Fachgespräch im Bundestag

Das Traumpaar Schmidt-Müller

Berlin - 28.11.2016, 17:30 Uhr

Geht doch: Die Grünen-Fraktion im Bundestag hat es geschafft, den ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt und DocMorris-Vorstand Max Müller an einen Tisch zu bringen. So schlecht war die Stimmung gar nicht. (Foto: Grünen Fraktion)

Geht doch: Die Grünen-Fraktion im Bundestag hat es geschafft, den ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt und DocMorris-Vorstand Max Müller an einen Tisch zu bringen. So schlecht war die Stimmung gar nicht. (Foto: Grünen Fraktion)


In den vergangenen zwölf Jahren haben Gespräche zwischen der ABDA und DocMorris nur vor Gericht stattgefunden. Am heutigen Montag trafen ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und DocMorris-Vorstand Max Müller erstmals wieder aufeinander. Die Gesprächsatmosphäre war besser als gedacht, inhaltlich kommen die beiden aber nicht auf einen Nenner.

Es ist die Bundestagsfraktion der Grünen, die es erstmals seit einer sehr langen Zeit geschafft hat, alle wichtigen Player im Apothekenmarkt an einen Tisch zu bringen, um über das Apothekensystem zu sprechen. Neben ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und DocMorris-Vorstand Max Müller beteiligten sich auch der Verbraucherschützer Kai-Helge Vogel, Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin sowie Klaus Holthoff-Frank von der Monopolkommission am Gespräch. Ebenfalls anwesend waren Christian Buse vom Verband deutscher Versandapotheken sowie Klaus Gritschneder vom Verband der europäischen Versandapotheken.

Anlass der Debatte war das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung. Dafür dass Schmidt und Müller in den vergangenen Monaten allerhöchstens in Pressemitteilungen übereinander sprachen, war die Stimmung sogar recht gut. Müller goss seinem Sitznachbarn Schmidt immer mal wieder Wasser ein, Schmidt flüsterte Müller des Öfteren etwas zu, man lachte gemeinsam. Bei der Moderatorin der Fachtagung in der Grünen-Fraktion des Bundestages, Kordula Schulz-Asche (MdB, Grüne), gingen die beiden sogar als „Traumpaar“ durch.

Schmidt: Rx-Versand verbieten, Honorar reformieren

Doch das war es schon mit den positiven Überraschungen. Inhaltlich liegen beide weiterhin meilenweit auseinander. So weit auseinander, dass ein gemeinsamer Lösungsvorschlag so unrealistisch ist wie vor zwölf Jahren. Schmidt, der von Schulz-Asche als erster Referent aufgerufen wurde, stellte klar: Die ABDA fordert schnellstmöglich das Rx-Versandverbot. Wenn dieses gelte, könne man sich an eine umfassendere Reform des Apothekenhonorars machen. Denn – und hier gab es die einzige Übereinkunft aller Diskutanten – auch Schmidt wünscht sich eine Honorarreform im Apothekenbereich. Pharmazeutische Dienstleistungen müssten honoriert werden, allerdings zusätzlich zum Fixhonorar, erklärte der ABDA-Präsident.

Schmidt wusste, dass er vor den größten Gegnern des Versandverbotes sprach. Wie immer, war der ABDA-Präsident rhetorisch bestens vorbereitet. Selbst Max Müller bescheinigte ihm später eine rhetorische Meisterleistung, weil Schmidt stets von der „Rückführung des Versandhandels auf den OTC-Bereich sprach" und das „Verbot" geschickt umschiffte. Überraschenderweise sprach der ABDA-Präsident in seinem Vortrag aber gar nicht so viel über das Rx-Versandverbot sondern über einen Kampf, den die Apotheker durch das EuGH-Urteil schon zumindest teilweise verloren haben: den einheitlichen Apothekenabgabepreis.

DocMorris will Höchstpreis-Regelung

Mit Vehemenz verteidigte Schmidt die Rx-Preisbindung. Arzneimittel seien ein besonderes Produkt und bedürften daher eines besonderen Schutzes. Auch die Arzneimittelversorgung finde nicht im gewöhnlichen Einzelhandel statt und sei deswegen ebenfalls regelungsbedürftig. Der Patientenschutz mache es außerdem nötig, dass es keinen Preiswettbewerb gebe. Patienten sollten keine Wirtschaftlichkeitsentscheidungen treffen, sondern eine Vertrauensentscheidung. Und: Weil das gesamte GKV-Arzneimittelsystem mit allem verbundenen Einsparungen der Kassen auf dem einheitlichen Preis beruhe, dürften auch die Kassen die Preisbindung behalten wollen. Und weiter: Laut Schmidt sollen auch Apotheker keine Wirtschaftlichkeitsentscheidungen treffen müssen. Denn dann könne es dazu kommen, dass Patienten unterschiedlich behandelt werden, weil sie wirtschaftlich unterschiedlich lukrativ sind. Schmidt kam zu dem Schluss, dass das Fixhonorar vor diesem Hintergrund das Mittel der Wahl sei. Denn: „Die Pauschale verhindert Selektion", sagte der ABDA-Präsident.

