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Medizin

In die Jahre gekommene Männer

Gefährdet die Zeugung im fortgeschrittenen Alter den Nachwuchs?

Wenn sich heute der Blick auf werdende Eltern richtet, wird häufig das zunehmende Alter der Mütter thematisiert, das mit Problemen in der Schwanger­schaft und für die Gesundheit des Kindes einhergehen kann. Doch wie sieht es bei den Vätern aus, die bei der Zeugung heute tendenziell auch älter sind? Ist deren Konstitution unabhängig vom Alter über Störungen beim Nachwuchs erhaben oder gibt es Hinweise darauf, dass das höhere väterliche Alter gesundheitliche Konsequenzen für den Nachwuchs hat? Die Wissenschaft vermag diese Frage bis heute nicht eindeutig zu beantworten. Aber es gibt interessante neuere Erkenntnisse dazu. | Von Walter Leven

Dass Väter immer älter werden ist eine Entwicklung, die nicht nur in Deutschland beobachtet wird, sondern nahezu weltweit, unabhängig von Rassen, Ethnien, Regionen und Bildung. Im Jahr 2020 hatten Männer ein statistisches Durchschnittsalter von 33,2 Jahren, wohlgemerkt bei der Geburt des ersten Kindes der Mutter. Was sich etwas spitzfindig anhört, verweist auf Lücken in der Erhebung. Frauen sind zum selben Zeitpunkt im Mittel 30,2 Jahre alt. Zahlenmäßig ist das kein großer Unterschied zwischen den Geschlechtern. Da Männern aber ihr Leben lang zeugungsfähig bleiben, sind gut 10% von ihnen bei der Geburt über 40 Jahre alt und wiederum gut 10% davon deutlich älter.

Was sind „ältere Väter“?

Allein die Frage, was „Väter im fortgeschrittenen Alter“ sind, ist bislang nicht hinreichend definiert. Mit dem Versuch einer Definition tun sich nicht nur wissenschaftliche oder medizinische Institutionen schwer. Zu sehr beeinflussen Veränderungen im gesellschaftlichen Bereich die konkrete Festlegung auf klare und verbindliche Regeln z. B bei der künstlichen Befruchtung, und begünstigen es, den väter­lichen Alterungsprozess auszublenden. Eine wachsende Lebenserwartung, längere Ausbildungszeiten und damit einhergehend eine verzögerte Etablierung im Berufsleben, eine spätere Eheschließung, eine hohe Scheidungs- und Wiederverheiratungsrate, der Wunsch, mit einer zweiten Frau ein Kind zu zeugen und nicht zuletzt prominente Beispiele für eine Vaterschaft im fortgeschrittenen Alter verlängern nahezu fortwährend die allgemein anerkannte Phase männlicher Aktivität. Auch wenn die Rolle der Frau bei der Zeugung im Hinblick auf die Entwicklung und Gesundheit des Nachwuchses allein auf Grund der biolo­gischen Situation relevanter ist, gerät auch das Alter des Mannes und mögliche damit einhergehende Negativeffekte auf die Gene der Gameten, die Schwangerschaft und die Gesundheit der Nachkommen zunehmend in den Fokus.

