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RKI-Files
Kubicki sieht Beweise für politische Einflussnahme auf Corona-Krisenstab
Mit einem umfangreichen Statement hat sich Wolfgang Kubicki (FDP) zu den veröffentlichten Protokollen des RKI-Krisenstabs zu Wort gemeldet. Für ihn beweisen die Dokumente, dass sich das Bundesgesundheitsministerium in die Bewertung der Expert*innen eingemischt hat. Wissenschaftliche Erkenntnisse seien der politischen Agenda geopfert worden. Lauterbach müsse nun „persönliche Konsequenzen“ ziehen.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat sich die Protokolle des Corona-Krisenstabs des Robert Koch-Instituts (RKI) nach eigener Aussage näher angeschaut – insbesondere jene aus dem Zeitraum von Januar 2021 bis zum Frühjahr 2022. Seine Erkenntnisse hat er nun in einem ausführlichen Statement auf seiner Webseite veröffentlicht. Der FDP-Bundestagsabgeordnete kritisiert, dass die vom RKI nicht autorisierte Veröffentlichung der ungeschwärzten Protokolle von Medien wie der „Süddeutschen Zeitung“, dem „Spiegel“, ebenso wie von den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten nicht hinreichend aufgearbeitet worden seien. Im Juli hatte eine Gruppe von Journalist*innen die angeblich vollständigen Aufzeichnungen des Krisenstabs veröffentlicht.
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Kubicki sieht in den Protokollen klare Belege dafür, dass sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in die Beurteilungen und Empfehlungen durch das Expertengremium eingemischt hat. Der seit Dezember 2021 amtierende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte eine politische Einflussnahme auf das RKI noch im März dieses Jahres dementiert.
Wissenschaftliche Evidenz
Für Kubicki wird dies zunächst anhand der Einordnung einer israelischen Studie im Frühjahr 2021 deutlich, die zu dem Schluss kam, dass gegen COVID-19 geimpfte Personen nur noch sehr selten ansteckend seien. Die RKI-Protokolle belegen, so Kubicki, dass dem Krisenstab bereits im Februar die Ergebnisse der Studie bekannt waren. Allerdings sei man im RKI zunächst unsicher gewesen, wie verlässlich diese Daten sind.
Am 22. März habe das RKI eine Weisung der Ministerpräsidentenkonferenz der Bundesländer (MPK) erhalten, einen Bericht vorzulegen, der darlegen sollte, wann und in welchem Ausmaß Geimpfte nicht mehr ansteckend sind. Dem sei das RKI dann am 31. März nachgekommen – mit Verweis auf die bekannte israelische Studie. Vorherige Zweifel der Expert*innen seien infolge der politischen Impulse aus der MPK beiseite gewischt worden, schließt Kubicki: „Erst der Aufforderung der Landesfürsten bedurfte es also, damit die wissenschaftlichen Daten für eine entsprechende Feststellung des RKI ausreichten.“
Todeszahlen
Einen weiteren kritischen Punkt sieht er in der seiner Meinung nach mangelhaften Differenzierung der COVID-19-bedingten Todesfälle. Bereits im Frühjahr 2021 wollte Kubicki vom BMG wissen, ob eine sachliche Unterscheidung der Todesfälle „mit“ oder „an Corona“ möglich sei. Damals wurden alle Todesfälle „in Zusammenhang“ mit einer COVID-19-Infektion kumuliert verbucht.
Das BMG habe sogar noch im November 2022 geantwortet, dass dies aus rechtlichen und technischen Gründen nicht möglich sei – was Kubicki bezweifelt. Er verweist auf das RKI-Protokoll vom 23. Februar 2022: In einer dort enthaltenen Grafik sei eine solche Differenzierung vorgenommen worden. Diese sei also doch technisch möglich, politisch offenbar aber nicht gewünscht gewesen, vermutet der FDP-Vize. Die Todeszahlen seien so künstlich hochgehalten worden.
Sieben-Tage-Inzidenz
Bei der Debatte um Ausgangssperren, Schulschließungen und die anderen Maßnahmen der sogenannten Bundesnotbremse vom April 2021 spielte die Sieben-Tage-Inzidenz als Kennzahl eine zentrale Rolle. Deren Brauchbarkeit sei aber schon damals intern von den Expert*innen infrage gestellt worden.
Im RKI habe es den Protokollen zufolge unterschiedliche Sichtweisen auf die Aussagekraft der Inzidenzwerte gegeben: Ein Teil der Expert*innen sei davon ausgegangen, dass der Wert stets zu niedrig angesetzt gewesen sei und Nachkorrekturen nach oben hätten vorgenommen werden müssten. Andere Mitglieder des Krisenstabs hätten die Inzidenzen als „willkürliche politische Werte“ eingeordnet. So habe man sich dann im RKI auch kritisch gezeigt, als die Pläne für flächendeckende verbindliche Testungen diskutiert wurden. Dieses Vorgehen „würde die Inzidenzen verändern, da wir aktuell von Untererfassung ausgehen und die aktuellen Grenzwerte wären somit hinfällig. Es würde die aktuelle Teststrategie verzerren“, zitiert Kubicki aus den RKI-Protokollen.
