ApothekenRechtTag online

Vier gewinnt

Lieferengpässe managen – welche Handlungsmöglichkeiten haben Apotheken?

gbg | Wer derzeit die massenhaft auftretenden Lieferengpässe managen will, braucht viel Kreativität, Flexibilität und Pragmatismus. Apotheken, die dann noch die geltende Rechtslage kennen und wissen, wann sie von welchen Beschaffungsmöglichkeiten Gebrauch machen dürfen, sind gerüstet, um ihre Patientinnen und Patienten auch in dieser schwierigen Situation versorgen zu können. Was Apotheken unter welchen Umständen tun dürfen, wenn Lieferengpässe auftreten, fasste Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas zusammen.

Die Gründe für die Arzneimittelknappheit sind vielfältig. Neben dem hierzulande recht niedrigen Preis­niveau spielen Lieferkettenunterbrechungen, Ereignisse wie der Ukrainekrieg und die Konzentration auf einige wenige Herstellungsstätten eine Rolle. Die Folgen der Misswirtschaft sind für die Apotheken gravierend: Den Ergebnissen einer Umfrage des Zusammenschlusses der Apotheker in der EU (ZAEU) zufolge wenden Apotheken in Europa im Durchschnitt 5,1 Stunden pro Woche auf, um Lieferengpässe zu managen. Nach Zahlen der ABDA sind es sogar selbst bei zurückhaltenden Schätzungen mindestens sechs Stunden pro Woche. Aus­gehend von Arbeitgebervollkosten für pharma­zeutisches Personal in Höhe von 75,91 Euro kommt die Standesver­tretung letztlich auf einen Betrag von mindestens 425 Millionen Euro pro Jahr, die Apotheken für das Verwalten der Knappheit aufwenden – auf eigene Kosten wohlgemerkt.

Foto: DAZ/Moritz Hahn

Dr. Morton Douglas Substitution, Rezeptur, Einzelimport, Apothekenbezug

Was darf die Apotheke, wenn ein Arzneimittel fehlt?

Doch zurück zur Praxis: Welche Werkzeuge haben Apotheken konkret zur Hand, um trotz eines Lieferengpasses noch zu versorgen? Das sind laut Douglas im Wesentlichen vier Optionen: Substitution, Rezepturanfertigung, Einzelimport und der Bezug eines Arzneimittels von einer anderen Apotheke.

Unter Substitution ist der Austausch gegen ein wirkstoffgleiches, alternatives Präparat zu verstehen. In diesem Punkt räumte die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung den Apotheken von März 2020 bis Ostern dieses Jahres weitreichende Befugnisse ein. Inzwischen sollten die Sonderregeln mit dem Gesetz zur Umstruk­turierung der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD-Gesetz) übergangsweise verlängert sein, allerdings ist dieses wider Erwarten noch nicht im Bundesgesetzblatt erschienen. Dennoch: Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die erweiterten Austauschregeln bis Ende Juli 2023 unverändert fortgelten, bis dann – so ist es derzeit vorgesehen – die Regelungen des geplanten Lieferengpass-Gesetzes (Verstetigung in § 129 SGB V) greifen sollen.

Dass das UPD-Gesetz formal noch nicht in Kraft getreten ist, sollte den Apothekerinnen und Apothekern nach Douglas‘ Einschätzung keine schlaf­losen Nächte bereiten. Er geht von einer sogenannten Vorwirkung von Gesetzen aus, die auch in diesem Fall zum Tragen komme: Nachdem der Bundestag es Ende März beschlossen und der Gesetzgeber damit klar seinen politischen Willen geäußert hat, könne man davon ausgehen, dass die Regeln weiter angewendet werden dürfen.

Ist kein passendes Fertigarzneimittel verfügbar, bleibt die Möglichkeit, eine Rezeptur anzufertigen. Unter welchen Voraussetzungen Apotheken etwa Fiebersäfte für Kinder anfertigen dürfen, wenn es an Fertigpräparaten mangelt, haben das BfArM, der GKV-Spitzenverband, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die ABDA bereits im Juli 2022 miteinander abgestimmt. Rechtlich bindend sind die festgehaltenen Kriterien für die Krankenkassen allerdings nicht. Douglas stellt das nicht zufrieden: „Aufgrund der Ernsthaftigkeit der Situation wäre auch eine gesetzliche Regelung denkbar gewesen, nicht nur eine Empfehlung des GKV-Spitzenverbands“, sagte er.

Um ein Arzneimittel, das hierzulande fehlt, als Einzelimport aus einem anderen EU-Land einführen zu dürfen, muss das Präparat dort oder zentral bei der EMA ein Zulassungsverfahren durchlaufen haben (§ 73 Abs. 1 Arzneimittelgesetz) und hierzulande verkehrsfähig sein. In Ausnahmefällen und unter Einhaltung besonderer Vorgaben können Arzneimittel auch aus anderen Ländern einzeln importiert werden (§ 73 Abs. 3 AMG). Apotheken, die ein Präparat im Wege des Einzelimports beschaffen möchten, können dies auch in Zusammenarbeit mit spezialisierten Dienstleistern tun. Wichtig: Die Haftung des pharma­zeutischen Herstellers nach § 84 AMG greift in solchen Fällen nicht – die Apotheke ist verpflichtet, die betrof­fenen Patientinnen und Patienten über diesen Umstand aufzuklären.

Zu guter Letzt bleibt noch die Option, Arzneimittel von anderen Apotheken zu beziehen. Das ist nach § 17 Abs. 6c Apothekenbetriebsordnung grundsätzlich verboten – eine Ausnahme macht diese Norm aber unter anderem in Fällen, in denen „die unverzügliche Anwendung des Arzneimittels erforderlich ist und wenn das Arzneimittel nicht rechtzeitig bezogen oder her­gestellt werden kann“. Der Anwendungsfall ist also eng begrenzt, sodass diese Möglichkeit nicht allzu häufig zum Tragen kommen dürfte.

Eine Frage stellt sich den Apotheken möglicherweise, wenn ein heiß begehrtes Arzneimittel, das zeitweise nicht verfügbar war, endlich wieder lieferbar ist: Darf eine Apotheke dann mit der Lieferfähigkeit werben? Douglas, der sich unter anderem als Experte für Wettbewerbsrecht im Gesundheitswesen einen Namen gemacht hat, sieht darin kein Problem, solange es sich um eine sachliche Information handelt. Vor dem Hintergrund des § 10 Heilmittelwerbegesetz, der das Werben für verschreibungspflichtige Arzneimittel außerhalb der Fachkreise verbietet, sei etwa die Aussage „Jetzt wieder lieferbar“ aus seiner Sicht zulässig – auch wenn manche Kolleginnen und Kollegen diesbezüglich eine andere Auffassung vertreten. |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.