Dennoch ist es schwierig, Männer pauschal ab einem bestimmten Alter – medizinisch diskutiert wird eine Grenze bei 40 bis 45 Jahren – in der Fortpflanzung einzuschränken, ohne eine pauschale Altersdiskriminierung zu riskieren, insbesondere mit dem Wissen, dass nur Männer unter 30 Jahren über die besten Zeugungsvoraussetzungen verfügen. Deshalb bleibt die Frage „ob oder wie alt zu alt ist?“ bis heute in der Reproduktionsmedizin unbeantwortet. Auf weiblicher Seite wird als Altersgrenze für eine „unbelastete Empfängnis“ 35 Jahre angesehen, zumindest sprechen Frauenärzte bei Frauen ab 35 Jahren ganz automatisch von einer Risikoschwangerschaft. Versuche zur genaueren paternalen Abgrenzung liefern dagegen immer wieder widersprüchliche Ergebnisse. Studien aus der doch sehr heterogenen Lebenspraxis unter den Eltern sind lückenhaft [1]. Die Gründe hierfür liegen in der Variabilität der Paarkonstellationen – nur bei rund 70% sind beide Partner etwa gleich alt –, der Schwierigkeit, mütterliche und väterliche Einflüsse abzugrenzen, in fehlenden Definitionen zur Gruppenbildung bei den Betroffenen und nicht zuletzt in einer ausreichend großen Stichprobengröße. Auch im Bereich der assistierten Fertilitätsverfahren von der Stimulationstherapie über die In-vitro-Fertilisation (IVF) bis zur intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) ist die Studienlage widersprüchlich und unbefriedigend. Zudem repräsentiert das Kollektiv, kritisch betrachtet, nicht unbedingt die Normalität. Dennoch ist die wissenschaftliche Forschung in den letzten Jahrzehnten nicht stehen geblieben und hat zu einem wesentlich besseren Verständnis der Regulations­prozesse im Rahmen der Befruchtung geführt. Das hat auch dazu beigetragen, den väterlichen Anteil besser zu verstehen und mögliche Risiken besser zu bewerten. So können bei Bedarf Handlungsempfehlungen gegeben bzw. das Bewusstsein geschärft werden.

Unterschiede in der männlichen und weiblichen Gametogenese

Bei Säugetieren im Allgemeinen und auch beim Menschen im Speziellen erfordert die Gametogenese am Ende, dass diploide Keimzellen den als Meiose bekannten Prozess der Reduktionsteilung durchlaufen, um funktionsfähige Gameten zu bilden. Oogenese und Spermatogenese finden jedoch zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten während der Entwicklung der Individuen statt und erreichen unterschiedliche Endpunkte. Bei Frauen wird dieser Prozess im Fötus lange vor der Geburt eingeleitet, es wird eine begrenzte Anzahl gespeicherter Keimzellen gebildet, die in regel­mäßigen Abständen während des Fortpflanzungslebens heranreifen. Bei Männern wird die Meiose erst nach der Geburt zu Beginn der Pubertät eingeleitet, mit dem Ziel, die für die männliche Fruchtbarkeit erforderliche Vielzahl von Keimzellen zu bilden. Das Heranreifen der Spermien aus den spermatogenen Stammzellen, die Spermatogenese, ist ein kontinuierlicher Prozess über die gesamte reproduktive Lebensspanne des Mannes. Es dauert etwa 30 bis 40 Tage, bis aus den spermatogenen Stammzellen Spermien entstehen.

Abnehmende Spermienqualität

Ein zunehmendes Alter des Mannes geht nachweislich mit negativen Folgen für die Qualität der Spermien einher. Im Einzelnen verringert sich das Spermavolumen und die Spermienzahl, deren Beweglichkeit, Morphologie und Lebensfähigkeit. Ohne die Ursachen hierfür eindeutig zuordnen zu können, kommt es im Alterungsprozess zu einer verringerten Funktion der akzessorischen Drüsen, zu zellulären und physiologischen Veränderungen einschließlich einer Abnahme der Reparaturkapazität für Zell- und Gewebeschäden und einer Abnahme der Zahl an Keimzellen und des Androgenspiegels. In Konsequenz nimmt die Fruchtbarkeit des Mannes mit zunehmendem Alter ab. Das wirkt sich nicht nur unmittelbar auf die Befruchtung der Eizelle aus, sondern auch auf den weiteren Verlauf der Schwangerschaft. Es gibt Studien, in denen gezeigt werden konnte, dass es bei natürlicher Empfängnis bei Männern jenseits des 45. Lebensjahrs vermehrt zu Fehl- und Totgeburten kommt [2, 3, 4]. Auch das Risiko für ein niedriges Geburtsgewicht und eine Frühgeburt steigt.

