Deutscher Apothekertag 2022

Konfliktstoff Cannabis

Ein Kommentar

Peter Ditzel, Herausgeber der Deutschen Apotheker Zeitung

Cannabis zum Genuss aus der Apotheke? Wollen wir oder lieber doch nicht? Die Bundesregierung hat sich für die Legalisierung ausgesprochen. Sie kann sich vorstellen, dass auch Apotheken Cannabis-Verkaufsstätten sind. Aber wollen wir das überhaupt? Die Meinungen gehen weit auseinander: Während sich die einen sogar gegen eine Legalisierung von Cannabis aussprechen, freuen sich andere schon auf das Zusatzgeschäft mit dem Drogenverkauf. Aber da müsste erstmal geklärt werden, ob das Genuss-Cannabis exklusiv über Apotheken vertrieben werden soll oder ob sich die Bundesregierung auch andere Verkaufsstätten vorstellen kann. Wenn schon, denn schon: Einen ausschließlichen Verkauf über Apotheken kann sich so manche Apothekerin, so mancher Apotheker wohl eher vorstellen, als wenn man in Konkurrenz zu anderen lizenzierten Geschäften treten müsste. Aber dann stelle man sich auch die Situation in der Offizin vor: Da legt der eine Kunde ein Rezept für seinen Medizinal-Cannabis vor, und die Kundin neben ihm kauft (billiger?) ein paar Gramm zum Chillen am Wochenende. Und wenn es dem Medizinal-Cannabis-Konsumenten nicht reicht, kann ihm die Apotheke auch als Zusatzverkauf ein paar Gramm als Add-on anbieten. Kann das gut gehen? Ob die Überlegung, einen kleinen Nebenraum der Apotheke oder gar ein eigenes Ladengeschäft für Cannabis-Verkauf quasi als aus­gegliederten Shop der Apotheke einzurichten, die Lösung ist? Trägt der Cannabis-Verkauf die Kosten für einen Zusatz-Shop?

Für Ärzte könnte es sogar verlockend sein, auf die Mühen des Ausstellens einer Cannabis-Verordnung zu verzichten und ihren Patientinnen und Patienten zu empfehlen, Cannabis privat in der Apotheke zu kaufen – das Aus für Medizinal-Cannabis?

Manche Apothekerinnen und Apotheker werden allerdings von Gewissensfragen gequält: Welches Gefühl hat man, wenn man als Apothekerin, als Apotheker – mit dem Wissen um die großen gesundheit­lichen Risiken dieser Droge – einem Jugendlichen Cannabis verkauft? Vielleicht ist es also doch besser, wenn wir den Verkauf von Genuss-Cannabis ablehnen? Andererseits, bevor diese Droge in „Coffee-Shops“ abwandert, mit weniger Kontrolle, weniger Hinweisen, vielleicht wäre gerade Genuss-Cannabis, wenn es die Regierung unbedingt freigeben will, doch besser in der Apotheke aufgehoben? Die Apotheke mit dem Cannabis-Monopol, als offizieller „Cannabis-Dealer“. Und da stellt sich die Frage, ob es eine offizielle Cannabis-Abgabestelle schafft, den Schwarzmarkt-Preis zu unterbieten. Denn ein Grund für die Legalisierung ist doch zum einen die Entkriminalisierung der Cannabis-User, aber auch, den Schwarzmarkt auszutrocknen. Realistisch?

Die Diskussion über diese Fragen hielt dem Zeitdruck des diesjährigen Apothekertags nicht stand – viele fühlten sich sichtlich über­fordert, über Genuss-Cannabis aus der Apotheke ein abschließendes Urteil zu bilden. Ehrlich gesagt, ich auch. Die Diskussion über die Cannabis-Anträge wurde abge­brochen ohne Abstimmung. Es war gut so. Das Thema braucht rasch mehr Input, vielleicht auf einem eigenen Symposium?

 

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