Eppendorfer Dialog

Medikationsplan trotzdem nutzen

Hamburg - 08.12.2016, 10:30 Uhr

Bei aller Kritik: Thomas Müller-Bohn empfahl den „Plan“ als ersten Schritt zur patientenorientierten Pharmazie zu bewerben. (Foto (2): Sandra Birkner)

Bei aller Kritik: Thomas Müller-Bohn empfahl den „Plan“ als ersten Schritt zur patientenorientierten Pharmazie zu bewerben. (Foto (2): Sandra Birkner)


Der bundeseinheitliche Medikationsplan ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Beim Eppendorfer Dialog betonten Betrachter aus unterschiedlichen Perspektiven die Schwächen des bisherigen Konzepts.

Seit Anfang Oktober gilt der gesetzliche Anspruch auf den bundeseinheitlichen Medikationsplan, bisher hat das Thema die Öffentlichkeit kaum erreicht. Prof. Dr. Achim Jockwig – Gastgeber des 20. Eppendorfer Dialogs, der am Dienstag in Hamburg stattfand – stellte daher die Frage, was von diesem neuen Instrument zu erwarten ist. Prof. Dr. Gerd Glaeske, Universität Bremen, lobte die Akutversorgung in Deutschland, sah aber großen Nachholbedarf bei der Dauerversorgung. Die Idee von „chronic care“ werde nicht umgesetzt, insbesondere wenn ein Patient mehrere Ärzte aufsucht. Darum müsse die Interprofessionalität gefördert werden. Dafür sei ein Medikationsplan ein wichtiges Hilfsmittel. Zudem forderte Glaeske, die Gleichberechtigung zwischen den Professionen und die Evaluationskultur zu verbessern.

Kritik am Medikationsplan 

Als Vorbild für die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern stellte Dr. Ulf Maywald, AOK plus, das ARMIN-Projekt vor. Der Betreuungsprozess beginne dort stets in der Apotheke mit dem Brown-bag-Review. Von Anfang an werde die Medikation elektronisch erfasst und auch die Kommunikation finde elektronisch statt. Dies vermisst Maywald beim bundeseinheitlichen Medikationsplan. Als weitere Schwächen des neuen Plans nannte Maywald das Risiko der Unvollständigkeit, Produktangaben ohne Pharmazentralnummer, fehlende Scanner in Krankenhäusern und die fehlende Prüfung zur Arzneimitteltherapiesicherheit. 

Medikationsplan: Die Rolle der Apotheker

Auch Dr. Monika Schliffke, Vorstandsvorsitzende der KV Schleswig-Holstein, konstatierte große Schwächen in der Umsetzung von verordneten Arzneitherapien, weil viele Patienten die Arzneimittel nicht oder in veränderter Dosis anwenden. Dagegen seien Medikationspläne jedoch nur begrenzt wirksam, weil Patienten sie in den entscheidenden Situationen nicht dabei hätten und sich selbst fast nie um die Aktualisierung bemühen würden. Zudem beklagte Schliffke, der neue Plan sei „betriebswirtschaftlich ein Flop“ für die Arztpraxis. Denn der geringen Gebühr stünden der Aufwand und hohe Preise für Lizenzen gegenüber. „Zukunft geht anders“, erklärte Schliffke und verwies auf alternative Lösungen mithilfe von Apps.

„Betriebswirtschaftlich ein Flop“

DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn, verwies auf die Angebote der Apotheker im Rahmen der patientenorientierten Pharmazie. Doch der bundeseinheitliche Medikationsplan, bei dem Apotheker nur eine Nebenrolle ohne Honorar einnehmen, bleibe weit hinter diesem Ideal zurück. Außerdem sei der Plan nur eine Liste, die als rein technischer Vorgang erstellt werden könne. Trotzdem empfahl Müller-Bohn, den „Plan“ als ersten Schritt zur patientenorientierten Pharmazie zu bewerben. Künftig sollte jedoch die Apotheke mit ihrer Schlüsselstellung in der Arzneimittelversorgung besser für die Betreuung der Patienten genutzt werden, forderte Müller-Bohn.

Prof. Dr. Edgar Franke, Vorsitzender des Bundestagsgesundheitsausschusses, griff diesen Aspekt auf. Insbesondere nach dem EuGH-Urteil stelle sich die Frage nach der Rolle der Apotheker. Auch die politische Reaktion auf das Urteil werde sich mittelbar auf die Umsetzung des Medikationsplans auswirken, prognostizierte Franke. Als Fazit aus der Veranstaltung erklärte Franke, er nehme aus den Beiträgen mit, dass der Medikationsplan immerhin ein erster Schritt in die richtige Richtung sei. Dabei zeigte er sich offen, künftig das Potenzial der Apotheker mehr zu nutzen.



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