DNA-Schäden

Was sich morphologisch bei den Spermien zeigt, spiegelt sich auch in deren DNA wider. Studien an Tiermodellen deuten darauf hin, dass die männliche Keimbahn relativ robust gegenüber exogenen Noxen einschließlich Strahlung ist und weit weniger Spontanmutationen auftreten als in Zellen des somatischen Gewebes. Ursächlich für einen Anstieg der Mutationshäufigkeit in den Spermien ist deshalb die kontinuierliche Teilung der männlichen Keimzellen während der gesamten reproduktiven Lebenszeit. Zu den diskutierten Mechanismen, die mit zunehmendem Alter zu einer Anhäufung von Mutationen führen, zählen

  • Chromosomenumlagerungen,
  • eine verringerte Zuverlässigkeit der Korrekturlesungen während der DNA-Replikation und DNA-Reparatur,
  • eine wachsende Apoptose in der Keimzelllinie sowie
  • eine Anhäufung von endogenen und exogenen Mutagenen
  • und nicht zuletzt oxidativer Stress.

Basierend auf Untersuchungen von Eltern-Nachkommen-Trios konnte nachgewiesen werden, dass sich die väterlichen Mutationen alle 16,5 Jahre verdoppeln, mit einer durchschnittlichen Zunahme von zwei Mutationen pro Jahr. Diese De-novo-Mutationen erhöhen das Risiko beim Nachwuchs, mit Einzelgenstörungen geboren zu werden. Häufig betroffen sind die Gene FGFR2, FGFR3, HRAS, PTPN11 und RET. Es resultieren seltene autosomal-dominante Erkrankungen. Dazu gehören das Apert-, Crouzon-, Pfeiffer- und Münke-Syndrom, die Achondroplasie (die häufigste Form des Kleinwuchses), das Costello- und Noonan-Syndrom sowie die multiple endokrine Neoplasie Typ 2A und Typ 2B. Gemeinsam sind diesen Krankheitsbildern De-novo-Punktmutationen, deren Auftreten in der Spermatogenese bei den nicht betroffenen Vätern vermutet werden. Klinisch sind die Erkrankungen durch angeborene Skelettdeformationen, Wachstumsverzögerung, Herzfehler, Hyperpigmentierung der Haut und Krebsanfälligkeit gekennzeichnet. Am besten untersucht auch hinsichtlich seiner Kausalität ist das Apert- Syndrom. Die Häufigkeit dieses Mutationsmusters im Gen FGFR2 steigt mit fortgeschrittenem Alter des Vaters.

Allgemeine Erkrankungen

Auf der Ebene allgemeiner Krankheitsbilder wurde eine höhere Inzidenz für neurologische Entwicklungsstörungen bei Kindern von älteren Vätern festgestellt, aber auch ein wachsendes Risiko für bipolare Störung, Autismus, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und Schizophrenie [5 - 9]. Ein Erklärungsmodell, das diese Phänomene mit den Spermien verlinkt, könnte auf einem mit dem Alter zunehmendem Gen-Silencing beruhen, also einem Abschalten bestimmter Regionen in der Spermien-DNA, auf denen Gene liegen, die für das psychische Verhalten codieren.

Was kann Mann tun?

