„Kaltes Grausen“

Gassen kämpft gegen Staatskommissar – und Apotheker im G-BA

Stuttgart - 24.05.2016, 09:55 Uhr

KBV-Chef Andreas Gassen verspricht „deutliche Beschlüsse“ – und will so den Staatskommissar abwenden. (Foto: Lopata / axentis.de)

KBV-Chef Andreas Gassen verspricht „deutliche Beschlüsse“ – und will so den Staatskommissar abwenden. (Foto: Lopata / axentis.de)


Am heutigen Montag muss die KBV im eigenen Haus durchgreifen, ansonsten droht ihr eine Zwangsverwaltung. KBV-Chef Andreas Gassen plädiert gegen Fesseln und setzt auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Apothekern und anderen Selbstverwaltungspartnern. Er plädiert jedoch dagegen, Apothekern einen Platz im Gemeinsamen Bundesausschuss einzuräumen.

Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) steht am heutigen Montag viel auf dem Spiel: „Es könnte die wichtigste Sitzung in der gesamten Geschichte der kassenärztlichen Selbstverwaltung werden“, sagt Andreas Gassen laut seinem von der KBV veröffentlichten Redetext. „Wir müssen uns dieser Verantwortung gemeinsam stellen“, appellierte Gassen an seine Kollegen.

Um als solche zu funktionieren, müsse die Selbstverwaltung weiter „Beinfreiheit“ haben. „Keine weiteren Fesseln für die Selbstverwaltung!“, forderte Gassen angesichts der strengeren Kontrollen, die die Bundesregierung vorbereitet. Er versprach für den internen Teil der Sitzung am Nachmittag „klare Antworten“ – und für die nächsten Wochen einen komplett überarbeiteten Satzungsentwurf. So will er Probleme in der Zukunft vermeiden. „Wir stimmen uns zu allen entscheidenden Fragen offen und vertrauensvoll mit unserer zuständigen Aufsichtsbehörde, dem BMG, ab“, erklärt Gassen.

Kopfschütteln für Apotheker im G-BA

Trotz der „Diskussionen über die Vergangenheit“ müsse sich die Selbstverwaltung nicht verstecken, betonte der KBV-Chef. Gerne zitiere er eine Passage aus dem Interview mit Bundesverfassungsgerichts-Vize Ferdinand Kirchhof: Dieser sagte gegenüber der Deutschen Apotheker Zeitung, dass das Zusammenspiel zwischen Krankenkassen, Ärzten und Apothekern im Grunde hervorragend funktioniere. Anderes verursacht bei ihm jedoch nur „kaltes Grausen“: Für Kirchhofs „professoralen“ Optimierungsvorschlag, den G-BA mit allen betroffenen Berufsgruppen zu besetzen, hat Gassen nur ein Kopfschütteln übrig – Apothekern will er also keinen Platz in dem wichtigen Gremium einräumen.

Gassen plädiert auch gegen Kirchhofs Alternativvorschlang, den G-BA in eine Bundesbehörde umzuwandeln, für die das Bundesgesundheitsministerium zusätzlich zur bisherigen Rechtsaufsicht auch eine Fachaufsicht hätte. Doch angesichts der Skandale um überhöhte Rentenansprüche, illegale Immobiliengeschäfte und Vorstands-Streitereien räumte er ein: „Die KBV hat auch Fehler gemacht.“

Beschlüsse gegen den Fehler und „Verrat“

Die Vereinigung ringt laut Gassen derzeit um den richtigen Weg, um das Vertrauen der Politik und Öffentlichkeit zurück zu bekommen. „Derartige Fehler dürfen in Zukunft nie wieder vorkommen!“, sagte Gassen. Und fragte gleichzeitig: „Was gesteht man uns und der gesamten Selbstverwaltung überhaupt noch zu?“

Er versicherte, dass die KBV zukünftig nicht mehr den „Eindruck eines unkoordinierten oder nicht abgestimmten Verhaltens“ geben werde. Gleichzeitig will er nicht zulassen, dass sich die Politik auf dem Rücken der Ärzteschaft austobt – und zugleich bei den wirklich wichtigen Fragen eines zukunftsfesten Gesundheitssystems einen schlanken Fuß macht.

Der KBV-Chef appellierte an seine Kollegen, in der geschlossenen Sitzung am Nachmittag die nötigen Beschlüsse zu fassen und den Staatskommissar noch abzuwenden. „Wir haben in den vergangenen Wochen gemeinsam hart daran gearbeitet, damit es nicht zu diesem Verrat kommt“, sagte Gassen. „Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Bundesgesundheitsminister, ich kämpfe mit aller Kraft dafür, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung von keinem aus dem BMG bestellten ‚Kommissar‘ geführt wird.“ Einen Verwaltungsbeamten, der mit großer Wahrscheinlichkeit bisher nicht einmal ein einziges Arzt-Patientengespräch geführt hat, dürfe es weder jetzt noch in Zukunft an der Spitze der KBV geben.

(Foto: KBV)

Hinter verschlossenen Türen: Am Montagnachmittag geht es bei der KBV um die wirklich heiklen Themen. 

Die Ärzte wüssten, wovon sie reden

Auch dankte Gassen dem Bundesgesundheitsminister für dessen wiederholtes, öffentliches Bekenntnis zur Selbstverwaltung in der bewährten Form. „Minister Gröhe, seien Sie versichert, wir erfüllen unseren Teil – tun Sie das bitte auch!“ Auch bei der Reform der Gebührenordnung der Ärzte bräuchten die Ärzte ihn.

Als ein positives Beispiel führte Gassen die von den kassenärztlichen Vereinigungen (KV) eigentlich ungeliebten Terminservicestellen an. Zwar hätten sie einen „eher geringen“ Nutzen, doch sie funktionierten und arbeiteten stabil. Hieraus ließen sich laut dem KBV-Chef zwei Lehren ziehen: „Das KV-System ist leistungsfähig und kann anspruchsvolle Projekte umsetzen“, erklärte Gassen. „Und wir wissen, wovon wir reden!“

Alles nach Plan beim Medikationsplan?

Seine Vorstandskollegin Regina Feldmann, mit der es offenbar tiefgreifende Zerwürfnisse gab, ging in ihrer Rede praktisch nicht auf die Probleme bei der KBV ein. Stattdessen hob sie auf Erfolge beim Medikationsplan ab: „Die KBV hat gemeinsam mit dem Deutschen Apothekerverband und der Bundesärztekammer die dafür notwendige Rahmenvereinbarung pünktlich vorgelegt“, sagte Feldmann. Inhalt, Struktur und Vorgaben zur Aktualisierung des Medikationsplans seien festgelegt. „Für die Patienten bedeutet der Medikationsplan mehr Sicherheit“, erklärte sie.

Allerdings sieht sie den Medikationsplan ihn Ärztehand: Er sei nur ein erster Schritt zu einem umfassenden Medikationsmanagement, das sich auf Praxisverwaltungssysteme stütze. Die Einführung eines elektronisch gestützten Interaktionsmanagements zur Optimierung der Arzneimitteltherapiesicherheit über die Praxisverwaltungsprogramme müsse gesetzlich geregelt werden, sagte Feldmann. „Diese Kosten dürfen nicht alleine dem Arzt aufgebürdet werden.“


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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