Es folgte der Auftritt von Max Müller. Auch Müller wusste, dass er vor vielen Kritikern sprach. Denn neben den ABDA-Vertretern waren unter den rund 100 Zuhörern zahlreiche Apotheker. Und die hatten den DocMorris-Vorstand in den vergangenen Wochen nicht gerade pfleglich behandelt. Aber auch Müller hatte sich eine gute Strategie zurechtgelegt. Er verlagerte die Diskussion weg vom Gerichtsstreit und den Rx-Boni und hin zu einer gesamtgesellschaftlichen Problematik, der drohenden Unterversorgung auf dem Land. Müller warb dafür, dass DocMorris und die Apotheker gemeinsam nach einer Lösung suchen, um die Versorgungsstruktur zu verbessern. Für Müller steht allerdings fest: Der Verbraucher müsse entscheiden dürfen, ob er in die Apotheke gehe oder bei DocMorris bestelle.

Der DocMorris-Vertreter übte außerdem heftige Kritik am derzeitigen System der Apothekervergütung. „Es ist egal wie hoch das Apothekenhonorar ist, wenn kein Arzt am Ort ist.“ Vor dem geplanten Rx-Versandhandelsverbot warnte er. Es gebe keinen kausalen Zusammenhang zwischen schließenden Apotheken und dem Versandhandel. Die Versandapotheken seien vielmehr eine Ergänzung. Müller stellte klar: „Selbst wenn wir mit unseren 3 Prozent Marktanteil nicht mehr da sind, werden wir Probleme bekommen, die Versorgung auf dem Land zu erhalten.“ Vielmehr müsse die Politik anfangen, über neue Versorgungsformen zu diskutieren, die zum Ziel haben, strukturelle Gefälle bei der Versorgung auszugleichen. Müller deutete an, dass für ihn die Höchstpreis-Regelung eine Möglichkeit sein könne, mit dem EuGH-Urteil umzugehen. „Mit Höchstpreisen sind Verbraucher nicht überfordert, weil ja der derzeitige Preis der höchste von Apotheken verlangte Preis sein kann. Apotheker könnten dann niedrigere Preise verlangen, müssen sie aber nicht.“

Müller: Wir haben keine Einkaufsvorteile

Als das gesagt war, stritten sich Müller und Schmidt dann doch noch ein bisschen. Schmidt sagte, dass Müller einen sehr kooperativen Eindruck erwecke. Eine Kooperation mit DocMorris komme aber für die Apotheker nicht in Frage, weil sich DocMorris nicht an Regeln halten könne. „Sie haben dieses Urteil erzwungen und Ihre ständigen Regelverstöße sind nicht mehr zu ertragen. Kooperieren geht nur mit Regeln.“ Müller stellte im Gegenzug klar, dass sich DocMorris nichts vorzuwerfen habe. „Wir haben die gleichen Einkaufskonditionen, wir haben auch keinen Umsatzsteuervorteil.“

Aber wie sah es mit anderen Lösungsvorschlägen aus? Professor Busse brachte ein Beratungsrezept ins Spiel, bei denen Apotheker ein zusätzliches Honorar abrechnen könnten, wenn sie beraten. Schmidt lehnte dies aber ab. Er bezweifelte, dass man Beratungsfälle von Nicht-Beratungsfällen trennen könne. Denn die Verbindung Patient-Arzneimittel sei immer eine individuelle. Verbraucherschützer Vogel schlug erneut vor, die Rx-Boni zwingend an die Zuzahlung zu binden. Gebe es eine Zuzahlung, könnten die Verbraucher von Boni profitieren, sagte Vogel. Aber auch das lehnte Schmidt ab.

Grüne wollen Apotheker stärken

Den wohl bewegendsten Auftritt hatte ein Landapotheker aus der brandenburgischen Prignitz. Der Pharmazeut erzählte, dass er die einzige Apotheke in einem Umkreis von 250 Quadratkilometern habe. Er leiste Notdienst nach Notdienst und versorge seine Patienten bis an das Krankenbett heran. Trotzdem werde es wirtschaftlich immer schwerer. Der Apotheker sprach sich nachdrücklich für ein Dienstleistungshonorar aus. Denn: „Wenn ich nach mehreren Gesprächen mit Arzt und Patient und einer daraus folgenden Intervention verhindere, dass ein Patient zwei unnötige Arzneimittel einnimmt, profitieren der Patient und die Krankenkasse. Ich bin der einzige, der dabei ein Minus macht.“

In ihrem Schlusswort stellte die Grünen-Gesundheitspolitikerin Schulz-Asche eine ähnliche Forderung auf. In Zukunft würden immer mehr Aufgaben auf die Apotheker zukommen, der Apothekerberuf und seine Vergütung müssten daher gestärkt werden. Schon im Voraus hatte sich die Gesundheitsexpertin der Grünen-Fraktion gegen das Rx-Versandhandelsverbot ausgesprochen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Ethik & Monetik, eine gemeinsame Herausforderung.