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Tatsächlich ist das Alter einer Person auch nur eine Zahl. Diese muss in Verbindung mit der jeweiligen gesundheitlichen Fitness gesehen werden, um die individuelle Gesamtsituation beurteilen zu können. Von kleineren vorübergehenden Unpässlichkeiten abgesehen, ergibt sich aus der Summe der lebenslangen Einflüsse aus Lebensstil und Ernährung basierend auf den genetischen Veranlagungen ein jeweils ganz persönliches Bild, das auch auf die Fruchtbarkeit reflektiert. In der Beratungspraxis der Apotheke steht man deshalb vor der Herausforderung, an Männer, die sich in der Rolle eines älteren Vaters sehen, spezifische Empfehlungen auszusprechen, die punktgenau und zeitnah helfen, den Wunsch erfolgreich und natürlich störungsfrei für den Nachwuchs umzusetzen. Studien, die sich der Thematik widmen, liefern in der Regel eher unspezifische, theoretisch aus analogen Sachverhalten abgeleitete stoffliche Empfehlungen. Den Ausgangspunkt bildet die Hypothese, dass oxidativer Stress und chronische Entzündungen Schäden auf zellulärer Ebene bis hinein in die DNA setzen. Dafür verantwortlich sind freie Radikale, deren Konzentration mit dem Alter steigt, vor allem, wenn antioxidative Enzyme, Vitamine und Mineralstoffe fehlen. Wenn die Aufnahme von Makro- oder Mikronährstoffen unzureichend ist, können Nahrungsergänzungsmittel helfen, einem Mangel vorzubeugen. Die männliche Keimbahn ist aufgrund ihrer Teilungsaktivität anfällig gegenüber oxidativem Stress und entzündlichen Prozessen. Namentlich L-Arginin, L-Glutamin, Vitamin C, Vitamin D, Vitamin E, Omega-3-Fettsäuren (EPA, DHA), Selen und Zink stehen im Fokus wissenschaftlicher Abhandlungen zur Verbesserung der Sperma­togenese, der Spermienqualität und -zahl. Die beiden Spurenelemente Selen und Zink sowie die Aminosäure L-Arginin nehmen im Kanon der Substanzen eine gewisse Sonderrolle ein, weil ihr Einfluss auf die Fruchtbarkeit als spezifischer eingeschätzt wird. Insgesamt ist die wissenschaftliche Literatur über die Anwendung von Mikro- und Makronährstoffen zur Verbesserung der männlichen Gameten derzeit jedoch begrenzt.

Chromosomale Aneuploidie

Die Zusammenhänge zwischen dem mütterlichen Alter und Chromosomenstörungen, insbesondere einer Aneuploidie 21, sind bekannt und Bestandteil von Schwangerschafts­untersuchungen. Es gibt immer mehr Belege dafür, dass eine ähnliche Beziehung auch bei Männern existiert. Die häufigsten chromosomalen Aneuploidien in Spermien wurden bei den Chromosomen 21 und 22 sowie in Form von XY-, YY- und XX-Disomien festgestellt, wobei die Rate der Chromosomenanomalien in Spermien etwa 9% beträgt. Im Einzelnen handelt es sich um chromosomale Deletionen, Translokationen und Duplikationen. Obwohl Männer insoweit das Risiko für eine Trisomie 21 beeinflussen, liegt der Anteil wohl bei weniger als 10% aller Fälle.

Welche Prozesse sind denkbar, um Fehler im Erbgut zu vermeiden?

Alle diese Beobachtungen, die auf einen Zusammenhang zwischen väterlichem Alter und der Gesundheit des Nachwuchses hindeuten, basieren auf Gendefekten, welche sich möglicherweise als Replikationsfehler oder Alterungsprozess im Zuge der Spermatogenese in das männliche Erbgut eingeschlichen haben. Die Individuen selbst sind nicht Träger der Anomalien. Es stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls was nach einer Befruchtung im Sinne einer Fehlervermeidung in der Eizelle passieren könnte. Einige Annahmen postulieren einen DNA-Reparaturmechanismus, der in das Genmaterial des Kerns korrigierend eingreift [10]. Tierversuche, die ein solches Phänomen belegen sollen, sind in der Literatur beschrieben [11]. In der Regel werden die Genfehler in den Geschlechtszellen der Tiere künstlich durch Strahlung induziert. In den Studien wurde eine abnehmende Reparaturkapazität der Eizelle mit wachsendem Alter gezeigt. Diese Beobachtung korreliert gut mit Erfahrungen aus dem Bereich der künstlichen Befruchtung beim Menschen. Deren Erfolgsaussichten schwinden vor allem mit einem steigenden Alter der Mutter deutlich.

