stammende Art A. turbinata wird ebenfalls von der Motte stark in Mitleidenschaft gezogen. Bei sehr hohem Befallsdruck leiden auch benachbarte Ahornarten wie Acer pseudoplatanus und A. platanoides unter den Attacken der gefräßigen Motten.

Enorme Vermehrung

Natürliche Gegenspieler stellen sich ihnen kaum in den Weg. Zwar haben die Meisen es mittlerweile gelernt, das neue Angebot zu nutzen und die Raupen und Puppen aus den Minen zu picken. Das reicht aber nicht aus, um den gefräßigen Schädling zu dezimieren.

Zahlreiche Parasitoide nehmen sich der Motte und ihrer Larven an. Auch das ist nicht genug, um den Eroberungszug aufzuhalten. Vor allem Schlupfwespenarten der Überfamilie Chalcidoidea parasitieren die Larven. Die Arten Pignalio agraules und Minotetrastichus frontalis überbrücken damit aber vor allem die Zeit, bis Schmetterlinge und Käfer genug Larven entwickelt haben.

Der Parasitierungsgrad der insgesamt über 20 Parasitoiden erreicht höchstens 20%. Die Biorhythmen von Parasitoiden und Motte stimmen wahrscheinlich nicht optimal überein. So ist die Populationsdynamik der Minierer nach wie vor ungebrochen.

Einen bis dahin nicht bekannten Schädling zu bekämpfen ist nicht immer einfach. Vieles hängt dabei von der Lebensart des Tieres ab. Die erste Generation der Motte überwintert im Kokon in abgestorbenen und abgefallenen Blättern. Aus einem Kilogramm trockenen Laubes schlüpfen bis zu 4500 Tiere. Sie schwärmen vor Beginn der Rosskastanienblüte und legen wenig später ihre Eier in die Epidermis der unteren Kronenblätter. Zunächst unauffällige einzelne Miniergänge verbreitern sich mit der Zeit zu großen Platzminen. Schließlich ist nahezu das ganze Blatt ausgefressen.

Bis zur Verpuppung durchlaufen die Motten sechs Larvenstadien. Sofort nach dem Schlüpfen werden die Weibchen begattet, und der Kreislauf beginnt von vorn. Je nach Witterung sind drei bis vier Generationen möglich. Feuchtes Wetter reduziert die Vermehrungsrate, da der Regen die Eier von den Blättern spülen kann.

Gegenmaßnahmen

Jedes Weibchen legt bis zu 10 000 Eier. Verbrennt man ein Kilo abgestorbenen Laubes, werden etwa 50 000 Eier mit vernichtet. Die übers Jahr permanente Vernichtung von Rosskastanienlaub ist also ein wichtiges Verfahren zur Eindämmung der Motte. Konsequent durchgeführt, verschiebt es den größten Befallsdruck in den Spätsommer und lässt den Bäumen mehr Zeit, Photosynthese zu betreiben. Mit dieser Methode sind Alleebäume in den geteerten und gepflasterten Straßen der Städte einfacher zu schützen als Bäume auf bewachsenem Boden, aus dem nie alle Blätter entfernt werden können.

Es wird nach weiteren Bekämpfungsmethoden gesucht. Pheromon- und Klebefallen reichen bei den enormen Populationszahlen der Motte keinesfalls aus. Leimringe an den Baumstämmen könnten dagegen etwas Linderung schaffen, denn die adulten Tiere krabbeln häufig über den Stamm in den unteren Kronenbereich. Würde man flächendeckend vor dem ersten Falterflug der ersten Generation des Jahres alle Rosskastanien mit Leimringen versehen, würden die jährlich entstehenden Populationen durchaus merklich dezimiert.

Generell sollte der Bekämpfungsschwerpunkt auf der ersten Generation liegen. Das gilt auch für die chemische Bekämpfung mit dem Wirkstoff Imidacloprid. Vor allem Stamminjektionen könnten möglicherweise eine wirkungsvolle Maßnahme darstellen. Auch eine Bodenbehandlung des Wurzelraumes vor dem Blattaustrieb lieferte in den ersten Versuchen sehr gute Ergebnisse.

