Prophylaxe

Frühe HPV-Impfung lohnt sich

Jungen und Mädchen profitieren

In den pharmazeutischen Laboren wird intensiv nach Impfstoffen zur Prävention von Krebserkrankungen gesucht. Vor diesem Hintergrund ist kaum zu verstehen, dass die Impfung gegen humane Papillomviren (HPV), die häufigsten Verursacher des Zervixkarzinoms und weiterer Krebserkrankungen, nur unzureichend durchgeführt wird. Weit weniger als die Hälfte aller Jugendlichen, denen diese Impfung empfohlen wird, ist gegen HPV geimpft. Unwissenheit, aber auch Unsicherheit, wovor diese Impfung Mädchen und Jungen schützen kann und wann der beste Impfzeitpunkt ist, dürfte wesentlich dazu beitragen, dass die HPV-Impfung unzureichend akzeptiert wird.

SARS-CoV-2, Influenza-Viren und aktuell respiratorische Synzytial-Viren – Viren machen Schlagzeilen. Teilweise führen sie zu lebensbedrohlichen Infektionen und eine kausale Therapie, wie Antibiotika bei bakteriellen Infektionen, gibt es bislang nicht. Umso erstaunlicher ist, dass die Schutzmöglichkeiten durch aktive Impfungen hierzulande nur unzulänglich genutzt werden. Bestes Beispiel ist die Impfung gegen humane Papillomviren (HPV), welche Frauen und Männer vor Krebserkrankungen schützen kann. Die HPV-Impfung ist seit 2007 verfügbar und wird seither von der Ständigen Impfkommission (STIKO) bei Mädchen im Alter von neun bis 14 Jahren empfohlen, seit 2018 bei Jungen in diesem Alter. Die Impfquoten sind laut einer Auswertung des Robert Koch-Instituts (RKI) aus dem Jahr 2019 nach wie vor niedrig mit rund 44% bei Mädchen und nur 5% bei Jungen. Dabei ist wissenschaftlich dokumentiert, dass die sexuell übertragbaren HP-Viren für rund 95% aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich sind und immerhin ist das Zervixkarzinom der vierthäufigste Tumor bei Frauen. Rund 4400 Frauen erkranken jährlich in Deutschland an Gebärmutterhalskrebs und jedes Jahr versterben rund 1600 Frauen daran [1]. Unabhängig davon besteht bei einer HPV-Infektion ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Karzinomen im Bereich der Vagina, Vulva und des Penis, sowie des Anus und des Oropharynx. Die Infektion ist ferner mit der Ausbildung von Genitalwarzen (Condylomata acuminata, Kondylome) assoziiert.

Foto: Africa Studio/AdobeStock

Für Jungen und Mädchen wird die HPV-Impfung ab neun Jahren empfohlen und sollte vor der Aufnahme sexueller Kontakte erfolgen.

Schutz vor mehreren HPV-Typen

Derzeit sind mehr als 200 verschiedene HPV-Genotypen bekannt, die ein unterschiedliches onkogenes Potenzial besitzen. Sie werden entsprechend unterteilt in Hochrisiko- und Niedrigrisikotypen. Zu den Hochrisikotypen gehören laut der International Agency for Research on Cancer (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die zwölf HPV-Typen 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58 und 59. Sie kommen unterschiedlich häufig vor. Bei den HPV-assoziierten Karzinomen ist vorwiegend DNA des Hoch­risiko-HPV-Typs 16 nachzuweisen. Bei den Niedrigrisikotypen spielen die HPV-Typen 6 und 11 eine wichtige Rolle, da sie Genitalwarzen auslösen können [2].

In Deutschland sind zwei verschiedene HPV-Impfstoffe verfügbar: Cervarix® und Gardasil® 9. Ersterer schützt gegen die HPV-Typen 16 und 18, die etwa 70% der von Hochrisikotypen verursachten Zervixkarzinome bedingen. Gardasil® 9 schützt gegen die HPV-Typen 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58 und ist damit gegen rund 90% der von Hochrisiko­typen verursachten Gebärmutterhalskarzinome wirksam. Da beide Impfstoffe gegen die HPV-Typen 16 und 18 schützen, bieten sie Schutz gegen Virustypen, die bei Karzinomen von Vulva, Penis, Anus und Oropharynx eine Rolle spielen. Der neunvalente Impfstoff bietet darüber hinaus auch einen wirk­samen Schutz gegenüber Kondylomen, die zu 90% durch die HPV-Typen 6 und 11 verursacht werden [2, 3].