Kritisch betrachtet wäre die Frage zu stellen, ob das Tiermodell die wirklichen Verhältnisse widerspiegelt, denn es gibt noch weitere Einflüsse auf mütterlicher und väterlicher Seite, die beim Zeugungsprozess von Lebewesen Risiken für eine Fehlbildung oder Störung beim Nachwuchs beinhalten und somit auch beim Menschen gelten könnten. Ein Gebiet, das tiefer gehende Einblicke in den Vorgang der Befruchtung liefert, ist das Klonen. Was Anfang der Fünfzigerjahre mit Kaulquappen startete, erlangte endgültig Mitte der Neunzigerjahre durch die Übertragung auf Säugetiere weltweite Aufmerksamkeit: das erste Klonschaf Dolly brachte es zu internationaler Bekanntheit. In den gesellschaftlich kontrovers geführten Diskussionen ging es vor allem um ethische Aspekte des Verfahrens. Die biologische und medi­zinische Dimension des Themas wurde außerhalb der Fachkreise weitgehend ausgeblendet und blieb damit im Hintergrund. Denn obwohl Dolly aus dem Zellkern einer somatischen Körperzelle hervorgegangen ist, hatte sich ihre Genese ganz konventionell in einer, wenn auch entkernten, Eizelle vollzogen, einer Art verschärften Leihmutterschaft. Dass das Schaf Dolly und die anderen nach diesem Muster gezeugten Tiere das Licht der Welt erblicken durften, gilt als Beweis dafür, dass jede Zelle dauerhaft und unabhängig von ihrer Differenzierung den kompletten genetischen Bauplan in sich trägt.

Doch ein weiteres Ergebnis aus den Klonversuchen ist mindestens ebenso wichtig: Gewisse Faktoren im Zytoplasma der Eizelle lassen den gealterten, somatischen Zellkern einen kompletten Reprogrammierung- und Entdifferenzierungsprozess durchlaufen. Die Zygote befindet sich so wieder im pluripotenten Stammzellzustand. Das chronologische Alter des Spenderkerns ist annulliert und die Lebensuhr auf „Null“ gestellt. Individuen und Nachkommen der Klonmethode zeigen deshalb weder eine generell verkürzte Lebenserwartung noch eine von Generation zu Generation wachsende Vergreisung. Auch wenn Dolly aufgrund einer Virusinfektion sehr jung starb, gibt es genügend Klon­schafe, auch Nachfahren von Dolly, die regulär gealtert sind. Dabei zeigen nicht alle Tiere, die durch Klonen aus erwachsenen Zellkernen hervorgegangen sind, bei Gesundheit und Langlebigkeit ein normales Verhalten. Viele sterben im frühen Entwicklungsprozess, bedingt durch Unzulänglichkeiten in der Technik oder aus Unkenntnis über den genauen Reprogrammierungsprozess oder die richtige Auswahl von Eizelle und Spenderkern.

Fragen, welche molekularen Mechanismen nach der Befruchtung die Reprogrammierung und Entdifferenzierung initiieren und lenken, werden in der Stammzell­biologie bearbeitet und sind eng verbunden mit der Gewinnung induzierter pluripotenter Stammzellen (induced pluripotent stem cells, iPSC). In Gegenwart einer geringen Zahl von Transkriptionsfaktoren wie Oct4, Sox2 und Klf4 lassen sich eine Vielzahl von terminal differenzierten adulten Zellen von Menschen, Mäusen und anderen Spezies in pluripotente Stammzellen umwandeln. Pluripotenz wird als zelluläre Eigenschaft definiert, differenzierte Zellen in allen drei Keimschichten des Embryos hervorzubringen, dem Ekto-, Endo- und Mesoderm. In dieser Eigenschaft ähneln induzierte pluripotente Stammzellen embryonalen Stammzellen (embryonic stem cells, ESC). Was genau zur Verjüngung der Zellen beiträgt ist unklar. Möglicherweise spielt die Reaktivierung der Expression von Telomerase eine Rolle. Das Enzym ist ein Schlüssel für die Aufrecht­erhaltung der Telomerlänge und das langfristige Selbst­erneuerungspotenzial der Zellen.