von Christian Timme am 28.11.2016 um 23:34 Uhr

Verbales aufeinander einkloppen ist eine Seite, miteinander reden die andere Seite. Andere schaffen Fakten, wirtschaftlich Betroffene Jubeln oder gucken dumm aus der Wäsche. So richtig Recht machen, was immer das sein mag, kann man es keinem der Kontrahenten. Keep calm and carry on. Waffenruhe halten, Argumente und Zahlen auf den Tisch, Checks and Balances, bitte weniger "Experten-Meinungen" und Politik, mehr diejenigen einbeziehen die es machen müssen und die betroffen sind. Zu blauäugig?, diesmal wenigstens versuchen. Wir reden hier über eine verdammt ernste Sache, über Menschen die sich nicht mehr wehren können und krank und mehr sind. Bitte.

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Akteure

von Frank Ebert am 28.11.2016 um 19:37 Uhr

Wenn ein "Experte " ständig von Krankenscheinen faselt, dann weiß man von welchen Ahnungslosen man umzingelt ist. Wie kann man sich als Generalsekretär so schlecht vorbereiten. Wie wird man eigentlich bei dieser Qualität Generalsekretär ?

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F. Schmidt contra Müller

von Heiko Barz am 28.11.2016 um 19:08 Uhr

Ohne diese Diskussion bewerten zu wollen, muß aber festgestellt werden, dass DoMo und sein Müller mittlerweile in Deutschland, von wem auch immer beschützt und gewollt, hoffähig gemacht worden sind.
Gelinde gesagt, eine Katastrophe!!
Das "Scmuddelkind" des kettengeilen Holländischen Versandhandels hat sich zum Sprachrohr für Lauterbach und
Co. gemausert.
Krankenhauskonzernschützer Lauterbach ist auf auf bestem Wege, sich auch im Medikamentenbereich zu "etablieren".
Lauterbach als Konzernlobbyist und das als "linker" SPD Mann.
Ich fass' es nicht!

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Was für ein Spuk!

von Wolfgang Müller am 28.11.2016 um 18:48 Uhr

Zunächst mal: Schön, dass unser Chef weiter so leidenschaftlich für das Rx-Versand-Verbot sich ins Zeug legt. Und eine grundsätzliche Honorar-Neuordnung erst DANACH möchte, aber noch für keinen Plan B2 hält.

Aber, FreundInnen des weißen Sports schon mal aufgepasst, so für die nächsten Wochen und Monate:
In exakt dem Moment, wo der Quatsch Apotheken-Rx-Honorierung "Weg von der Packung" hin zu einer wie auch immer gearteten "Dienstleistungs-Honorierung für die Beratung" ernsthaft von "Der Politik" und "Der ABDA" als "Plan C zum EuGH-Urteil" angepackt wird, ist auch das Ende des auskömmlichen Betriebs typischer Vor-Ort-Apotheken eingeleitet. Der treuherzige Professoren-Vorschlag mit dem Beratungs-Rezept zeigt dies eindrucksvoll, und alle anderen Gedanken dazu sind genauso kompliziert und genauso wenig tragfähig. Einzige, klitzekleine, schöne aber unbedeutende Ausnahme vielleicht: Der "Überweisungsschein" für ein befristetes Pharmaceutical Care bzw. Medikationsmanagement.

ALLE diese möglichen oder unmöglichen, "formal und systematisch zu organisierenden und zu erfassenden" Dienstleistungs-Honorare werden bei wegbrechenden Rx-Margen in Wirklichkeit zu viel mehr Komplexität und damit: KOSTEN führen, ohne einen nennenswerten Umsatz zu generieren. Was den Untergang der "Typischen" nur noch beschleunigen wird.

Im besten Fall ist das den Professoren und Politikern eben treuherzigerweise noch nicht klar. Oder sie wissen das ganz genau, sind aber im schlimmsten Fall dann eben scheinheilig/hinterhältig/berechnend/gehässig. Und wollen vor Allem der dann GANZ SICHER folgenden, dramatischen "Marktbereinigung" von sicherer Glaeske/Lauterbach-Loge aus genüsslich zusehen.

Ich weiß nicht, ob dem verehrten Kollegen aus der Prignitz klar ist, dass ihm in Wirklichkeit mit einer Stabilisierung bzw. Erhöhung des Fixhonorars + generellem Selektivvertrags-Verbot, auch und vor Allem für "Beratungsleistungen", sehr viel mehr gedient wäre. Glaubt denn auch nur Eine/r im Ernst, dass sich "Der Versand" von lukrativen und Rezept-umsteuernden "Dienstleistungs-Selektivverträgen" fernhalten ließe? Im Gegenteil, der würde hochwertige Prämien für jeden "Teilnehmenden Chroniker" ausloben! Ich sage mal: Gartengrill oder Teakholz-Garnitur (zwei Stühle und Tischchen), falls gerade Sommer ist.

Schluss mit diesem Spuk, alles nur Ablenkung vom eigentlichen Thema.

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