Fast harmlos: die Napfschildlaus

C. ohridella ist leider nicht der einzige neuartige Baumschädling. Die Wollige Napfschildlaus Pulvinaria regalis gehört auch dazu. Niemand weiß, wo sie eigentlich herkommt. Vor 40 Jahren tauchte sie urplötzlich in England auf. 1989 reiste sie dann über Köln nach Deutschland ein. Mittlerweile hat sie Kiel, Berlin und München erreicht.

Die einen halben Zentimeter große Schildlaus überzieht Äste und Baumstämme mit ihrer weißen, wachsartigen Wolle. Bei starkem Befall ist der gesamte Stamm "schneebedeckt". In den Wachsfäden warten viele hundert Eier gut geschützt auf das Schlüpfen. Das kleine, braune, napfartige Gebilde darauf ist das tote Muttertier. Die kleinen Krabbler schlüpfen, verteilen sich in der Krone und saugen an den Blättern. Der Wind verfrachtet sie auf benachbarte Bäume. Noch vor dem Blattfall wandern die fast erwachsenen Tiere auf dünne, unverholzte Äste und überwintern dort.

Der klebrige, zuckerhaltige Kot der Schildläuse, Honigtau genannt, ist ein stetes Ärgernis für die Besitzer der unter Bäumen parkenden Autos, die er wie ein Film überzieht. P. regalis ist nicht besonders wählerisch und befällt viele Baumarten und Sträucher, unter anderem Linde, Ahorn und Rosskastanie. Sie schädigt die Bäume selbst aber kaum.

Der Saftentzug macht ihnen nicht viel aus. Auch setzen zwei natürliche Gegenspieler den Schädlingen zu: Der Marienkäfer Exochomus quadripustulatus und die winzigkleine Schlupfwespe Coccophagus scutellaris haben sich auf diese reiche Nahrungsquelle eingestellt.

Der Asiatische Laubholz-Bockkäfer ist gefährlich

Mit dem Asiatischen Laubholz-Bockkäfer Anoplophora glabripennis bedroht ein weiterer Schädling Wälder und Straßenbäume. An zwei Stellen in Europa ist er bereits aufgetaucht: in Deutschland und in Österreich.

Der drei Zentimeter große Käfer mit den auffälligen weißen Punkten frisst im Holz von Ahorn, Rosskastanie, aber auch an Pappeln und anderem Weichholz. Er kann die Bäume zum Absterben bringen. Die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) in Braunschweig befürchtet, dass der gefährliche Schädling wiederholt eingeschleppt wird und sich ausbreitet.

In Deutschland wurde das erste Tier in Sachsen auf einem Lastwagen gefunden, der gerade aus Bremen mit einer Ladung Steingut aus China unterwegs war. Die Ware war in Laubholz verpackt, in dem sich wahrscheinlich der Käfer aufhielt, bevor er ins Freie kroch.

Nahe der deutschen Grenze gibt es in Österreich einen weiteren Fundort, in Braunau, wo sich der Käfer offensichtlich schon vermehrt hat. Die Käferweibchen legen während ihres bis zu zwei Monate dauernden Lebens etwa 50 weiße längliche Eier. Dazu beißen sie kleine Gruben in die Rinde des Wirtsbaumes, häufig im Bereich von Astansätzen. Nach elf Tagen schlüpft die Larve und bohrt sich in die Rinde. Später frisst sie auch im Splintholz des Baumes.

Eine ausgewachsene Bockkäferlarve kann bis zu fünf Zentimeter lang werden und beachtliche Miniergänge mit einem Durchmesser von acht Millimetern bohren. Die weiße Puppe ist gut drei Zentimeter lang. Wenn die Käfer fertig entwickelt sind, bohren sie sich durch Holz und Rinde nach außen und schaffen damit die für den Befall charakteristischen Ausstiegslöcher.