Ist das Alter genetisch fixiert?

Die Arbeiten auf dem Gebiet der induzierten pluripotenten Stammzellen tangieren unser Grundverständnis vom Leben. Denn wenn jede Zelle wieder in ihren Urzustand versetzt werden kann, gleicht das Alter eines Organismus eher einem Zustand als einem Entwicklungsprozess, der auf ein Ende zuläuft. Oder anders ausgedrückt: Das Alter ist demnach nicht genetisch fixiert, sondern eher fluid und mehr Ausdruck einer sich ändernden Steuerung der Gene, Stichwort: Epigenetik, und deshalb theoretisch reversibel. Eindrucksvoll zeigen lässt sich diese These im Tierversuch mit unterschiedlich alten Lebewesen, die über den Blutkreislauf miteinander verbunden sind und sich so umgekehrt beeinflussen, indem eine Verjüngung respektive eine Vergreisung einsetzt (heterochrone Parabiose) [12]. So lassen sich aus dem Klonen von Lebewesen und der Gewinnung pluripotenter Stammzellen Erkenntnisse ableiten, die zur Beantwortung der Frage beitragen, ob das Zeugungs­alter der Väter für den Nachwuchs Relevanz besitzt. Die Antwort ist: Ja, aber das Alter der Mutter als Einflussgröße hat die höhere Priorität. Denn das entscheidende Kriterium ist das Zytosol der Eizelle, dessen Matrix einerseits über spezielle Faktoren zur Reprogrammierung des männlichen Genmaterials verfügt und andererseits diesen Prozesse gezielt in der befruchteten Zelle auslöst und steuert und so über Erfolg und Misserfolg der Befruchtung entscheidet. Dabei ist der Reprogrammierungsschritt auf epigenetischer Stufe zu sehen und weniger als eine Reparatur der Gene einzustufen. Demzufolge entscheidet primär die Leistungsfähigkeit der Eizelle über den Verlauf und Erfolg der Schwangerschaft und die Gesundheit des Kindes.

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Fazit

Es bleibt weiterhin eine Herausforderung, die Rolle älterer Väter bei der Zeugung richtig einzuschätzen. Die aktuelle Forschung ermöglicht neue Einblicke, was nach der Befruchtung in der Eizelle ablaufen könnte – auch mit Blick auf die gesundheitlichen Risiken in der Schwangerschaft und für den Nachwuchs. Zweifellos führt der Alterungsprozess des männlichen Organismus zu Problemen, die mit einer geringeren Qualität der Spermien (Volumen, Beweglichkeit und Anzahl) einhergehen und letztlich zu weniger Schwangerschaften führen. Aber vermutlich ist es um die genetische Stabilität der Spermien besser bestellt als bisher vermutet wurde und deshalb zählt wahrscheinlich die initiale DNA-Reparatur nicht zu den wichtigsten Aufgaben einer Eizelle. Überwiegend sind es mit zunehmendem Alter Punktmuta­tionen, die zu definierten Entwicklungsstörungen beim Nachwuchs führen bzw. bestimmte Erkrankungsformen begünstigen. Studien in Bereichen des Klonens und der Stammzellbiologie lassen andere Fähigkeiten des Zytosols der Eizelle bei der Befruchtung erkennen. Dabei geht es um die Reprogrammierung und Entdifferenzierung des Kernes auf epigenetischer Ebene mit dem Ziel der Wiederherstellung eines chronologischen Null-Zustandes in der Zygote. Je erfolgreicher die weibliche Zelle hierbei agiert, desto störungsfreier sind Befruchtung, Schwangerschaft und die Gesundheit des Kindes. Dass die Erfolgsquote um­gekehrt mit dem Alter korreliert, überrascht nicht, verweist aber wiederum auf die Wichtigkeit des Mütterlichen im Zeugungsprozess. |