Wann sollte geimpft werden?

Eine Impfung gegen HPV sollte erfolgen, bevor es zu einer persistierenden Infektion mit einem im Impfstoff enthaltenen HPV-Typ gekommen ist, sonst kann kein effektiver Schutz mehr entstehen. Aufgrund der Übertragung des Virus durch sexuelle Kontakte soll die Impfung bereits vor der ersten Aufnahme dieser durch­geführt werden. Damit ist nicht nur der Geschlechtsverkehr gemeint, auch beim Genitalpetting ist eine HPV-Übertragung möglich. Laut Erhebung der Bundeszentrale für gesundheit­liche Aufklärung (BZgA) geben ca. 2 bis 4% der 14-jährigen Mädchen und 3 bis 6% der Jungen an, bereits Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Erfahrung mit Genitalpetting berichten sogar 20% in dieser Altersgruppe [3, 4]. Folglich empfiehlt die STIKO eine frühzeitige Impfung zwischen dem neunten und 14. Lebensjahr.

Es gibt weitere Argumente dafür, die Impfung frühzeitig vorzunehmen: In einer britischen Studie konnte gezeigt werden, dass die Häufigkeit eines Zervixkarzinoms bei vollständiger HPV-Impfung im Alter von zwölf bis 13 Jahren um 87% gesenkt wird. Erfolgt die Impfung im Alter von 16 bis 18 Jahren nimmt die Inzidenz nur um 34% ab. In einer schwedischen Studie konnte dies bestätigt werden [5, 6]. Es gibt ferner Befunde, dass jüngere Mädchen höhere Antikörperspiegel nach der HPV-Impfung auf­bauen als ältere Mädchen [3].

Wann die Impfung nachholen?

Die vorliegenden Daten führten zur Empfehlung der Impfung für Jungen und Mädchen ab dem Alter von neun Jahren. Ist die Impfung nicht bis zum Alter von 14 Jahren erfolgt, empfiehlt die STIKO, diese bis zum Alter von 17 Jahren nachzuholen. Generell sollte die Impfung vor der Aufnahme sexueller Kontakte erfolgen. Jedoch kann sie auch für bis dato ungeimpfte Mädchen und Jungen sinnvoll sein, die bereits Geschlechtsverkehr hatten und/oder älter als 17 Jahre sind. Grund ist eine Korrelation des Infek­tionsrisikos mit der Zahl der Sexualpartner. Zudem hat nicht jeder Sexualkontakt eine HPV-Übertragung und die Ausbildung einer persistierenden HPV-Infektion zur Folge. Die Infektion, die allgemein unbemerkt bleibt, kann von selbst ausheilen. Sie kann jedoch auch nach Jahren Krebs auslösen. Die betroffene Person ist nicht vor einer erneuten Infektion geschützt. Auch wenn es zu einer persistierenden HPV-Infektion mit einem Hochrisiko-HPV-Typ gekommen ist, kann durch die Impfung noch ein Schutz vor den anderen im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen erwirkt werden. Je früher die Impfung nachgeholt wird, desto besser, so die Experten [3].

Für die Impfung bei Personen über 17 Jahren liegt keine offizielle STIKO-Empfehlung vor. Trotzdem können Ärzte laut RKI die HPV-Impfung auch bei Personen über 17 Jahre vornehmen. Die verfügbaren HPV-Impfstoffe sind ab neun Jahren ohne Altersbegrenzung nach oben zugelassen [3].

Bei akuten, schweren, fieberhaften Erkrankungen sollte die Impfung verschoben werden.