Haben viele Larven einen Baum befallen, ist der Stofftransport zwischen Wurzel und Baumkrone unterbrochen. Die Bäume welken und sterben ab. Außerdem sind die Bohrgänge Eintrittspforten für Fäulnispilze. Fäulnis an Bäumen ist besonders in Stadtgebieten gefährlich, weil bei Wind Äste abbrechen oder sogar ganze Bäume umfallen können.

Die Käfer sind ausgesprochen schlechte Flieger und entfernen sich von ihrem Brutbaum kaum mehr als einen Kilometer. Damit sind die Erfolgsaussichten für eine Ausrottung einzelner Befallsherde der Käfer relativ gut. Der Asiatische Laubholz-Bockkäfer hat ein weit ausgedehntes natürliches Verbreitungsgebiet in Japan, Korea und im südlichen China, wo er schwerwiegende Schäden verursacht.

Zuckerahorn ist besonders attraktiv für ihn. Deswegen wurden diese Bäume sogar in China als Fangbäume in Pappelwäldern angepflanzt. Der Käfer wurde 1996 auch in den USA entdeckt. Dort wurden mehrere Tausend Bäume gefällt und nach dem Schreddern verbrannt. Man war aber bisher nicht in der Lage, ihn wirklich wieder auszurotten.

Pflanzenschützer und deutsche Förster sind jetzt vorgewarnt. "Neben der direkten Bekämpfung ist vor allem auch wichtig, dass keine neuen Käfer nach Europa eingeschleppt werden", so Professor Jens-Georg Unger von der Abteilung nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit der BBA in Braunschweig.

Diese Abteilung ist in Deutschland zuständig für Quarantänefragen. Sie hat auch an den Notmaßnahmen mitgearbeitet, die bereits 1999 vom Ausschuss Pflanzenschutz der Europäischen Kommission erlassen wurden, um zu verhindern, dass der Käfer mit Verpackungsholz aus China eingeschleppt wird.

Kontrollen tun Not

Laubholz für Verpackungen aus China muss frei von Bohrlöchern von mehr als drei Millimetern Durchmesser sein und darf keine Rinde mehr aufweisen, oder es muss technisch getrocknet sein, was zum Absterben der Käferlarven führt. Diese Anforderungen müssen in China erfüllt werden. Bei Einfuhren sind die Verpackungen stichprobenartig zu kontrollieren. Dazu müssen die Kontrolleure an allen europäischen Häfen zum Beispiel in der Lage sein, die Feuchtigkeit des Holzes zu messen.

Doch Stichproben werden viel zu selten genommen. Nach Deutschland kommen jedes Jahr mindestens 300 000 Container oder mehr aus China. Unger schätzt, dass davon nur ca. 150 kontrolliert werden. Andererseits verlangt die EU von den chinesischen Importeuren noch nicht einmal eine amtliche Bestätigung, dass das Holz nicht befallen ist. Das ist sonst bei vielen Pflanzen und Pflanzenprodukten erforderlich, die Pflanzenkrankheiten leicht verschleppen können.

Ohne wirksame Behandlungssysteme ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Käfer und viele andere gebietsfremde Baumschädlinge in Europa endgültig eingeschleppt und etabliert sind. Wirtschaftliche Erwägungen und Mangel der Kontrollkapazitäten öffnen solchen Einschleppungen Tür und Tor. Ein internationaler pflanzengesundheitlicher Standard könnte eine Verbesserung bringen. Vielleicht ist es beim asiatischen Laubholz-Bockkäfer dafür schon zu spät.

Die Rosskastanien-Miniermotte werden wir nicht mehr loswerden, es sei denn, man fällt alle Rosskastanien. Sie ist somit zu einem festen Bestandteil unserer Fauna geworden.

Die Miniermotte im Netz Ein Kleinschmetterling erobert Europa www.cameraria.de/MAIN/main.html

Biologische Bundesanstalt in Braunschweig (BBA) www.bba.de

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