 

Literatur

[1] Johnson SL, Dunleavy J, Gemmell NJ, Nakagawa S. Consistent age-dependent declines in human semen quality: a systematic review and meta-analysis. Ageing Res Rev 2015;19:22-33, doi: 10.1016/j.arr.2014.10.007, Epub 21. November 2014, PMID: 25462195

[2] Alio AP, Salihu HM, McIntosh C, August EM, Weldeselasse H, Sanchez E, Mbah AK. The effect of paternal age on fetal birth outcomes. Am J Mens Health 2012;6(5):427-435, doi: 10.1177/­1557988312440718, Epub 7. Mai 2012, PMID: 22564913

[3] Belloc S, Cohen-Bacrie P, Benkhalifa M, Cohen-Bacrie M, De Mouzon J, Hazout A, Ménézo Y. Effect of maternal and paternal age on pregnancy and miscarriage rates after intrauterine insemination. Reprod Biomed Online 2008;17(3):392-7, doi: 10.1016/s1472-6483(10)60223-4, PMID: 18765010

[4] Slama R, Bouyer J, Windham G, Fenster L, Werwatz A, Swan SH. Influence of paternal age on the risk of spontaneous abortion. Am J Epidemiol 2005;161(9):816-823, doi: 10.1093/aje/kwi097, PMID: 15840613

[5] Halvaei I, Litzky J, Esfandiari N. Advanced paternal age: effects on sperm parameters, assisted reproduction outcomes and offspring health. Reprod Biol Endocrinol 2020;18(1):110, doi: 10.1186/s12958-020-00668-y, PMID: 33183337

[6] Nybo Andersen AM, Urhoj SK. Is advanced paternal age a health risk for the offspring? Fertil Steril 2017;107(2):312-318, doi: 10.1016/j.fertnstert.2016.12.019, Epub 11. Januar 2017, PMID: 28088314

[7] McGrath JJ, Petersen L, Agerbo E, Mors O, Mortensen PB, Pedersen CB. A comprehensive assessment of parental age and psychiatric disorders. JAMA Psychiatry 2014;71(3):301-309, doi: 10.1001/jamapsychiatry.2013.4081, PMID: 24452535

[8] Gunes S, Hekim GN, Arslan MA, Asci R. Effects of aging on the male reproductive system. J Assist Reprod Genet 2016;33(4):441-454, doi: 10.1007/s10815-016-0663-y, Epub 11. Februar 2016, PMID: 26867640

[9] Chan PTK, Robaire B. Advanced Paternal Age and Future Generations. Front Endocrinol (Lausanne) 2022;13:897101, doi: 10.3389/fendo.2022.897101, PMID: 35757433

[10] Musson R, Gąsior Ł, Bisogno S, Ptak GE. DNA damage in preimplantation embryos and gametes: specification, clinical relevance and repair strategies. Hum Reprod Update 2022;28(3):376-399, doi: 10.1093/humupd/dmab046, PMID: 35021196

[11] Hyun M, Lee J, Lee K, May A, Bohr VA, Ahn B. Longevity and resistance to stress correlate with DNA repair capacity in Caenorhabditis elegans. Nucleic Acids Res 2008;36(4):1380-1389, doi: 10.1093/nar/gkm1161, Epub 18. Januar 2008, PMID: 18203746

[12] Rando TA, Chang HY. Aging, rejuvenation, and epigenetic reprogramming: resetting the aging clock. Cell 2012;148(1-2):46-57, doi: 10.1016/j.cell.2012.01.003, PMID: 22265401

Autor

Dr. Walter Leven, Apotheker, Studium der Pharmazie an der FU Berlin, Promotion in der Pharmazeutischen Biologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; über dreißig Jahre lang selbstständig in verschiedenen Apotheken bundesweit, seit Anfang 2022 freiberuflich tätig im publizistischen Bereich

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