Deutscher Apothekertag 2022

Lieber Lotsen statt Kiosk

Ein Kommentar

Peter Ditzel, Herausgeber der Deutschen Apotheker Zeitung

Lauterbach glaubt fest an seine 1000 geplanten Gesundheitskioske, die er in den nächsten Jahren über die Bundesrepublik ausgießen will. Gesundheitskiosk – der Name hat was. Er suggeriert, dass man dort schnell, unbürokratisch und niedrigschwellig Gesundheit bekommt. Ganz so einfach wird’s allerdings nicht sein. Gesundheitskioske sollen vor allem den Menschen in strukturschwachen, sozial benachteiligten Regionen die Möglichkeit bieten, schnell, kompetent und unbürokratisch in Gesundheitsfragen beraten zu werden. Es soll also eine Struktur geschaffen werden irgendwo zwischen Arztpraxis, Apotheke und den Ver­sicherten. In den Kiosken sollen examinierte Pflegefachkräfte, Kranken- und Altenpflegekräfte arbeiten, möglichst mehrsprachig, die dann Gesundheitsaufklärung und Ernährungsberatung anbieten, Blutdruck und Blutzucker messen, Wunden versorgen und auf ärztliche Anweisung auch subkutane Injektionen geben. Außerdem sollen sie sich mit anderen lokalen Akteuren im Gesundheitswesen vernetzen. Geplant ist sogar eine Zusammenarbeit mit Apothekerinnen und Apothekern, die Sprechstunden anbieten und über die richtige Einnahme von Arzneimitteln aufklären. Finanziert werden sollen die Kioske laut Gesetzesinitiative von den Kommunen (20%), der GKV (74,5%) und der PKV (5,5%).

So stellt sich das Karl Lauterbach vor. Sicher, eine ehrenwerte Absicht, wirklich allen Menschen Hilfe in Gesundheitsfragen aller Art anzubieten. Aber mal abgesehen davon, dass Pflegekräfte, die auf allen Ebenen händeringend gesucht werden, für die Kioske abgezogen würden, fragt man sich doch: Hat Lauterbach vergessen, dass er ein Finanzloch von 17 Mrd. Euro bei der GKV zu managen hat, bei dem sogar die Apotheken mit 120 Mio. Euro zum Stopfen beitragen sollen? Krankenkassen sind nicht erfreut über das Vorhaben. Sie rechnen pro Jahr mit rund 700.000 Euro pro Kiosk. Für die geplanten 1000 Kioske wären das mal locker 700 Mio. Euro im Jahr. Auch die Ärzte laufen schon Sturm dagegen: Versorgungsprobleme werden mit solchen Parallelstrukturen nicht gelöst, heißt es vonseiten der Ärztekammern.

Der Apothekertag hat ebenfalls einen Antrag angenommen, mit dem die Delegierten darauf hinweisen, dass Leistungen, die künftig in Gesundheitskiosken erbracht werden sollen, schon heute durch bereits vorhandene Strukturen, auch unter Einbindung von Apotheken, erbracht werden oder kurzfristig erbracht werden können. Vollkommen richtig. Die Apothekerkammer Berlin brachte darüber hinaus die Anregung ein, dass sich Apothekerinnen und Apotheker als Gesundheitslotsinnen und -lotsen fortbilden können. Eine gute Idee, finde ich. Solche Lotsen könnten ihre Arzneimittelkompetenz um den Bereich der Gesundheits- und Therapiekoordination erweitern. Sogar für PTA oder PKA sieht die Kammer Möglichkeiten in Richtung Lotsenfunktion. Darüber hinaus kann man sich sogar bezahlte pharmazeutische Dienstleistungen vorstellen, die in den Bereich der Lotsenfunktion fallen. Ein Delegierter ging sogar noch einen Schritt weiter: Er hält es für möglich, dass Apotheken eng an ­Kioske andocken oder sogar selbst als Betreiber eines Gesundheits­kioskes fungieren. Für die meisten im Plenum war dies allerdings eher unvorstellbar.

Wenn aber Gesundheitskioske doch noch kommen? Drei arbeiten bereits in Hamburg. Wir sollten das Thema verfolgen, auch wenn wir Kioske nicht befürworten: Vielleicht könnte unser aktiver Einsatz, einen Teil von Kioskaufgaben der Apotheke zu übertragen, Lauterbach gefallen: Apothekerinnen und Apotheker als Lotsen im Gesundheitsdschungel. Leider fand auch bei diesem Antrag, wie bei so vielen, keine abschließende Meinungsbildung statt – ein Antrag auf Übergang zum nächsten Antrag unterband eine weitere ­Diskussion.

 

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