Kostenübernahme der HPV-Impfung

Die Kosten für die HPV-Impfung werden bis zum 17. Lebensjahr von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Erwachsene Frauen und Männer, die bis dato nicht geimpft sind, aber eine entsprechende Schutzwirkung wünschen, müssen die Kosten in aller Regel selbst tragen [7]. Diese beinhalten die drei Impfdosen, die Gebühren für die ärztliche Beratung, die Verordnung und die Impfung selbst. Allerdings lohnt es sich, vor der Impfung eine Kostenübernahme bei der jeweiligen Krankenkasse zu beantragen. Je nach Krankenkassen und Bundesland werden die Kosten zum Teil aus Kulanz erstattet [7, 8].

Das Impfschema

Die HPV-Impfung besteht bei Neun- bis 14-Jährigen aus der Verabreichung von zwei Impfdosen im Abstand von mindestens fünf Monaten. Es können kürzere Intervalle gewählt werden, dann müssen drei Impfdosen verabreicht werden, um eine sichere Schutzwirkung zu erzielen. Personen über 15 Jahre sollten generell dreimal geimpft werden. Eine Auffrischimpfung ist nach derzeitiger Kenntnis nicht erforderlich.

Mögliche Nebenwirkungen

Nach der Impfung kann es zu lokalen Reaktionen an der Einstichstelle kommen, wie etwa einer Schwellung, Rötung oder Schmerzen. Ferner ist das Auftreten von kurzzeitigem Schwindel möglich, sodass die Impfung am besten im Sitzen oder Liegen erfolgt [9]. Außerdem können Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Fieber, Magen-Darm-Beschwerden und Müdigkeit auftreten. Diese Beschwerden sind meist von kurzer Dauer und signali­sieren, dass sich der Körper mit dem Impfstoff auseinandersetzt. Schwere Nebenwirkungen treten dagegen nur selten auf [4].

Perspektive für die Zukunft

Laut Angaben des RKI könnte, basierend auf Modellberechnungen, die HPV-Impfung von Mädchen die Prävalenz des Zervixkarzinoms im Verlauf der nächsten hundert Jahre um mehr als die Hälfte senken. Das wären 163.000 Erkrankungen weniger. Würde man eine vergleichbare Impfquote bei Jungen laut RKI erzielen, so könnten weitere 76.000 HPV-bedingte Krebsfälle verhindert werden [9]. |

 

Literatur

[1] HPV-Impfung: effektive Prävention von HPV assoziierten Krebserkrankungen. Information der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), Stand: September 2022, www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/basis-informationen-krebs-allgemeine-informationen/hpv-impfung-gebaermutterhalskre.html

[2] Humane Papillomviren. Ratgeber des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand: Juni 2018, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_HPV.html

[3] Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Erreger und Impfung. FAQ des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand: September 2022, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/HPV/FAQ-Liste_HPV_Impfen.html

[4] Neunte Welle der BZgA-Studie „Jugendsexualität“. Info-Blatt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Stand: Dezember 2020, www.bzga.de/fileadmin/user_upload/PDF/pressemitteilungen/daten_und_fakten/Infoblatt_Jugendsexualitaet_Neunte_Welle_barrierefrei.pdf

[5] Lei J,Ploner A, Elfström KM et al. HPV Vaccination and the Risk of Invasive Cervical Cancer. New Engl J Med 2020;383:1340-1348

[6] Falcaro M, Castañon A, Ndlela B et al. The effects of the national HPV vaccination programme in England, UK, on cervical cancer and grade 3 cervical intraepithelial neoplasia incidence: a register-based observational study. Lancet 2021;398: 2084-2092

[7] HPV: Impfung gegen Humane Papillomviren. Information des deutschen Krebsforschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft (dkfz), Stand: September 2020, www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/risiken/hpv-impfung.php

[8] Informationen zur Impfung gegen HPV (Humane Papillomaviren). Information der Centrum für Reisemedizin GmbH (CRM), Stand: Oktober 2022, www.impfkontrolle.de/content.asp?audience=2&topic=3&vaccination=3&page=1&chapter=5

[9] Kurz & Knapp: Faktenblätter zum Impfen: HPV-Impfung. Informationsblatt des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand: März 2019, www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Faktenblaetter/HPV.pdf?__blob=publicationFile

Medizinjournalistin Christine Vetter

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