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Die Begründung der Grundrechtseinschränkungen auf Grundlage der Sieben-Tage-Inzidenz erfolgte also aus seiner Sicht wider besseres Wissen des Krisenstabs. Er bewertete die damals getroffenen Entscheidungen als „grundrechtliches Lottospiel“. Die Verordnungen wurden „so schnell und so stümperhaft durch Bundestag und Bundesrat gejagt, dass die Exekutive einfach freihändig festgelegt hat, dass mit wenig genauen Zwischenstandszahlen schwerste Grundrechtseingriffe vorzunehmen seien. Das ist gelebter föderaler Dilettantismus“, kritisiert Kubicki.
Zusammenhang zur Hospitalisierung
Auch bei der Bewertung des Zusammenhangs von Inzidenz und Hospitalisierung treten demnach Diskrepanzen gegenüber der öffentlichen Darstellung aus den Aufzeichnungen des RKI zutage. Am 20. Oktober 2021 sei der Krisenstab zu dem Ergebnis gekommen, dass Aussagen über eine mögliche Korrelation zwischen Inzidenzzahlen und der Auslastung der Intensivstationen „nicht möglich“ sei.
Bei einer Befragung durch das Bundesverfassungsgericht habe der Präsident der RKI jedoch genau einen solchen Zusammenhang unterstellt: „Warum hat Lothar Wieler als Präsident gegenüber dem Bundesverfassungsgericht die zum Teil massiven internen Vorbehalte seines Institutes nicht kommuniziert? Was sollen wir davon halten, wenn eine Bundesoberbehörde hinter verschlossenen Türen einen Sachverhalt anders einschätzt als vor Gericht – und damit möglicherweise eine Entscheidung von enormer Tragweite zugunsten einer Partei beeinflusst?“ Für Kubicki offenbart sich hier ein „problematisches Abhängigkeitsverhältnis zur Bundesregierung“.
Bewertung der Gefahrenlage
Zu Beginn des Jahres 2022 entschied sich der Deutsche Bundestag gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, die vom BMG unter Führung von Karl Lauterbach (SPD) angestrebt wurde. Damals setzte sich die Omikron-Variante als dominierende Mutation des SARS-CoV-2-Virus durch. Diese ging in den meisten Fällen mit leichteren Krankheitsverläufen und geringeren Hospitalisierungszahlen einher.
Kubicki meint, damals habe es seitens der Bundesregierung ein „vitales politisches Interesse an einer breiten Corona-Furcht in der Bevölkerung“ gegeben. Den politischen Entscheider*innen passte es demnach nicht in die Agenda, eine Herabstufung der Gefahrenlage vorzunehmen, obwohl der wissenschaftliche Erkenntnisstand dies nahelegte. Am 25. Februar sei in den Protokollen nachzulesen, dass eine vom RKI beabsichtige Herabstufung vom BMG abgelehnt wurde. Auch die Aufzeichnungen vom 20. April 2022 werden in diesem Zusammenhang von Kubicki zitiert: „In Hinblick auf das BMG sollte die Herabstufung aus strategischen Gründen zunächst auf hoch und nicht moderat erfolgen.“
Lauterbach soll „persönliche Konsequenzen“ ziehen
Lauterbachs Ministerium habe, entgegen den eigenen Bekundungen, sehr wohl Einfluss auf die Bewertungen des RKI ausgeübt. Mit wissentlichen Unwahrheiten habe man die Öffentlichkeit, das Parlament und auch das Bundesverfassungsgericht getäuscht. Deshalb fordert Kubicki Konsequenzen für Lauterbach: „Wem die Beachtung der rechtsstaatlichen Ordnung, die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger und unsere Verfassung etwas bedeutet, kann diesen Minister in seinem Treiben nicht mehr unterstützen. Karl Lauterbach hat dem Ansehen der Bundesregierung durch sein unverantwortliches Verhältnis zur Wahrheit schweren Schaden zugefügt und Zweifel an der Lauterkeit staatlichen Handeln genährt. Er muss persönliche Konsequenzen ziehen.“
Das BMG wollte sich zu Kubickis Vorwürfen im Einzelnen nicht äußern. Gegenüber der Deutschen Presseagentur ließ Lauterbachs Ministerium am heutigen Freitag mitteilen, dass es in den RKI-Protokollen „nichts zu verbergen“ gebe: „Das RKI hat während der Pandemie Empfehlungen abgegeben. Die politische Verantwortung liegt aber beim Ministerium. Trotz der insgesamt vorsichtigen Strategie sind allein im Jahr 2022 in Deutschland noch mehr als 50.000 Menschen an Corona gestorben. Die Maßnahmen waren damit mehr als begründet.“
2 Kommentare
RKI-Files
von Insider am 12.08.2024 um 16:31 Uhr
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ich bin empört
von pendejo am 09.08.2024 um 15:14 Uhr
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